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Wieso selbst renommierte Medien 150.000 Pinguine für tot erklärt haben

Dass sie nicht mehr da sind, heißt nicht zwingend, dass sie tot sind.
Bild: imago

Eine traurige Nachricht war das, die da vor wenigen Tagen die Runde machte: Am Südpol seien 150.000 Adélie-Pinguine tragisch verendet, weil ein Eisberg ihnen den Rückweg zu ihrer Brutstätte versperrt habe. Schuld sei natürlich der Klimawandel. Zahlreiche teils renommierte Medien—zu den ersten gehörten die britischen Zeitungen Independent und Guardian sowie der Nachrichtensender CNN—hatten die Geschichte so veröffentlicht. Allein: Sie ist falsch. Wie das Wissenschaftsmagazin spektrum.de aufklärt, handelt es sich um einen Trugschluss.

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„Wir denken eher, dass sie den Sommer im Meer vor dem Eis am Cape Denison verbringen und auf günstigere Zeiten warten"

Im Wissenschaftsjournalismus und speziell beim Aufregerthema Klimawandel ist der Druck hoch: Meldungen müssen schnell raus, die Entdeckungen von heute sind schon morgen Schnee von gestern. Offenbar blieb die Sorgfalt in diesem Fall dabei auf der Strecke. Aber wie konnte es zu der Falschmeldung kommen?

Tatsächlich strandete 2010 ein gigantischer Eisberg mit der Bezeichnung B09B in der Commonwealth Bay in der Ostantartktis und versperrte für die Pinguine den Weg von der Brutstätte ins Meer. Um ihren Nachwuchs mit Futter zu versorgen, mussten die Pinguine einen kräftezehrenden Marsch von 60 Kilometern Länge zurücklegen. Ein paar Jahre später besuchte ein Team von Antarktisforschern der University of New South Wales den Nistplatz am Cape Denison.

„Wo früher ohrenbetäubender Lärm herrschte, war jetzt bedrückende Stille", wird Expeditionsleiter Chris Turney zitiert. Noch 2011 seien in der Bucht rund 180.000 Tiere zur Paarung zusammen gekommen. 2013 konnte man nur noch rund 30.000 zählen. Zudem entdeckten die Forscher während dieser Zählung eine große Menge verlassener Eier und gefriergetrockneter Küken, wie sie in ihrem kürzlich veröffentlichten Paper in Antarctic Science berichteten. Was passierte also mit den rund 150.000 übrigen Tieren? Sie sind tot, umgebracht vom Klimawandel. So lautete zumindest die aufgeregte Schlussfolgerung mancher Medien.

„Wir haben nicht behauptet, dass 150 000 Pinguine tot sind – und würden das auch nicht erwarten."

Tatsächlich aber war davon nie die Rede in dem Aufsatz der Forscher. „Wir haben nicht behauptet, dass 150 000 Pinguine tot sind – und würden das auch nicht erwarten. Es kehrten nur sehr viel weniger Vögel zu ihrem Brutplatz zurück. Und jene, die es taten, konnten nicht erfolgreich brüten", so Kerry-Jayne Wilson vom neuseeländischen West Coast Penguin Trust, die ebenfalls an der Expedition teilgenommen hatte, gegenüber Spektrum. Die anderen, erwachsenen Tiere könnten sich einer anderen bestehenden Kolonie angeschlossen oder eine neue gegründet haben. Bereits 2001 konnte in einer ähnlichen Situation ein solches flexibles Verhalten von Adélie-Pinguinen beobachtet werden. Aber: „Normalerweise kehren die Tiere Jahr für Jahr zu ihrem angestammten Neststandort zurück. Wir denken daher eher, dass sie den Sommer im Meer vor dem Eis am Cape Denison verbringen und auf günstigere Zeiten warten", so Wilson.

Eine wirklich gute Nachricht ist das dennoch nicht. Denn das Team um Wilson und Turney schätzt, dass die Adélie-Population in der betreffenden Bucht in den nächsten 20 Jahren verschwunden sein könnte, „sofern B09B nicht weitertreibt oder das Packeis zwischen ihm und der Küste aufbricht." Denn die Tiere sind von ihrem 60 km-Marsch zurück zum Nest so erledigt, dass sie das Brüten aufgeben und sich um ihr eigenes Überleben kümmern. Ganz vom Pinguinsterben freisprechen kann man den ungünstig verkeilten Eisberg also keineswegs.