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Holocaust-Leugnung ist für YouTube nicht immer ein Grund, Videos zu löschen

Wie ernst nimmt YouTube den Kampf gegen Antisemitismus? Unser Test zeigt: Manche Videos verschwinden schnell – andere bleiben online, obwohl sie nach deutschem Recht offenkundig illegal sind.
Antisemitische Propaganda auf YouTube | Screenshot: Motherboard

Antisemitische Videos und Holocaust-Relativierungen sind auf YouTube leicht zu finden: Es reicht eine einfache Suchanfrage, um hunderte Auftritte von verurteilten Holocaustleugnern wie Ursula Haverbeck und Ernst Zündel aufgelistet zu bekommen. Andere Videos zeigen angebliche Belege dafür, dass der Holocaust von den Juden selbst geplant worden sei. Auch Reden des antisemitischen Aktivisten Benjamin Freedman sind dutzendfach von Deutschland aus verfügbar. In den Clips fallen Sätze wie "nicht ein einziges Haar von Juden wurde gekrümmt". In einigen leugnen die Redner offen und unverblümt den Mord an Millionen von Juden, zum Teil wurden die Videos zehntausendfach abgerufen.

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Die Videos verstoßen klar gegen die Nutzungsbedingungen der Videoplattform, viele sind wohl nach deutschem Recht strafbar. Aber wie schnell reagieren die Löscharbeiter von YouTube, wenn die klar antisemitischen Videos gemeldet werden? Um herauszufinden, wie ernst YouTube den Kampf gegen Antisemitismus nimmt, hat Motherboard 20 Videos gemeldet, die offenkundige Relativierungen des Holocaust enthalten und die eindeutig gegen die Regeln verstoßen, die YouTube sich selbst gibt. Mehrere der Videos enthalten nach deutschem Recht augenscheinlich illegale Aussagen.

Nach unserer Meldung haben wir mit Hilfe eines Skripts stündlich überprüft, ob die Videos noch online sind. YouTube kann Videos nach einer solchen Meldung entweder entfernen oder mit einem sogenannten Geoblocking versehen, sodass sie aus einzelnen Ländern nicht mehr aufrufbar sind.

Suchergebnis auf YouTube für Interviews mit der bekannten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck.

Zahlreiche Videos auf Youtube zeigen Interviews und Ansprachen der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, auch auf dem Kanal des "Volkslehrers" aus Berlin | Screenshot: Motherboard

Zwei Stunden nach der Meldung sind nur noch 4 von 20 antisemitischen Videos abrufbar

Ein Großteil der von uns gemeldeten Videos war viele Jahre lang online, zwei der Videos sogar seit 2011. Nach unserer Meldung sind 15 der 20 Videos innerhalb von zwei Stunden blockiert. Für Nutzer außerhalb Deutschlands und diejenigen, die wissen, wie Geoblocking zu umgehen ist, sind sie aber nach wie vor abrufbar. Ein weiteres Video ist einige Tage später nicht mehr online, weil der dazugehörige Account gesperrt wurde.

Vier der Clips sind jedoch auch mehrere Tage nach unserer Meldung noch abrufbar. Zwei der Clips wurden mit einem Warnhinweis versehen und können nicht mehr kommentiert werden. YouTube scheint demnach nicht zu glauben, dass eine Sperre notwending ist. Und das, obwohl die Hälfte dieser vier Videos Kopien von anderen von uns gemeldeten Videos sind, die gesperrt wurden, darunter auch eines von der Rede Benjamin Freedmans.

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Auf unsere Anfrage, wie YouTube die Videos bewertet und warum zwei der Videos noch online sind, obwohl sie Variationen bereits gelöschter Videos sind, antwortet ein YouTube-Sprecher, dass man die Videos intern weitergeleitet habe. Vier Stunden nach unserer Anfrage wurden die Videos für deutsche Nutzer gesperrt. Auf unsere Frage, wie YouTube die vier Videos nach den Community-Richtlinien einschätzt und wie YouTube sich im Kampf gegen Antisemitimus einbringen will, haben wir bisher keine Antwort erhalten. Sobald wir eine Rückmeldung erhalten, werden wir diese hier ergänzen.

Warnhinweis vor einem YouTube-Video, das Motherboard gemeldet hatte

Zwei der gemeldeten Videos wurden mit einem Warnhinweis wie diesem versehen | Screenshot: Motherboard

Auch die restlichen vier YouTube-Videos hätten gesperrt werden müssen

Warum die vier Videos von YouTube online gelassen wurden, ist für Antisemitismus-Experten unverständlich. "Die Aussagen in dem Video erfüllen den Tatbestand der Volksverhetzung", schreibt der Anwalt Christian Löffelmacher zu dem Mitschnitt der Freedman-Rede auf Anfrage von Motherboard. "Das Video hätte von YouTube zwingend gelöscht werden müssen."

Auch die anderen drei Videos sollten nach Einschätzung Löffelmachers wegen der enthaltenen Holocaust-Leugnungen oder volksverhetzender Inhalte und wegen des Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen entfernt werden: "Sämtliche Videos sind geprägt von übelstem Antisemitismus", schreibt er per Mail an Motherboard.


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Diese Einschätzung teilt auch Flemming Ipsen, Experte für Rechtsextremismus bei Jugendschutz.net. Auf Anfrage von Motherboard teilt Flemming mit, dass alle vier Videos jeweils eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften aufweisen: Leugnung des Holocausts, Aufstachelung zum Hass gegen jüdische Menschen sowie das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Alle Videos verstoßen laut Ipsen zudem gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.

Das Problem ist nicht auf YouTube beschränkt. Die von YouTube gelöschten Videos von Benjamin Freedman findet man mit einer schnellen Suche auch auf anderen Plattformen wie Vimeo oder Facebook.

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