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Knast-YouTuber meldet sich mit neuen Videos zurück und blamiert Berliner Gefängnis

Rund vier Wochen lang hat Deutschlands erster Gefängnis-YouTuber nichts mehr gepostet. Die JVA Tegel wollte das Videotagebuch eigentlich unterbinden. Das hat offenbar nicht geklappt.
Bild: Screenshot | YouTube | Knast Vlog

"So Leute, seid gegrüßt! Ihr seht richtig: Ja, ich bin wieder da." Mit diesen Worten beginnt eines der neuen Videos auf dem YouTube-Kanal "KNAST Vlog". Der mit einem Tuch und einer Baseballcap vermummte Mann vor der Kamera ist kein gewöhnlicher YouTuber, sondern ein Inhaftierter der JVA Tegel. Anfang Juli hat er das erste Handyvideos aus seiner Zelle hochgeladen. Seitdem hat er, befeuert von zahlreichen Medienberichten, rund 53.000 YouTube-Abonnenten gewonnen und mehr als 1,5 Millionen Views gesammelt.

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Über seine Identität verrät der junge Mann nichts, dennoch ist er innerhalb weniger Wochen zu einer kleinen Berühmtheit als Knast-Influencer geworden – und das obwohl Handys im Gefängnis verboten sind. Auch wenn viele Menschen schon Dinge für ein aufregendes YouTube-Video gefaket haben: Die JVA Tegel hat Anfang Juli gegenüber rbb24 bestätigt, dass der Knast-Vlog tatsächlich hinter Gittern entsteht. Ein Justizsprecher sagte im Gespräch mit rbb24, der Vlogger sei über seine Kleidung identifiziert worden. "Er kann nichts mehr posten. Das ist unterbunden", sagte der Sprecher vor vier Wochen.

Doch jetzt steht die JVA Tegel blöd da, denn es hat offenbar nicht sonderlich gut funktioniert, den Vlogger von YouTube fernzuhalten: Am Abend des 30. Juli, nach fast vierwöchiger Funkstille, erschienen gleich zwei neue Videos des Inhaftierten. "Man kann mich nicht aufhalten, man wird mich nicht aufhalten, ich werd mich einfach nicht aufhalten lassen", sagt er seinen Zuschauenden. "Seid auch in Zukunft sicher, dass, egal was passiert, ich immer wieder ein Mittel oder einen Weg finden werde, hier die Videos irgendwie zu drehen." Er kündigte weitere Videos vom Leben im Gefängnis an und versprach sogar eine Room-Tour aus seiner Zelle. In diesem für YouTube typischen Genre zeigen Videomacher ihre Zimmer, Villen, seltener: Gefängniszellen.

Gefängnisse berichten von Hunderten eingeschmuggelten Handys im Jahr

Ob sich der selbsternannte Knast-Vlogger immer noch in der JVA Tegel befindet, konnte die Behörde Motherboard gegenüber zunächst nicht beantworten. Das ist aber sehr wahrscheinlich, denn dem Bericht von rbb24 zufolge sei er zu einer "langjährigen" Haftstrafe verurteilt worden. Die neusten Videos sind offenbar vor einem Duschvorhang entstanden. Bei den Videos von Anfang Juli war noch ein vergittertes Fenster im Hintergrund zu sehen. Der Vlogger berichtet, wie die Beamten sein ursprüngliches Handy nach langer Suche gefunden hätten und dass er jetzt mit einem anderen Handy gefilmt werde. Tatsächlich ist die Videoqualität etwas schlechter als zuvor.

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Eingeschmuggelte Handys sind offenbar ein weit verbreitetes Problem in Berliner Gefängnissen. Nach Angaben der Berliner Senatsverwaltung für Justiz werden jährlich Hunderte Handys in den Haftanstalten der Hauptstadt gefunden – die meisten davon in der JVA Tegel, wo im Jahr 2015 rund 355 Handys entdeckt wurden. Das bedeutet: etwa jeden Tag ein Handy. Im Jahr 2011 sollen es sogar 520 Handys gewesen sein. Daran wird deutlich: Deutsche Gefängnisse haben ein Schmuggelproblem. Zeitungen berichten regelmäßig darüber, wie auch gegen Anwälte und Justizbeamte wegen Schmuggel ermittelt wird.

Vieles spricht dafür, dass es mit dem Knast-Vlog weitergeht

Die neuen Videos demonstrieren die Hilflosigkeit der Justizbeamten, das Handyverbot durchzusetzen. Trotzdem sieht ein Justizsprecher die Haftanstalt dadurch nicht unbedingt vorgeführt. "Es gibt wohl kein deutsches Gefängnis ohne Handys", sagt der Sprecher der Berliner Staatsverwaltung für Justiz im Gespräch mit Motherboard. Die Geräte würden über Mauern geworfen, von Drohnen gebracht oder in Körperöffnungen geschmuggelt.

Wenn Inhaftierte damit erwischt werden, würde man ihnen die Geräte abnehmen; eine automatische Strafe dafür gebe es dem Sprecher zufolge aber nicht. Denkbar seien allenfalls Disziplinarmaßnahmen, zum Beispiel könnten Inhaftierte eine kürzere Zeit im Hof bekommen oder in einen anderen Haftraum verlegt werden, wo sie weniger Kontakt zu anderen Inhaftierten haben.

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Daraus geht hervor: Wenn der Ehrgeiz des Knast-Vloggers groß genug ist, kann er seinen Kanal aus dem Gefängnis offenbar kontinuierlich weiter betreiben, wenn auch mit gewissen Unterbrechungen. Warum er das tut? "Gefangene sind von Kontakten nach außen abgeschnitten und haben ein enormes Mitteilungsbedürfnis", erklärt der Sprecher.


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In der Regel bekommt die Öffentlichkeit von alldem wenig mit. Wohl auch, weil die Inhaftierten ihre eingeschmuggelten Handys üblicherweise nicht dazu nutzen, um YouTube-Kanäle zu betreiben und Zehntausende Abonnenten zu sammeln. Die Geschichte des Knast-Vloggers zeigt, welche absurden Züge das Smartphone-Problem in deutschen Gefängnissen annehmen kann – und auch, dass YouTubes alter Slogan "Broadcast Yourself", sende dich selbst, sogar Strafgefangene inspiriert.

"Es ist natürlich nicht mehr möglich, jetzt ein Knast-Tagebuch zu drehen. Ich kann nicht jeden Tag ein Video machen und hochladen, das geht gar nicht. Dazu ist es jetzt viel zu gefährlich", erklärt der Vlogger. Er wollte deshalb mehrere Vlogs auf Vorrat drehen und die Zugangsdaten für seine Accounts an ihm vertraute Personen weitergeben, damit sie die Videos veröffentlichen. "The show must go on", sagt der Vlogger zum Ende seines aktuellsten Videos.

Update 31. Juli, 13.45 Uhr: Der Sprecher der Berliner Staatsverwaltung für Justiz erklärt auf Anfrage von Motherboard, dass der Inhaftierte nun in einen anderen Teil der JVA verlegt werde, „um das soziale Gefüge zu durchbrechen“. Da der Knast-Vlogger angekündigt hat, Videos auf Vorrat zu drehen, erwartet der Sprecher aber weitere Posts von ihm in den nächsten Tagen und Wochen. Der Inhaftierte hat nach eigenen Angaben eine rund 10-jährige Haftstrafe abzusitzen, die schon zur Hälfte vorbei sei. „Wenn man darauf abzielt, nicht die komplette Zeit abzusitzen ist das nicht so intelligent“, so der Sprecher mit Blick auf Regelverstöße von Inhaftierten.

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