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Top-Ökonomen fordern das Ende des Kriegs gegen die Drogen

Fünf Ökonomie-Nobelpreisträger erklären den globalen Anti-Drogenkampf für ineffizient und fordern stattdessen Investitionen ins Gesundheitssystem.
Opiumanbau in Afghanistan. Titelbild der Studie, die ihr hier als pdf herunterladen könnt

Fünf Ökonomie-Nobelpreisträger und ein Dutzend Professoren und Politiker haben erkannt, dass der Krieg gegen die Drogen nichts bringt—und sie haben gewichtige Argumente gesammelt: In einer vorgestern veröffentlichten Studie bezeichnen sie den globalen Krieg gegen die Drogen schlicht als unwirtschaftlich: Der Kampf hat „enorme negative Auswirkungen und Kollateralschäden" nach sich gezogen, und die Politik sollte sich lieber auf das Geseundheitswesen konzentrieren.

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Die ausführliche Studie—herausgegeben von der London School of Economics (LSE) und von Political ScienceScal—kommt zu dem eindeutigen Fazit, dass Staaten mit einer Lockerung der Verbote experimentieren sollten, anstatt sich auf individuelle Gesetze gegen den Drogenhandel zu konzentrieren. Als negative Folgen des Drogenkrieges führen die Wissenschaftler jede Menge schlagkräftiger Argumente auf, die sie in der Studie genau ausführen:

  • die nicht effektiven massenhaften Inhaftierungen nach Drogendellikten in den USA
  • die repressive Politik in Asien
  • Korruption und politische Destabilisierung in Afghanistan und West-Afrika
  • die Gewalttaten in Lateinamerika
  • die HIV-Epidemie in Russland
  • eine akute globale Knappheit an Schmerzmitteln
  • globale systematische Menschenrechtsverletzungen

Ein großes Problem in der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels seien die hohen Investitionen und der geringe Rücklauf aus den Produzentenländern, so wie deren fehlender Wille, ihre eigene Sicherheit durch aufgezwungene Maßnahmen aufs Spiel zu setzen. Der Hauptverfasser der Studie, John Collins, formuliert das folgendermaßen:

„Unser globales System, welches in erster Linie eine Politik betreibt, die die Kosten der Prohibition auf ärmere Produzenten und Transitländer verlagert, ist ein infeffektiver und wenig nachhaltiger Weg, um Drogen lanfristig zu kontrollieren."

Die Bezahlung der Arbeiter wie auch die Kosten des Produkts variieren stark je nach den gegebenen Handelsbedingungen. Legale Güter wie Kaffee oder Silber sind im Verkauf wesentlich billiger als illegale Waren wie Kokain, Cannabis oder Heroin—was auf den ersten Blick nicht allzu sehr überrascht. Hier eine Grafik aus der Studie:

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Am Beispiel des Cannabispreises in den verschiedensten Szenarien zeigt sich jedoch noch einmal, wie sehr der Verkaufspreis mit der Legalität oder Illegalität des Erzeugnisses korrespondiert. Im Umkehrschluss lässt sich also auch annehmen, dass ein Verbot nicht nur zur Kriminalisierung der Beteiligten führt sondern automatisch den Preis in die Höhe treibt.

Der Bericht hält verschiedene Vorschläge bereit, wie auf die neuen Erkenntnisse politisch reagiert werden könnte. Vor allem die Durchführung von Masseninhaftierungen sollte kritisch hinterfragt werden, ebenso wie lange Strafurteile. Die Forscher regen die Freilassung von Inhaftierten an, die nach ihrem langem Gefängnisaufenthalt kein Risiko mehr darstellen.

Im Bereich des Gesundheitswesens raten die Wissenschaftler dazu, die Therapie von Drogenabhängigen mit Priorität zu behandeln. Auch soll Richtern die Möglichkeit gegeben werden, Urteile anzupassen und je nach Verhalten der Angeklagten nachzubessern. Außerdem kann die Legalisierung von Marihuana in bestimmten Regionen als Beispiel genommen werden, um wertvolle Informationen über den lockereren Umgang mit Drogen liefern.

„Es herrscht ein klarer, akademischer Konsens darüber, dass ein Schritt zur Entkriminalisierung von Drogen für den persönlichen Konsum und erhöhte Ausgabe in sozialen und medizinischen Diensten ein wesentlich effektiverer Weg sind, um Drogen zu kontrollieren—und die extrem negativen Konsequenzen der Kriminalisierung von Menschen, die Drogen nehmen, zu beenden."

Die Studie ist lang und detailliert und daher in ihren Schlussfolgerungen besonders ernst zu nehmen. „Die Fehler des Drogenkrieges wurden von Gesundheits- und Sicherheitsexperten, Menschenrechtsvertretern und den weltweit renommiertesten Ökonomen erkannt", stellt John Collins zusammenfassend fest. Bis eine neue internationale Strategie gefunden wird, sehen die Forscher aber noch einige Zeit verstreichen. Es stellt sich wieder einmal die Frage, wie mutig die Regierungen sein werden, die Erkenntnisse der Wissenschaft zu verstehen—und inwiefern sie bereit für eine Änderung ihrer Verbotspolitik sind.