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Entertainment

Das Erfolgsrezept von 'God of War' kommt uns sehr, sehr bekannt vor

Das Videospiel ist nicht zuletzt deshalb so gelungen, weil es sich sehr offensichtlich Elemente aus allem von 'Die Unendliche Geschichte' über 'Dark Souls' bis 'Game of Thrones' borgt.
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Gleich vorab: God of War ist ein ziemlich tolles Spiel. Die intuitive Kampfmechanik ruft ein dickes Grinsen hervor und die cinematischen Cut-Sequenzen – wie zum Beispiel die, in der unser Protagonist Kratos dem riesigen Trollmonster ein Schädelbasis-Piercing mit der Axt verpasst – lassen einen wortwörtlich schreien.

Natürlich gibt es aber trotzdem ein Aber. Und auch, wenn ich dadurch selbst zum Trollmonster werde – wenn auch vom Typus Online-Troll –, kann ich es mir nicht verkneifen, euch an meiner Erkenntnis teilhaben zu lassen: ALLES IN GOD OF WAR IST VON IRGENDWO GEKLAUT.

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Ja, die Neuinterpretation der Spielmechanik, der "Hack and slay"-Hommagen-Mix und die völlig überarbeitete, viel ernster geratene Erzählung sind zusammengenommen ein großer Erfolg. Aber lässt man meine kindliche Begeisterungsfähigkeit kurz beiseite, muss man sich eingestehen, dass sich dieser Blockbuster mit seinem Rezept, sehr stark an anderen Hits aus dem Pop-Universum orientiert. Hier sind ein paar Beispiele.

Die Boomerang-Axt

Marvel regiert unbestritten alle Kinokassen und das Bewusstsein derzeitiger Popkultur mit ihren gefühlt 50.000 Comic Verfilmungen. Wie gut ihr Game tatsächlich ist, seht ihr daran, dass sie es sogar geschafft haben, aus Thor eine coole Figur zu zaubern. Und auch, wenn ich ihn weder als Comic-Figur, noch als Filmheld jemals leiden konnte, ist die Fähigkeit, seinen massiven Götterhammer aus jedem versteckten, noch so weit von ihm entfernten Winkel des Universums zurück in seine Hand donnern zu lassen, extrem cool.

God of War hat die Axt von Kratos einfach eins zu eins mit derselben Zauberkraft ausgestattet. So spaltest du mit einem gezielten Wurf Draugr-Brustkörbe entzwei und wenn du die Axt retour "rufst", erwischt sie vielleicht noch einen nordischen Wolf mit Tollwut auf dem Rückweg, bevor sie dann mit einem epischen Bumms wieder in deiner Hand ruht. Versteht mich nicht falsch: Diese Funktion macht das Combat sehr unterhaltsam und ich könnte mich nicht erinnern, sie jemals in einem Videospiel so badass und flüssig eingesetzt gesehen zu haben. Geklaut ist die Idee trotzdem – wenn auch mit Hirn und Qualitätsanspruch.

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Seelenlos harte Gegner

Vielleicht habt ihr schon einmal von Dark Souls gehört. Dunkle Welten voller herausfordernder Höllenwesen, die einfach nicht sterben wollen. Fans kennen das unglaubliche Gefühl der Befriedigung, nach Kammerflimmern hervorrufenden Kämpfen einen Boss erledigt zu haben. Auch bei God of War braucht man bald ähnlich viel Taktik und Technik – natürlich auch endlos viele ausweichende Judo-Rollen –, um die zähen Gegner zu besiegen. Der Dark Souls-Vergleich, auch aufgrund des ähnlichen Level-Aufbaus und Looks, kommt wohl den meisten nach ein paar Stunden mit God of War.

Die Fantasiewelt

Kratos hat in dieser neuen Geschichte, die mehr oder weniger von seiner Pensionierung handelt, aufgehört, Minotauren und Gottheiten weich zu prügeln. Der spartanische Neugott des Krieges hat jetzt nämlich einen Sohn. Als ich hörte, dass Kratos' Junge "Atreus" heißt – er selbst nennt ihn immer nur "Boy" –, musste ich unfreiwillig an Atreyu aus Die Unendliche Geschichte denken. Genau wie Atreus ist auch Atreyu ein mystisches Kriegerkind, das sich beweisen will, und eine tiefe Verbindung zu Büchern hat. Was natürlich Zufall sein kann. Bis Kratos auf eine gigantische Schildkröte trifft, die Morla aus der Verfilmung von Michael Endes Buch zum Verwechseln ähnlich sieht. Das war's mit den Ausreden, God of War.

