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Journalist bekommt Morddrohungen, weil er über verschobenen Spielstart berichtet

Auch eine Entschuldigung des No Man’s Sky-Regisseurs Sean Murray selbst scheint die aufgebrachte Digitalmeute im Trotzmodus nicht zu besänftigen.
Bild: Hello Games

Dass manch ein Gamer ein Problem mit der Sozialisierung oder Wutmanagement im Netz hat, dürfte nichts Neues sein.

Die jüngste Hass-Lawine rollt jedoch diesmal nicht über eine feministische Spielekritikerin oder unbeliebte Entwicklerin hinweg. Die Zielscheibe hat diesmal sogar einen Penis, heißt Jason Schreier und schreibt für Kotaku. Das Vergehen des Gaming-Journalisten: Er hatte berichtet, ein Spiel würde sich um ein paar Monate verzögern und nicht am 21. Juni erscheinen.

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In der Welt des Spielejournalismus ist das eigentlich eine todlangweilige Meldung, ständig verzögern sich Releases und letztlich wird wohl jeder noch so ungeduldige Käufer lieber ein wenig auf eine durchdachte und getestete Version warten, als sich mit Glitches und Ruckeleien herumärgern zu müssen.

Aber bei dieser News handelt es sich nicht um irgendein Spiel, sondern um No Man's Sky, dem zur Zeit meistgehypten Weltraumspiel der kleinen britischen Entwicklerfirma Hello Games. Und so explodierte in Folge dieser Meldung so einiges—zunächst das ein oder andere instabile Gamer-Gemüt, dann die Kommentare bei Kotaku, das Subreddit zum Spiel, der Twitterfeed des Journalisten, und der des No Man's Sky-Chefentwickler Sean Murray gleich mit.

Sähe so der mögliche „Coming Soon"-Sticker aus oder ist alles eine riesengroße Verschwörung? Was weiß GameStop?

Nun war Jasons erster Bericht tatsächlich zunächst nur ein Gerücht—und Berichterstattung über Gerüchte ist durchaus Teil des Geschäftsmodells des Medienunternehmens Gawker, zu dem das Games-Blog Kotaku gehört. Dieses allerdings stützte sich auf zwei unabhängige, anonyme Quellen, von denen eine in einem GameStop-Laden arbeitete. „Filialen wurden informiert, dass das Erscheinungsdatum nicht mehr richtig ist und sie es mit einem Coming Soon-Aufkleber abdecken sollten", heißt es im Artikel.

„Ich werde ihn so fertig machen."

Offenbar enthielten diese Sätze genug Sprengkraft, um Jason zumindest temporär zum gehasstesten Mann des Internets zu machen. Wir spulen wenige Stunden vor. Das No Man's Sky-Subreddit überlegt nun laut, „einfach alle 6.627 GamesStop-Filialen in den USA anzurufen", um das empörende Gerücht für immer auszulöschen. Und danach den Journalisten und die ganze Lügenpresse gleich mit—oder vielleicht auch schon davor: „Ich werde ihn so fertig machen", schreibt einer.

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Bild: Jason Schreier / Twitter

Was die Gamer so verrückt machte, war die Tatsache, dass es für ein paar Tage keine Bestätigung von offizieller Seite gab. Die Antizipation ließ einige wahnsinnig werden, andere demütig. Und manche beides: „Ich hoffe wirklich, dass es nicht wahr ist. Der Sinn meines Lebens wurde schon um 33 Jahre verschoben, weil es No Man's Sky noch nicht gab. Bitte, Meister Murray, sei ein gnädiger Gott!"

Zwei Tage und Dutzende Morddrohungen später lieferte Jason Schreier sogar brav die gewünschte Verifikation selbst ab, weil sich Sony in der Nacht zu einer Bestätigung hinreißen ließ. Am vergangenen Freitag veröffentlichte Kotaku also einen kurzen Artikel, in dem Schreier nüchtern schrieb: „Sony hat heute Nacht bestätigt, dass der Release von No Man's Sky verschoben wurde, wie Kotaku zuvor berichtete. Das aufwändige Weltraumspiel wird jetzt statt im Juni am 9. August erscheinen."

