Die Schweiz in den Augen von 'Breitbart'-Leserinnen und Lesern
Collage von VICE Media | Alle Screenshots von Facebook und Breitbart.com

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Rechte Medien

Die Schweiz in den Augen von 'Breitbart'-Leserinnen und Lesern

Wenn 'Breitbart' über die Schweiz schreibt, erreicht es ein Millionenpublikum. Welches Bild prägt das Medium bei seinen Lesern?

Um die 100 Artikel finden sich auf Breitbart.com unter dem Tag "Switzerland" – meistens verfasst von deren europäischen Zentrale. In der Regel zitieren die Autoren des amerikanischen Rechtsaussenportals lokale Zeitungsberichte, die englischsprachige Plattform von swissinfo oder Agenturen wie Reuters. Ganz im Stil von Trumps Ausdrucksweise sind die Beiträge bei Breitbart (das jetzt wieder von Stephen Bannon geführt wird, nachdem er als Trumps Chefberater dessen launischer Personalpolitik zum Opfer fiel) sehr kurz gehalten, maximal zwei Sätze beinhaltet ein Absatz in der Regel. Die Auswahl der Themen, über die Breitbart aus der Schweiz berichtet, ist offensichtlich: Migranten, Gewaltverbrechen, Islam, das Verhältnis zur EU und ab und zu auch Abstimmungen, wenn sie eines dieser Themen betreffen.

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In der Schweiz erreichen einzig die Weltwoche und die BaZ als Medien aus dem rechten Spektrum eine halbwegs relevante Reichweite. Ähnliche Portale wie Breitbart oder unzensuriert in Österreich gibt es in der Schweiz bis jetzt noch nicht. Jedoch erreichen Breitbarts Facebook-Posts zu Texten über die Schweiz regelmässig mehrere 100 Reactions. Der Beitrag dazu, dass die Schweiz Burkas verboten habe (was faktisch falsch ist, das Gesetz gilt nur im Tessin), erzeugte sogar 54.000 Reaktionen und 16.000 Shares.

Breitbart hat also einen nicht unbedeutenden Einfluss darauf, wie die rechte Bubble im Ausland über die Schweiz denkt. Um herauszufinden, wie dort die Schweiz skizziert wird, haben wir uns durch die Website und den Facebook-Seiten von Breitbart geklickt und die Kommentare typologisiert.

Das verlorene Volk

Für viele Breitbart-Leser ist die Schweiz schon lange verloren und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die "muslimische Front" das Land übernimmt. Diese Leserin warnte als Reaktion auf einen Bericht, dass ein Schweizer für einen Facebook-Like verurteilt wurde, die Amerikaner würden nicht ein drittes Mal der Schweiz den Arsch retten. Wann die USA der Schweiz denn die letzten zwei mal vor dem Untergang bewahrte, bleibt wohl ihr Geheimnis. Überhaupt scheinen Breitbart-Kommentatoren die Welt gerne in zwei Kategorien zu teilen: die Verlorenen und die wehrhaften Retter des Abendlandes.

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Die letzte Bastion

Nicht wenige Leser halten die Schweiz eben für diese letzte Bastion von freien, weissen Menschen: Hier dürfen das Verteilen von religiösen Schriften, die nicht dem christlichen Gott huldigen, und muslimischen Kopfbedeckungen noch verboten werden. Die Schweizer würden sich den Mund nicht von der Meinungsdiktatur von "Eurabia" verbieten lassen, meinen viele Leser in den Kommentarspalten. Überhaupt verwenden Breitbart-Leser den Ausdruck "Eurabia" gerne, um den Eindruck von einem Islam-unterwanderten Europa zu erwecken.

Die Schlauen

Interessant wird es, wenn Breitbart mal ausnahmsweise nicht über Flüchtlinge oder Burkas schreibt: Nach dem Volks-Ja zur Energiestrategie 2050 berichtete auch Breitbart darüber. Neben vielen Stimmen, die wegen den "Left-wing lunatics" eine Verdoppelung der Energiekosten befürchten, gibt es auch Stimmen, die mit erstaunlichen Landeskenntnissen (vgl. Die "Schweden"), die Schweiz für ihre Energiepolitik loben. Nachdem das Stimmvolk die Mindestlohn-Initiative bachab schickte, waren sich die Kommentatoren einig und attestierten den Schweizern gute Mathematikkenntnisse und beschreiben Menschenverstand als "schweizerische Tugend". Überhaupt schätzen Breitbart-Leser die direkte Demokratie und loben dieses politische Mittel unter allen Artikeln zu Volksabstimmungen.

Die "Schweden"

In einem Artikel zur letzten Nationalratswahl 2015, bei der die SVP mit knapp 30 Prozent der Wählerstimmen so viele Sitze holte wie noch nie zuvor, begründete Breitbart deren Erfolg mit der "Migrantenwelle". Trotz einer bildfüllenden Schweizerfahne im Post und zweifacher Nennung der Schweiz, brachten es diese Kommentatoren nicht zustande, dem richtigen Land den Untergang zu prophezeien. Sad!

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Die Kuschelpolizei

Berichtet Breitbart über vermeintlich kriminelle Ausländer oder Linke, finden sich unter fast jedem Artikel Aufrufe zu Gewalt und mehr Härte gegen Linke. Bei einem Video über eine von Breitbart als "Pro-Migrant" kategorisierte Demonstration in Bern fordert ein Kommentator, die Waffen mit scharfer Munition anstatt Gummischrot zu laden. In einem Bericht über einen Mann, der Soldat werden wollte aber abgelehnt wurde, weil er Veganer ist, empfiehlt ein weiterer Kommentator, den Mann an die Löwen im Genfer Zoo zu verfüttern.

Breitbart moderiert seine Kommentarspalten wohl kaum – die zugespitzten und vereinfachten Artikel, womöglich oft am Rande der Unwahrheit (da wird schonmal Lukas Podolski zu einem Jetski-Flüchtling gemacht) befeuern Generalisierungen und falsche Anschuldigungen.

In vieler Hinsicht ist die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie, der SVP als stimmenstärksten Partei und der Nicht-Mitgliedschaft bei der EU ein Liebling der englischsprachigen Rechten. Auch wenn Breitbart seine Pläne für einen deutschsprachigen Ableger auf Eis legte, ist das US-Medium bald auch in der Schweiz präsent: Auf dem Swiss Media Forum in Luzern darf Mitte September ein Vertreter von Breitbart unter dem Titel "Die andere Sicht" referieren.

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