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Wie wir in der Zukunft schier unendliche Mengen an Energie produzieren können

Physiker sehen im sphärischen Tokamak-Reaktor den aussichtsreichsten Kandidaten dafür, das erste Kernfusionskraftwerk der Welt anzutreiben.
Der Joint European Torus, der derzeit größte Tokamak, aufgenommen 1991. Bild: EFDA JET | CC BY-SA 3.0

Fusionsenergie wird schon lange als die Energiequelle der Zukunft angepriesen. Der traurige Witz daran ist nur, dass sie das auch erst mal bleiben wird. Die Technik befindet sich momentan noch im Experimentalstadium, und es werden noch mindestens 30 lange Jahre vergehen, bis sie im großen Stil nutzbar sein wird. Das lange Warten und der gigantische Aufwand könnten sich am Ende allerdings bezahlt machen. Kernfusionskraftwerke stellen in der Theorie eine überaus kostengünstige und nachhaltige Energiequelle dar—wenn die Physiker es nur endlich schaffen, die Kraft der Sonne auf der Erde nutzbar zu machen.

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Dieser Traum eines nachhaltigen „Star in a Jar"—also eines Sterns im Einmachglas—ist 2016 der Realität ein Stückchen näher gerückt. Anfang des Jahres war im Stellarator Wendelstein-7-X des Greifswalder Max Planck Institut für Plasmaphysik erstmals Wasserstoffplasma erzeugt worden—nachdem Angela Merkel höchstpersönlich den Schalter umgelegt hatte. Die Erzeugung des 100 Millionen Grad heißen Plasma, welche die chemischen Reaktionen der Sonne imitiert, erregte weltweit großes Aufsehen. Man hatte auf der Erde quasi einen Stern in Miniaturform erschaffen.

Im August haben Physiker des Princeton Plasma Physics Laboratory (PPPL) nun dargelegt, wie ein neues Design des „Einmachglases" zum ersten kommerziell nutzbaren Fusionskraftwerk führen könnte. In diesem Fall handelte es sich nicht um einen Fusionsreaktor wie dem Greifswalder Modell Stellarator, welcher im Dauerbetrieb laufen könnte, sondern um einen pulsweise betriebenen Tokamak, welcher die Fusion mittels magnetischen Einschlusses nutzt.

Fusionsenergie ist das Resultat der Verschmelzung der Nukleonen von zwei oder mehreren leichteren Atomen zu einem schwereren Nukleon, wodurch massive Energiemengen freigesetzt werden. Besonders deutlich lässt sich dieser Prozess an der Sonne beobachten—dem natürlichen Kernfusionsreaktor par excellence.

Während der Kernfusion werden die Elektronen der Atome von ihrem Nukleon getrennt, wodurch eine super heiße Wolke aus Elektronen und Ionen (die Nukleonen ohne ihre Elektronen) entsteht: das Plasma.

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Da dieses Plasma allerdings unter extrem hohen Temperaturen existiert (bis zu 150 Million Grad Celsius oder dem zehnfachen der Temperatur im Kern der Sonne), ist eine der größten Hürden, die es auf dem Weg zum ersten Fusionsreaktor zu nehmen gilt, einen Weg zu finden, dieses Plasma möglichst lange gefangen zu halten. Wegen der entsprechend extremen Anforderungen gibt es auf der Erde kein Material, das sich als „Einmachglas" eignen würde.

Um dieses Problem zu lösen, haben sowjetische Physiker bereits Anfang der 1950er-Jahre das „Tokamak"-Konzept entwickelt. Dabei wird das durch Kernfusion entstandene Plasma mithilfe von Magnetfeldern kontrolliert. Konventionelle Tokamaks sind ringförmig wie ein Donut geformt. Verbesserungen im Aufbau haben allerdings zu sphärischen Tokamaks geführt, die einem entkernten Apfel ähneln. Sie können Magnetfelder generieren, die Hochdruckplasma energie- und kosteneffizienter einfangen können.

Die beiden fortschrittlichsten sphärischen Tokamaks sind der kurz vor seiner Fertigstellung stehende Mega Ampere Spherical Tokamak (MAST) in Großbritannien und das National Spherical Torus Experiment Upgrade des Princeton Plasma Physics Lab (PPPL), das letztes Jahr in Betrieb genommen wurde. Die Physiker des PPPL haben vor Kurzem in einem in der Fachzeitschrift Nuclar Fusion veröffentlichten Aufsatz dargelegt, dass das sphärische Tokamak-Design ein vielversprechender Kandidat für die Schaffung einer Fusion Nuclear Science Facility (FNSF) sei. Die FNSF könnte die Brücke zwischen ITER, das bei seiner Fertigstellung in wenigen Jahren das größte Kernfusionsexperiment der Welt sein wird, und einem kommerziell nutzbaren Kernfusionskraftwerk schließen.

Bevor es allerdings soweit ist, müssten erst ein paar Designprobleme gelöst werden, heißt es in dem Aufsatz. Zuerst einmal sind die Partikel in dem superheißen Plasma, das im Tokamak erzeugt wird, sehr turbulent. Das liegt nicht zuletzt auch an dem sie umschließenden Magnetfeld. Eine Lösung für eine effektivere Leitung um den Tokamak herum ist dementsprechend Grundvoraussetzung. Außerdem sei weitere Forschung an den Materialien, die als Innenwand des Tokamaks in Frage kommen, nötig, um die Reinheit der Plasmapartikel, mit denen sie zwangsläufig interagieren, sicherzustellen.

Außerdem müsste man bei einer Pilot-FNSF die großen Magnetfeldspulen aus Kupfer, die bislang in Tokamaks Verwendung finden, durch supraleitende Magnete ersetzen. Supraleitende Magnete können stärkere Felder erzeugen und benötigen gleichzeitig weniger Energie zur Kühlung.

Auch wenn diese Designüberlegungen auf dem Papier durchaus sinnvoll scheinen, kommen die Physiker zu dem Schluss, dass erst die Experimente, die in den nächsten Jahren im MAST und dem sphärischen Tokamak des PPPL durchgeführt werden, letztendlich den Weg zum kompakten, energie-effizienten und kommerziell rentablen Kernfusionskraftwerk der Zukunft weisen werden.