Häme, Hetze und Fake News: Wie die russische Website 'Sputnik' um Klicks bettelt
Eine Falschmeldung über Flüchtlinge verbreitet sich bei Sputnik Deutschland über Facebook 13mal besser als eine korrekte Meldung über den Tod Castros | Bild: Julia Weber für Motherboard

FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Häme, Hetze und Fake News: Wie die russische Website 'Sputnik' um Klicks bettelt

Der Westen brennt, in Russland scheint die Sonne und Putins Panzer rollen bestens. Eine Reise durch das Facebook-Universum von 'Sputnik Deutschland'.

Wie viel Halbwahrheit und Falsches kursieren auf Facebook? Und welche Rolle spielen große Nachrichtenmedien in Sachen Desinformation? Wir haben in einer Woche rund 2.000 Facebook-Posts von acht deutschsprachigen Medien in einer umfassenden Datenrecherche nachrecherchiert und auf ihre Faktentreue hin überprüft.

Hier schlüsseln wir alle Ergebnisse auf. Ein FAQ zu unserem Untersuchungs-Setup findet ihr hier.

Anzeige

Bei der Analyse fiel uns nicht nur auf, dass der verbreitete Anteil an wahren, halbwahren und falschen Posts je nach Medium sehr unterschiedlich ausfiel, sondern auch, mit welchen verschiedenen Taktiken und Strategien die Medien Falsches auf Facebook verbreiten. Einen Überblick über die Posting-Strategien aller Medien findet ihr hier.

Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter

Der Facebook-Morgen bei Sputnik beginnt üblicherweise ganz harmonisch mit einem hübschen Landschaftsfoto aus Sibirien und einer Frage an die „lieben Leser*innen": "Wie fängt Ihr Tag an?"

Screenshot: Facebook

Dann allerdings wird ein paar Gänge hochgeschaltet. Die Facebook-Nachrichten sollen, genau wie bei Huffington Post, die Leser vor allem emotional ansprechen, im Idealfall: wütend machen. Dafür werden auch gern Live-Videos eingesetzt. Übertragungen aus Russland präsentieren meist neues Militärgerät. Gibt es einen Live-Stream aus anderen Ländern, sind es in den allermeisten Fällen gewalttätige Proteste. Ganz besonders gut funktionieren bei Sputnik Meldungen über den Mutterkonzern und Medien an sich. Berichte, bei denen es konkret um Sputnik oder RT geht, werden mit Abstand am häufigsten geteilt.

Ungekennzeichnete Kommentare mit propagandistischem Spin

Auf Sputnik dürfen Gastautoren unter mystischen Pseudonymen wie "Der Franziskaner" auch über die Existenz von Chemtrails schreiben, als wolle man damit beweisen, wie ernst man das mit der Meinungsfreiheit nimmt. Auf Facebook ist die Taktik klar: Sich im Post erst die Autorenmeinung des Beitrags durch das Weglassen von Anführungszeichen zu Eigen machen, unter dem eigentlichen Artikel dann einen Hinweis setzen, dass die Meinung des Verfassers nicht mit der redaktionellen Meinung übereinstimmen muss. Beruhigend, denn der Artikel des "Franziskaners" endet dann doch mit offensichtlich ernstgemeinten Tipp, wie man sich gegen Chemtrails schützen kann: "Zur Endgiftung empfehle ich Täglich die Einnahme von Kurkuma (sic)."

Zu guter Letzt gibt es auf Sputnik massenweise Kommentare, die nicht immer als solche auf Facebook gekennzeichnet sind. Das übernehmen Verfasser wie Willy Wimmer, welcher ansonsten bei den "alternativen Medien" Compact, Ken Jebsen und dem Kopp-Verlag veröffentlicht. Die Strategie scheint hier also maximale Polarisierung zu sein.

Anzeige

Was bei Sputnik in unserem Untersuchungszeitraum besonders auffällt: Erstaunlich oft sind die Copys in ungelenkem Deutsch geschrieben: "Wenn Sie Lust auf bewegte Bilder haben, ertragen doch kein Fernsehen, besuchen Sie unseren You-Tube-Kanal", heißt es zum Beispiel.

Sputnik liefert im Übrigen nicht nur Haudrauf-Negativismus, sondern immer wieder auch positive Nachrichten – zumindest, wenn es um russisches Militärgerät geht. Sogar ein Hubschrauber, der in den Dienst genommen wird, ist Sputnik eine Meldung und ein Video wert. Oder der kurze Flug eines alten Sowjet-Kampfjets: „In diesem atemberaubenden VIDEO können Sie direkt miterleben, wie die legendäre #MiG29 in die Stratosphäre gleitet", heißt es in einem Post.

Giftkraken und Bluttränen: Sputnik gibt auch den absurdesten Berichten ein Zuhause

Von allen Medien, die wir untersucht haben, hat Sputnik innerhalb des Untersuchungszeitraums die wenigsten Skrupel, völlig aus der Luft gegriffene und falsche Nachrichten zu verbreiten. So wird schon mal gemunkelt, ob eine riesige Giftkrake irgendwo in einem Geheimlabor gehalten wird oder es wird berichtet, dass eine Marienstatue in Südamerika Bluttränen weint.

Besonders gut funktionierte eine Meldung über eine Brandstiftung in einer Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft: Sputnik behauptete, zwei Männer hätten die Messehalle „wegen zu wenig Nutella" angesteckt und machte den Post mit einem entsprechenden Schokocreme-Bild auf. Tatsächlich ging der schweren Brandstiftung ein Streit wegen Essensausgabe im Ramadan voraus. Von Nutella fand sich in den Ermittlungsakten kein Wort. Das musste später auch die Bild einräumen, die die Meldung ebenfalls mit diesem erlogenen Spin berichtete – anders als die Bild veröffentlichte Sputnik allerdings nie eine Korrektur zu der Meldung. Die beiden verdächtigen Flüchtlinge wurden zwischenzeitlich übrigens von allen Vorwürfen freigesprochen. Der Post über die Nutella-Brandstiftung schlug dagegen ein: Mit 363 Shares gelingt Sputnik mit dieser Falschmeldung der meistgeteilte Post in der Testwoche.

Anzeige

*****

Zahlen und Fakten zu 'Sputnik Deutschland'

Motto: "Keiner sagt mehr"

Facebook-Fans: 192.327
Reichweite der Website laut Similiarweb: 6,21 Mio. Visits pro Monat
Untersuchte Posts im Untersuchungszeitraum: 284

Die fünf am meisten geteilten Posts im Untersuchungszeitraum:

Platz 1:
Millionenschaden: Flüchtlinge verbrennen Asylheim wegen "zu wenig Nutella" – VIDEO
(377 Shares, Kategorie C)

Platz 2:
Athen lehnt jeden Druck ab – Russlands Schiffe in griechischen Häfen willkommen!
(266 Shares, Kategorie C)

Platz 3:
Attac: Martin Schulz will CETA-Kritikern den Knebel umbinden
(264 Shares, Kategorie B)

Platz 4:
Klage wegen Staatsstreich in Ukraine – wird Steinmeier vorgeladen?
(226 Shares, Kategorie C)

Platz 5:
Live-Missbrauch von Kindern, Babys und Tieren: Pädophilen-Ring in Norwegen gesprengt
(210 Shares, Kategorie A)