Computer-Schnee und -Haar

Zugegeben: Perfekte Grafik ist bei derartigen Blockbustern eine Grundvoraussetzung. Wenn die Grafik bei God of War auch nur im Ansatz unausgereift wäre, würde ich die Welt nicht mehr verstehen. Es ist immerhin der Bereich, in dem Spiele dieses Kalibers immer punkten. Das geflochtene Haar der Hippie-Hexe weht aufwendig animiert im Wind und jede Fußspur im Schnee erstrahlt wie ein kleines Meisterwerk des Environment-Level-Designs. Und dann merkt man, dass sowohl die Winterlandschaft, als auch die Frisuren in Horizon Zero Dawn fast identisch aussehen.

Babysitter-Mechanik

Sorry für den Spoiler, aber Kratos ist ein richtig beschissener Vater. Der Typ will seinen Sohn zum empathielosen, dumpfen Action-Helden erziehen und bedient sich bei seiner Argumentation bei der ultrakonservativen "Mir hat das Kannibalenschlachten als Kind auch nicht geschadet"-Technik. Dafür darf der kleine Atreus, völlig traumatisiert vom Morden, seinem Anabolika-Vater im Spielverlauf bei Rätseln helfen, für die der Alte offensichtlich selbst zu dumm ist. Zugegeben, es ist schon verdammt süß, wenn sich Atreus wie ein Äffchen an den Papabär klammert, während der eine Steinwand hochhechtet.

Aber diese Kooperationsmechaniken mit einem Kind oder einem ähnlichen "Helfercharakter" sind nur leider nichts Neues. Immer wenn ich Atreus bitten will, Kratos eine Kette zum Klettern zuzuwerfen, schreit ein verstaubter Part in meinem Gehirn "Ellie"! Schon bei The Last of Us und Ico (2001) gab es ein fast identisches Koop-Zusammenspiel – und um ehrlich zu sein war es dort um Welten besser. Die letzten drei erwähnten Spiele sind übrigens allesamt von Sony, genau wie auch God of War. Damit bleibt der Klau wenigstens in der Familie.

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Die Mini-Exekutionen

Das meisterhafte DOOM aus 2016 hatte für sein Gameplay die schöne Idee, den angeschlagenen Gegner mit einem "Glory Kill" regelrecht in der Luft zu zerreissen. Die damit einhergehende Animation sprüht nur so vor Splatter, blutigen Eingeweiden und Knochenmehl. Es ist wundervoll. Diese Finishing-Moves zwischendurch scheinen den Entwicklern von God of War ebenfalls gut gefallen zu haben und wurden direkt übernommen. Sogar mit der selber Tastenbelegung ("Joystick-Klick rechts").

Das nordische Setting

Man kann natürlich darüber streiten, ob bei manchen dieser Beispielen von tatsächlichem Ideenklau oder einfach kreativer Inspiration die Rede sein sollte. Die Frage stellt sich auch ganz grundlegend bei der Story von God of War, die von den griechischen Sagen ins Land der nordischen Götter umgezogen ist. Die Marvel-Thor-Verbindung lässt hier natürlich wieder grüßen, wie auch der Style der Serie Vikings. Nordisch, blond und übermensch… äh, übermännlich sind ja derzeit wieder sehr "in", wenn man an den Retro-Machismo von Trump und Schwarz-Blau denkt.

Ich will natürlich nicht sagen, dass God of War spezifisch für Möchtegern-Arier und Fascho-Nordmännern gemacht wurde – aber gefallen wird es Leuten mit einer solchen Einstellung zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit. Andererseits: Den dicken Skinheads, die Odin am Arsch tätowiert haben, deswegen God of War zu überlassen, wäre natürlich genau die falsche Botschaft.

Dinge, die funktionieren und gut ankommen, zu bedienen und bereits erfolgreich getestete Ideen zu übernehmen, ergibt vollkommen Sinn. Wie immer ist die Frage, ob man es plump und rotzfrech macht, oder raffiniert und mit Stil. Bei God of War trifft sicherlich Letzteres zu und das Game beweist neben erlesenem Geschmack auch eine hochqualitative Implementierung seiner "Inspirationsquellen". (Oh Mann, ich habe völlig auf die Ähnlichkeiten zu 300 vergessen – Spartaner, Muskelverherrlichung, Toxic Masculinity, epische Fußtritte, egal.)

Kleiner Tipp am Ende: Probiert mal aus, das Controller-Button-Layout auf "Classic" zu ändern. Das Gameplay fühlt sich sofort viel dynamischer an – und auch gleich ein Stück mehr wie Dark Souls.

Josef auf Twitter: @theZeffo