„Die Leute brauchen Informationen, dafür habe ich jetzt erstmal gesorgt.“
Alle Bilder: SOKO Tierschutz / buav | Mit freundlicher Genehmigung.

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„Die Leute brauchen Informationen, dafür habe ich jetzt erstmal gesorgt.“

Der verdeckte Ermittler der SOKO Tierschutz hat uns von seinen Recherchen im Laboralltag des Tübinger Max-Planck-Instituts berichtet.

Hinweis: Dieser Artikel enthält explizite Bilder von Tierversuchen.

Vor einer Woche hat ein verdeckter Ermittler der SOKO Tierschutz  erschütternde Bilder von Laboraffen aus dem Tübinger Institut für biologische Kybernetik veröffentlicht. Die Aufnahmen, die unter anderem zeigen, wie die Tiere versuchen sich ihre Implantate aus dem Kopf zu reißen, haben nicht nur dafür gesorgt, dass 22.000 Menschen eine Petition für ein sofortiges Ende der Tierversuche unterzeichnen, sondern auch den bedauernswerten PR-Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts eine äußerst geschäftige Woche beschert.

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Die offenkundig gut ausgelastete Pressestelle, die auch für  unsere Berichterstattung nur mit Verzögerung zu erreichen war, verteidigte die Tierversuche in den vergangenen Tagen als legal und medizinisch notwendig. Laut dem MPI hätte erst die Grundlagenforschung an Affen Ärzten eine Interpretation von menschlichen MRT-Scans ermöglicht. Den Tierschützern warf das Institut Dramatisierung und eine selektive Bildauswahl vor und erbebte den Vorwurf, dass die eigenen Mitarbeiter und Forscher öffentlich beschimpft worden seien. Auf dem MPI-Gelände wurden Videoaufnahmen zwischenzeitlich untersagt.

In einem neuen Video zeigt die SOKO Tierschutz die Affen auch auf Mauritius, von wo aus sie häufig in die Versuchslabore geschickt werden. Alle Bilder: SOKO Tierschutz / buav | Mit freundlicher Genehmigung.

Auch der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer war angesichts des Trubels um seine beschauliche Universitätsstadt nicht untätig: Kraft seines Amtes als Verantwortlicher der Genehmigungsbehörde ließ sich der Grünen-Politiker telefonisch „plausibel erklären, wie die Aufnahmen zustanden kamen." Die Bilder hätten zwar auch bei ihm einen „furchtbaren Eindruck" hinterlassen, doch er „habe großes Vertrauen in [den verantwortlichen] Professor Logothetis", wie er gegenüber dem  lokalen Tagblatt zu Protokoll gab.

Das Max-Planck-Institut hatte da zumindest substantiellere Aussagen zu bieten und verkündete, die Tierversuche zunächst auf Eis zu legen. Das sollte zumindest gelten bis der externe Experte Stefan Traue die Bedingungen geprüft habe. Gestern verkündete Traue nun, dass die Behandlung kranker Tiere im MPI „vorbildlich gewesen" sei. Eine längerfristige Prüfung soll jedoch dennoch auch noch stattfinden, wie das MPI bekannt gab.

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Mit Bildern wie diesen möchte das MPI zeigen, dass es sich bei den von der SOKO Tierschutz gedrehten Bildern keineswegs um den Laboralltag handelt. Bild: MPI für biologische Kybernetik

Wie mir SOKO Tierschutz-Sprecher Friedrich Mülln am Telefon berichtete, könnte der Leiter des deutschen Primatenzentrums jedoch kaum als unabhängiger Experte angesehen werden. Auch Pawel, der ein halbes Jahr lang in dem Tübinger Labor gearbeitet hatte, erklärte mir gegenüber, es bestehe eine Gefahr, dass die Forscher im Laboralltag häufig dazu neigen, die Affenhaltung im Sinne der Wissenschaft als unbedenklich anzusehen.

Die Tierpfleger im Stall sind eine Welt. Die Wissenschaftler oben in den Büros eine Andere.

