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Lokale Bioreaktoren sollen künstlichem Fleisch zum Durchbruch verhelfen

Holländische Forscher plädieren für lokale In-Vitro-Labore, die die konventionelle Fleischproduktion ersetzen.
Konventionelle Grillwurst. Bild: flickr/ Stephen Depolo | CC BY 2.0

Die globale Fleischindustrie ist ein Desaster. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Ein Thema, dass vor allem in der Grillsaison, beim gemeinsamen Konsum von Würstchen und veganem Kartoffesalat die Gemüter mit Gefühlen zwischen Ekel und Leidenschaft erhitzt. Sogar Mitbürger aus der absoluten Pro-Steak-Fraktion sind sich darüber bewusst, dass Fleisch zu den aktuellen Konditionen absolut nicht ok ist. Doch was tun damit besseres Fleisch nach besseren Produktionsbedingungen endlich Mainstream wird? Eine Kunstsalami aus Prominenten-Fleisch ist halt doch noch nicht jedermanns Sache.

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Holländische Forscher präsentieren nun ihre Lösung des Problems und eine Vision davon, wie Kunstfleisch den Massenmarkt erreichen kann: Lokale „Bioreaktoren" sollen den Schlachter um die Ecke ersetzen. Nachhaltige Würstchen für alle—ohne verkürzt gedachte Paniklösungen wie ein Furzmanagement für Kühe zur Reduzierung der Treibhausgase oder Virtual Reality-Brillen für simuliertes Freilandleben von Hühnern. In der Fleischversorgungsvision der holländischen Wissenschaftler gibt es schlicht keine Horrorställe mehr und keinem armen Schweinchen muss mehr der Hals umgedreht werden.

Cor van der Weele und Johannes Tramper von der niederländischen Wageningen Universität plädieren in ihrem Bericht, der soeben in der Zeitschrift Trends in Biotechnology erschienen ist, für eine nicht nur technologische, sondern auch gesellschaftliche Akezptanz von Kunstfleisch. Kleinere Produktionen hätten dabei bereits viel versprechende Ergebnisse geliefert.

In gigantischen Bioreaktoren, wie sie auch in pharmazeutischen Betrieben genutzt werden, sollen aus Stammzellen Hack und Filets gezüchtet werden. Es können bereits heute in Bioreaktoren von bis zu 20 Kubikmetern Tiermuskeln und Organe geszüchtet werden. Um eine stetigen Nachschub jedoch zu garantieren ist eine robuste Versorgungskette mit Stammzellen wichtig. Diese lässt sich mit glücklichen Schweinen, Hühnern oder Kühen ohne Lieferverpflichtungen garantieren, welche in der Nähe des Labors wohnen und denen hin und wieder ein Techniker mittels Spritze ein paar Zellen abzapft.

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Das Fleisch vor dem Fleischwerden: Stammzellen in der Petrischale.

Das Fleisch vor dem Fleischwerden: Stammzellen in der Petrischale. Bild: Wikimedia Commons | CC BY 2.0

Der nächste Schritte ist dann eine Stammzellenbank für die kommerzielle Produktion. So könnte synthetisches Fleisch in lokalen Betrieben gezüchtet und verarbeitet werden. Keine großen Anfahrtswege, keine Tierquälerei, keine unnötige Umweltverschmutzung und die fiesen Fast Food-Ketten hätten statt Billigfleischburgern nur noch mit ihren selbst gemachten Hygieneproblemen zu kämpfen.

„Schweine könnten die lebenden Zellenbanken sein, wir hätten Kontakt zu den Tieren und sie wären immer noch die Quelle unserer Nahrung.", erklärte Van der Weele National Geographic in einem Interview. Kurz gesagt: wir haben das Tier und können es trotzdem essen.

Da jedoch niemand Fleisch in Form eines gezüchteten Wischlappens verzehren möchte, muss das Produkt entweder für Hack durch den Fleischwolf gedreht oder in Form gebracht werden. Wichtig ist auch eine angenehme Struktur und das Gefühl im Mund während des Essens. Der Preis für einen Kubikmeter gezüchtetes Fleisch beträgt mindestens 1000 Euro, ein Kilo würde somit einen Preis von acht Euro aufwärts kosten.

Es erscheint mir jedoch fraglich, dass sich Menschen, die sich vor Tofuwürsten ekeln, in Zukunft für In-Vitro-Steaks begeistern können. Als Ansporn würde vielleicht der (noch nicht bewiesene) Nebeneffekt helfen, dass In-Vitro-Bacon möglicherweise nicht einmal das Sperma ruiniert.