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Habemus Plasmam die Zweite: Das Greifswalder Wasserstoff-Plasma ist da

Nur wenige Sekunden nachdem Merkel den roten Knopf drückte, flackerte die physikalische Sensation über die Bildschirme des Kontrollraums.
Die Computerleinwand zeigt den Countdown und den Status der verschiedenen Systeme des Stellerators. Alle Bilder: MPI / Screenshot Motherboard.

Unter den Augen von Angela Merkel ist dem Max-Planck-Institut in Greifswald heute ein echter physikalischer und ingenieurstechnischer Meilenstein gelungen. Der brandneue Reaktor Wendelstein-7-X wurde erfolgreich soweit hochgefahren, dass er ein Wasserstoff-Plasma erzeugte.

Die Nachricht ist nicht nur eine wissenschaftliche Sensation, weil allein der Bau des Reaktors 19 Jahre dauerte und 1,2 Milliarden Euro verschlang, sondern auch, weil es den Forschern damit erstmals gelingt, in einem kontrollierten Aufbau die energieproduzierenden Reaktionen der Sonne zu simulieren.

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Habemus Plasmam 1.0: Als der Greifswalder Reaktor Wendelstein 7-X das Heliumplasma erzeugte

Aufgrund seiner schieren Macht wurde der Reaktor, der erstmals im Testbetrieb im Dezember hochgefahren wurde, in englischen Medien bereits ehrfürchtig als Höllenmaschine bezeichnet. Das Ziel der Forscher ist ambitioniert, wie die Direktorin des Instituts für Plasmaphysik, Sibylle Günter, heute noch einmal betonte: „Wir wollen die Energie der Sterne nutzbar machen."

Um 15:22 Uhr drückte Angela Merkel schließlich einen extra aufgestellten Schalter und startete den Countdown zum Experiment. Rund eine Minute später flackerte auf dem Monitor im Kontrollraum tatsächlich der Lichtblitz des weltweit ersten kontrolliert erzeugten Wasserstoff-Plasmas auf.

Aufnahme vom Wasserstoff-Plasma aus dem Inneren des Stellerators.

Die Leiterin des IPP, Sibylle Günter, die Merkel durch die Anlage führte, wies unmittelbar nach dem Versuch, noch einmal auf die besonderen Fähigkeiten des Reaktors hin: „Tatsächlich ist die Wendelstein-Anlage schon soweit, die Reaktion eine halbe Stunde aufrecht zu erhalten, aber wir wollen nichts riskieren und haben das Plasma erstmal nur für diesen Sekundenbruchteil erzeugt."

Mehrere Minuten lang ließ sich Angela Merkel nach dem erfolgreichen Experiment anschließend erklären, was sich anhand des Plasmas nun ablesen lasse und was auf den Monitoren zu sehen sei. Sichtlich neugierig fragte die promovierte Physikerin die Ingenieure im Kontrollraum aus.

Merkel lässt sich im Kontrollraum alles ganz genau erklären.

Um das Plasma zu erzeugen, wurde ein Gemisch aus Elektronen und Atomkernen in einem Vakuumring aus 425 Tonnen Material supraleitender Magneten auf 80 Millionen Grad Celsius aufgeheizt—mit Hilfe eines 2 Megawatte starken Puls, wie das Max-Planck-Institut in einer Pressemitteilung erklärte. Die Magneten wurden in 50 speziell geformten Spulen verbaut und auf den absoluten Nullpunkt (-273 Grad Celsius) heruntergekühlt, während die Magnetfelder den Brennstoff in der Schwebe halten.

„Wendelstein 7-X ist ein großartiges Beispiel für Spitzenforschung made in Germany. Und vielleicht werden wir, wenn wir irgendwann zurückblicken, von einer Sternstunde oder Sonnenstunde der Wissenschaft sprechen", erklärte Angela Merkel schon vor dem Start des Experiments begeistert. Ihre Ansprache zu dem Forschungsgebiet, in dem sie sich sichtlich wohlfühlte, beendete sie mit dem schönen Aufruf, das „Sonnenfeuer zu zähmen."