Wie es für die Tübinger Laboraffen weiter geht ist noch nicht ganz klar. Fest steht jedoch, dass der Streit zwischen der SOKO Tierschutz und dem MPI in der nächsten SternTV Sendung in eine weitere Runde geht: Tierschützer Pawel und Mülln diskutieren im Studio mit zwei MPI-Mitarbeitern. Außerdem möchten die Tierschützer mit einem neuen Video (aus dem wir hier Bilder zeigen) und einer Demonstration in Tübingen am Wochenende gegen Fortsetzung und Ausbau der Tierversuche kämpfen.

Ich habe mich länger mit dem Tierschützer, der unter dem Decknamen Pawel aufgetreten ist, per E-Mail ausgetauscht, um mehr über seine Sicht zur der alltäglichen Laborroutine als Tierpfleger zu erfahren. Außerdem wollte ich wissen, wie es passieren kann, dass die Mitarbeiter den Versuchsbetrieb aufrecht erhalten, obwohl sie gleichzeitig eine enge Bindung zu den Tieren aufbauen, die sie täglich betreuen und schließlich oft sogar für ihr letztes Experiment präparieren müssen.

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Gab es einen Moment während deiner sechs Monate am Max-Planck-Institut in dem die Gefahr bestand, als verdeckter Ermittler aufzufliegen?

Nein, ich habe mit dem Tierarzt sogar nach versteckten Kameras gesucht, die Tierschützer nachts installiert haben könnten.

Wie viele Versuchstiere sind momentan ungefähr gleichzeitig im Labor in Tübingen?

Ungefähr zwischen 40 bis 50. Früher waren es mehr, aber der Bestand wurde 2012 durch eine TBC-Infektion dezimiert.

Das MPI wirft der SOKO Tierschutz eine selektive Bildauswahl vor, spricht davon, dass es sich eher um Einzelfälle handelt, und verweist auf Bilder von unversehrten Affen (siehe oben)? Was sagst du zu der Kritik?

Das sind keine Einzelfälle, das hat System. Allein in der Zeit in der ich da war, gab es zahlreiche Vorfälle, wie zum Beispiel Verbrennungen nach Versuchen oder Kammerinfektionen, Lähmungen, offene Wunden und andere gesundheitliche Probleme, die bei Tieren festgestellt wurden. Ganz zu schweigen von den TBC-Infektion 2012 (26 tote Tiere) und der MRSA-Infektion 2013 (6 infizierte Tiere).

In diesem Fall von Einzelfällen zu sprechen ist einfach eine Täuschung. Diese Vorfälle passieren immer wieder—vielleicht nicht immer in der Form von Schlaganfällen. Aber sie bedeuten immer eine zusätzliche Belastung für die betroffenen Tiere.

In wie vielen Fällen steigen die Tiere wiederwillig in den Primatenstuhl ein?

Also bei Primatenstuhl und Stangentraining passiert das zu Anfang in 100% der Fälle. Es sind ja wilde Tiere. Zunächst geht es darum sie zu brechen und ihnen zu zeigen, dass sie keine Möglichkeit haben aus dem Käfig zu kommen, wenn der Tierpfleger es wünscht. Sie müssen freiwillig kommen, oder sie werden eben einfach gegen ihren Willen rausgeholt. Dies wird auch als „Konsequenz beim Training" bezeichnet. Trotzdem gibt es immer noch einige Tiere, die nur von den erfahrenen Tierpflegern aus dem Käfig geholt werden, auch wenn sie schon länger trainiert wurden.

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Bei wie vielen Affen kommt es nach dem, was du gesehen hast, nach Operationen zu blutigen Gesichtsverletzungen durch das Aufkratzen?

In 100%. Ich habe drei Tiere am Tag der OP gesehen und in zwei Fällen waren sie auch Stunden nach der OP voll mit Blut.

Kannst du beschreiben, wie ein durchschnittlicher Arbeitstag im Labor für einen Pfleger aussieht?

Der Arbeitstag beginnt um 8:30 Uhr. Man geht durch die Einrichtung, schaut sich die Tiere an, sperrt gegebenenfalls Tiere für Versuche oder Behandlungen in kleinere Käfige, um ihnen später Ketamin spritzen zu können. Gegen 9 Uhr werden die Affen betäubt und zum Experiment oder in die Behandlung gebracht. Die Tiere werden je nach Bedarf und Not behandelt. Das kann sogar täglich oder jeden zweiten Tag vorkommen, wenn Infektionen auftreten. Gelegentlich müssen den Tieren auch Antibiotika und andere Medikamente gespritzt werden.