Aber stimmt das auch? Auch für den PC oder nur für die Playstation?? Ist das vielleicht nicht nur ein klarer Fall von Fehlkommunikation zwischen Sony und GameStop? Was weiß mein lokaler GameStop-Mitarbeiter? Wie wir alle wissen, ist heftiges Bestreiten der erste Schritt zur Annahme einer unbequemen Wahrheit. Das beweist der völlig ironiefreie Top-Post im Subreddit /nomanssky mit den meisten Upvotes:

Bild: Screenshot Reddit

„Kotaku mag ja irgendeine Spur haben, aber ich habe jetzt zur Verifikation landesweit bei über 30 GameStop-Läden in den USA angerufen. Ihr System zeigt als Erscheinungsdatum den 21. Juni an. Jeder Geschäftsführer, mit dem ich gesprochen habe, hat gesagt, dass es keinen Präzedenzfall gibt, bei dem ein „Coming-Soon"-Sticker zum Einsatz kommt, um ein früheres Erscheinungsdatum auf dem Promo-Material zur verstecken. Der einstimmige Konsens jedes GameStop-Mitarbeiters, mit dem ich gesprochen habe ist, dass man nichts glauben soll, bevor es eine offizielle Ankündigung über eine Verzögerung gibt. "

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Nicht jeder verstand im Twitter-Feed von Jason Schreier, wieso er nun eigentlich Gewalt- und Morddrohungen erhielt. „Du hast doch nur die News berichtet?", wundert sich ein Nutzer. „Nein, es ist, weil er bezahlt wird, um Lügen und Klatsch zu verbreiten!", traut sich dann doch ein Troll aus der Deckung.—„Aber hat Sony nicht bestätigt, dass das Gerücht stimmt?", fragt der Nutzer zurück. „Ja, da hat er noch mal Glück gehabt, richtig?", zischt der Troll.

Auch eine Entschuldigung des No Man's Sky-Regisseurs Sean Murray selbst, er hätte aus rechtlichen Gründen nicht so einfach früher über das Datum reden dürfen, scheint die aufgebrachte Digitalmeute im Trotzmodus nicht zu besänftigen: „Wir haben ein Recht darauf, immer noch wütend zu sein", ist einer überzeugt. „Sean hat uns versprochen, dass er uns ein Releasedate nennen würde, sobald das Spiel fertig ist!!!"

„Ich habe sehr viele Morddrohungen an diesem Wochenende bekommen", tweetete der Hello Games-Chefentwickler Sean Murray. „Aber keine Sorge, bei Hello Games sieht es jetzt aus wie bei Kevin allein zu Haus", schob er zuversichtlich nach.

I have received loads of death threats this week, but don't worry, Hello Games now looks like the house from Home Alone #pillowfort
— Sean Murray (@NoMansSky) May 28, 2016

Für den Kotaku-Redakteur ist die Episode nicht nur ein weiterer Tag im Minenfeld des Games-Journalismus, sondern auch ein praktischer Beleg für die Nutzlosigkeit des Twitter-Supportsystems. Vierzehn Stunden, nachdem er seinen vermeintlichen Endgegner bei Twitter meldete, hat der Typ hinter der ersten von vielen, vielen Morddrohungen nämlich noch immer seinen Account.

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Twitter schienen die Beleidigungen ebenfalls ziemlich wurscht zu sein—vor wenigen Stunden erst meldete eine distanzierte Bot-Nachricht Jason zurück, dass das Unternehmen nach eingehender Prüfung keinen Verstoß gegen die Nutzerrichtlinien erkennen könnte. Die Menschen hinter den beleidigenden Accounts speien unbehelligt online weiter Galle—dem Redakteur bleibt jetzt nur noch, seine treueste Hassgefolgschaft zu blockieren.

Trotz allen Hasses behielt Jason allerdings seinen Optimismus. „Übrigens, wird schon werden!", twitterte er gestern. „Das ist nur ein winzig, winzig kleiner Teil dessen, was selbstbewusste Frauen auf der wohlbekannten Müll-Website twitter.com ertragen müssen."