Der spätere Tagesablauf besteht aus dem Säubern von Stallungen, Füttern und Trainieren von Tieren. Trainieren heißt in diesem Fall, dass ein Tier für bis zu fünf Stunden am Tag in einem Primatenstuhl fixiert wird. Das gehört auch zu den Aufgaben der Tierpfleger. Der Kopf wird dann an einem implantierten Kopfhalter festgeschraubt, damit der Affe den nicht bewegen kann.

Die Tierpfleger haben die Tiere wirklich gern.

Es wird viel mit Wasserentzug und teilweise auch Futterentzug gearbeitet, um die Tiere für das Training zu „motivieren." Die zu lösenden Aufgaben würde ja ein wildes Tier—als welches man Rhesusaffen sehen muss—so nicht erfüllen. Die meisten Tiere werden fünfmal pro Woche von Wissenschaftlern und Tierpflegern „trainiert." Und bekommen dann zwei Tage „frei".

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Hast du kritische Gespräche unter den Pflegern und Ärzten erlebt?

Paradoxerweise haben die Tierpfleger die Tiere wirklich gern. Sie kümmern sich wirklich um sie. Sie haben ja auch den meisten Kontakt mit ihnen und kennen sie insofern am Besten. Die Tierpfleger wissen, dass die Tiere hochintelligent sind, dass jedes der Tiere seinen eigenen Charakter hat—manche Tiere sind liebenswert, manche sind fies, manche angriffslustig, andere bleiben lieber in der Ecke.

Wenn du ein Tier seit sieben Jahren Tag für Tag siehst und pflegst, dann ist es schwierig, keine Verbindung zu ihm aufzubauen, vor allem wenn du seine Individualität erkennst. Ich habe auch gesehen, dass den Kollegen authentisch unwohl war, den Tieren die letzte Spritze zu geben und sie dann zum Endexperiment in den Tod zu tragen.

Andererseits sind ja gerade sie für das harte Training zuständig, für den tagelangen Wasser- und Futterentzug, für das Brechen der Tiere, damit sie an der Stange in den Stuhl kommen, für die Spritzen vor den Experimenten oder OPs. Ohne sie würde am Institut nichts laufen. Und trotzdem machen sie das schon seit Jahren, ohne das ganze System zu hinterfragen.

Ich finde die Sprache, mit der über die Tübinger Laboraffen gesprochen wird ehrlich gesagt gewöhnungsbedürftig . Der Stuhl in dem die Affen fixiert werden heisst Primatenstuhl, die Tiere haben häufig keinen eigenen Namen, sondern lediglich eine Ziffernfolge. Ist diese euphemistische Sprache Normalität oder Sonderfall?

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Die Javaneraffen bekommen nur zwei Buchstaben und eine Ordnungsnummer, da sie viel zu kurz am Institut bleiben, um ihnen einen Namen zu geben. Sonst würde sich das Personal zu sehr an die Tiere gebunden fühlen, denn wenn das Tier erst einmal einen Namen hat, wird es auch schwierig, es als ein "Tiermodell" zu bezeichnen, man sieht das Individuum, den Charakter, die einzigartigen Verhaltensweisen, die man auch von seinen Haustieren kennt.

Die Leute brauchen Informationen. Dafür habe ich jetzt erstmal gesorgt.

Die vielen Euphemismen oder auch rein wissenschaftlichen Ausdrücke wie „Perfusion" (damit ist die Tötung und Gehirnentnahme gemeint) sollen dazu beitragen, dass man sich nicht viele Gedanken dazu macht. Ich weiß auch, dass die Kollegen nicht oft – wenn überhaupt – wussten, worum es genauer in den Experimenten geht und was ihr Ablauf ist. Das ist organisatorisch verständlich, denn wie sonst könnte man damit zurechtkommen, dass man Tieren, die man eigentlich gern hat, großes Leid zufügen lässt.

Ich denke, sie haben sich einfach gewisse Überlebensstrategien geschaffen, damit sie mit dem ganzen Elend, dass sie zu sehen bekommen überhaupt zurechtkommen. Etwa in der Art: „Wir kümmern uns um die Tiere. Wären wir nicht hier, würde es den Tieren noch schlimmer gehen."

Ich denke nicht, dass die Pfleger von der Forschung vollkommen überzeugt sind, andererseits können sie nicht den Gedanken zulassen, dass das alles zwecklos ist und sie mitverantwortlich für das Elend der Tiere sind.

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Die Behördenvertreter gingen in Begleitung der Leitung durch die Einrichtung, der Rest des Besuches wurde in den Bürroräumen des Instituts verrichtet.

Die Forscher und Tierärzte haben ganz klar eine andere Herangehensweise. Für sie steht Forschung auf jeden Fall an erster Stelle, ich denke nicht, dass sie in den Tieren mehr als „Tiermodelle" sehen, an denen sie ihre Hypothesen erforschen. Sie leben in einer Welt von Publikationen, Zitationen und Forschungsmethoden, in der das Tier immer an zweiter Stelle ist, selbst wenn man mal ein Auge zudrücken muss.

Hast du meist alleine oder im Team gearbeitet? In der Primateneinrichtung waren wir insgesamt drei Tierpfleger und eine Hilfskraft. Normalerweise waren zwei bis drei von uns im Dienst, öfters kam es jedoch vor, dass man auch alleine für die Einrichtung zuständig war.

Hast du einmal eine externe Kontrolle erlebt?

Ja, zweimal: Einmal vom Regierungspräsidium, die Vertreter der Behörde gingen in Begleitung der Leitung durch die Einrichtung, der Rest des Besuches wurde in den Bürroräumen des Instituts verrichtet. Diese Kontrolle wurde einige Zeit vorher angekündigt, deshalb konnten wir die Tierhaltung auf die Kontrolle vorbereiten. Die Stallungen wurden nochmal gesäubert und generell Ordnung geschaffen, damit alles entsprechend gut aussieht.

Ein zweites Mal kam eine Person vom Veterinäramt des Regierungspräsidiums, um sich ein Tier anzuschauen, das eingeschläfert werden sollte. Diese Kontrolle dauerte aber nur ungefähr eine Minute, die Frau schaute sich das Tier an, kam zu dem Schluss, dass eine Einschläferung positiv aus der Sicht des Tierschutzes ist und ging dann wieder. Übrigens hat das Regierungspräsidium das Recht auf Zugang zu den Unterlagen aller Tiere. Ob sie von diesem Recht Gebrauch macht, kann ich aber nicht einschätzen.

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Eine Zuchteinrichtung auf Mauritius von der die Tiere häufig in Versuchslabore überall auf der Welt geschickt werden.

Die Behörde hat das Max-Planck-Institut ebenfalls entlastet und bei einer Kontrolle am vergangenen Donnerstag nichts ungewöhnliches festgestellt, wie kannst du dir das erklären?

Die Frage ist, nach was gesucht wurde und unter welchen Umständen. Das Institut war ja nun eindeutig vorgewarnt. Echte Einblicke erhält man durch angemeldete Kontrollen sicher nicht. Die Frage ist, ob die Behörden überhaupt etwas finden wollen.

Ich sehe es als Problem an, dass nur das MPI bei der Kontrolle befragt wurde. Denn natürlich wird das Institut alles daran setzen die Vorwürfe zu entkräften. Zudem haben sie ja die Möglichkeit, Interpretationen vorzustellen und für das Regierungspräsidium nur schwer verifizierbare Behauptungen zu äussern. Wie ging es dir selbst nach deinem Feierabend?

Meistens war ich einfach nur müde. Ich saß auf meiner Couch, bearbeitete das Videomaterial, schrieb mein Tagebuch. Ich machte Sport und versuchte gut zu essen, mich um mein körperliches Wohlbefinden zu kümmern. Ich las viel und kommunizierte viel mit Freunden, die jedoch nichts von meinem Einsatz wussten. Das schwierigste an solchen langen Undercoverrecherchen ist meiner Meinung nach die Einsamkeit. Nicht nur in der Hinsicht, dass es aus Sicherheitsgründen nur eine sehr begrenzte Zahl von Menschen gibt, die von dem Einsatz wissen und du im Endeffekt – außer mit der betreuenden Person – nicht darüber reden kannst, was du erlebt hast.

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Das schwierigste ist die Einsamkeit.

Es ist auch nicht einfach, mit der begrenzten Anzahl von sozialen Kontakten zurecht zu kommen. Denn jedes Gespräch, jede nähere Bekanntschaft erhöht das Risiko demaskiert zu werden. Deshalb war es meine Taktik, die Kontakte mit anderen Menschen auf ein Minimum zu beschränken, so dass ich im Endeffekt den größten Teil meiner Freizeit alleine verbrachte. Das hat sich natürlich geändert, nachdem die Recherche beendet war. Aber ich denke, dass solche langen Einsätze das spätere Leben sehr bestimmen. Die Vor- und Nachbereitung, sowie die Recherche selbst, sind fast 1,5 Jahre meines Lebens. In dem Sinne hat die Recherche auf jeden Fall einen großen Einfluss auf mein Leben gehabt, auch wenn das volle Ausmaß sich erst in ein paar Jahren beurteilen lässt. Auf jeden Fall freue ich mich, wieder mit meinen Freunden, Bekannten und meiner Familie Zeit verbringen zu können.

Gibt es für die Mitarbeiter Möglichkeiten, Vorfälle oder bestimmt drastische Zustände zu melden? Wir mussten alle etwaigen Vorfälle dem Tierarzt und der Person, die für die Primatenhaltung zuständig ist melden. Mir wurde aber nicht gesagt, dass ich Missstände an das Regierungspräsidium oder anders wo melden könnte.

Ansonsten war das allgemeine Arbeitsklima sehr kollegial, man hat sich untereinander geduzt, die Leitung des Instituts miteinbegriffen. Aber es war für alle klar, dass es gewisse interpersonelle Probleme zwischen dem Personal gab. Die Tierpfleger in dem Stall waren nun mal eine Welt, die Wissenschaftler oben in den Büros eine andere. An den Schnittpunkten kam es manchmal zu Konflikten, man versuchte jedoch ein freundliches Arbeitsklima beizubehalten indem man sich oft kritische Kommentare verkniff.

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Empfindest du manchmal auch Mitleid mit den anderen Pflegern und Ärzten aufgrund der psychischen Belastungen, die sie in der Laborarbeit erleben?

Nein. Sie sind freie Menschen und müssen selbst entscheiden, wie sie ihr Vorgehen vor ihrem eigenen Gewissen rechtfertigen. Ich sehe jedes einzige Mitglied des Personals als ein kleines Zahnrad im System mit dem Namen „Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik." Nur dank ihrer Arbeit kann das ganze System funktionieren.

In den vergangenen Jahren haben sich alle arrangiert und festgestellt, dass sie Teil dieses Systems sind und seine Räder rollen lassen wollen. Wie immer auch diese Entscheidungen gerechtfertigt werden: Fakt ist, dass es bewusste Entscheidungen sind, am Leiden der Affen Teil zu haben.

Was motiviert Menschen nach deinen Erlebnissen, im Institut für biologische Kybernetik zu arbeiten? 

Ich denke, dass es den Forschern vor allem um ihre Forschung geht. Es geht darum, Erkenntnisse zu der gegebenen wissenschaftlichen Fragestellung zu bekommen. Um dies zu erreichen benutzen sie alle zugänglichen Methoden, „Tiermodelle" miteinbegriffen. Jedoch sehe ich auch, dass sie oft forschungstechnischen Dogmen ausgesetzt sind. Und Dogmen sind sehr schwer zu hinterfragen, vor allem wenn wissenschaftliche Karrieren auf dem Spiel stehen. So nutzt man die vermeintlich bewährten Methoden, um seine Forschung und Karriere nach vorne zu treiben. Auch wenn dafür Affen „verwendet" werden müssen.

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Was die Tierpfleger angeht, glaube ich, dass es anders aussieht. Sie verrichten ihre Arbeit in der Annahme, dass es ja auch schlimmer für die Affen kommen könnte. Ich denke aber, dass dies auch eine Überlebensstrategie ist. Ich glaube eher, sie machen das aus pragmatischen Gründen: Sie haben einen guten Job, also machen die den auch.

Wie viel Geld hast du im Max-Planck-Institut verdient?

Ich wurde nach dem Tarifvertrag vergütet. [Anmerkung der Redaktion: Das bedeutet je nach Erfahrung und Qualifikation für einen 29-jährigen Tierpfleger in Baden-Württemberg ein ungefähres Bruttogehalt von 1900 und 2200 Euro pro Monat.]

Weißt du, wo die Affen waren, bevor sie in das Max-Planck-Institut kamen?

Ja, manche waren zum Beispiel bei Novartis in Wien, die Affen wurden 2008 verkauft und kamen auf Umwegen sogar noch 2014 ins Institut. Oder auch bei Centre de Primatologie in Strasbourg und bei weiteren, vor allem französischen, Primateneinrichtungen.

Alle Bilder: SOKO Tierschutz / buav | Mit freundlicher Genehmigung.

Das Max-Planck-Institut hat darauf verwiesen, dass Deutschland eine der strengsten Gesetzgebungen für Tierversuche habe.

Gesetze sollten eigentlich keine Methoden erlauben, die dermaßen ineffizient, fehlerhaft, teuer und ethisch fragwürdig sind. Aber wie oben erwähnt, auch diese schwachen Gesetze bieten Möglichkeiten, den Behörden fehlt nur einfach der Mut. Die Aussage, dass Deutschland das Land mit den strengsten Tierschutzgesetzen sei, ist leider ein Märchen. Die Realität zeigt, dass die Tierhaltungsbedingungen in Deutschland durchweg erbärmlich sind.

Die Rechtslage an sich ist gar nicht so schlecht, sie wird nur falsch oder nicht richtig ausgenutzt. Denn die Behörden überprüfen kaum ob die Angaben der Labors auch stimmen. Hätte man echten Einblick, wie ich es hatte und würde die gesetzliche Abwägung zwischen Belastung und Nutzen ehrlich machen, würden die meisten Versuche sofort durchfallen. Nur dazu fehlt den Behörden der Wille und der Mut.

Ein Politiker [wie Boris Palmer], der sich angesichts dieser Beweislage als zu vertrauensvoll gegenüber der Tierversuchsindustrie zeigt, sollte besser einen Beruf wählen, bei dem er keine Verantwortung übernehmen muss.

Siehst du eher die Politik, die Wissenschaftler oder die allgemeine Öffentlichkeit in der Verantwortung, um das Leiden von Tieren in Versuchslaboren zu beenden?

Anders als bei Lebensmitteln trifft in diesem Fall die Politik die Hauptschuld. Die Wissenschaftler machen zwar nur ihre Arbeit, aber sie verfolgen fanatisch und betriebsblind ihre Ziele.

Gab es einen Punkt an dem dir klar wurde, dass du deine Recherche beenden oder abbrechen musstest? Bei solchen Recherchen kommt immer ein Punkt, wo man „genug" sagen muss. Vielleicht sind nicht alle Aufnahmen perfekt, und du weißt auch, dass du nicht alles dokumentiert hast. Aber irgendwann musst du einfach den Schlussstrich ziehen.

Ich habe circa 100 Stunden Bildmaterial gedreht, habe die Abläufe am MPI dokumentiert und mir einen guten Einblick in die Funktionsweise des Instituts verschafft. Theoretisch konnte ich so lange bleiben, wie ich wollte, denn meine Arbeitgeber waren vollkommen zufrieden mit meiner Leistung. Aber nach sechseinhalb Monaten entschloss ich mich, die Recherche zu beenden.

Lest hier unseren ersten Artikel zur Recherche der SOKO Tierschutz im Tübinger Labor und den Reaktionen so wie der Gegendarstellung des Max-Planck-Instituts. Unsere VICE-Doku über die SOKO Tierschutz könnt ihr hier sehen.

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