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Ralph Baer hat unser Leben verändert

Ralph Baers Einfluss auf die Videospielindustrie und unsere Wahrnehmung als Gamer ist enorm. Mit einer Dokumentation, die wir 2011 mit ihm gedreht haben, erinnern wir an den unermüdlichen Erfinder von Senso.
​Ralph Baer in seiner Werkstatt. Bild: Motherboard

​Vor drei Jahren hatten wir die Gelegenheit, Ralph Baer in seiner Heimwerkstatt zu besuchen und mit ihm über seinen enormen Einfluss auf die Games-Industrie zu sprechen. Angesichts seines Todes und dem aktuellen Diskurs um seine Errungenschaften möchten wir gerne noch einmal unsere damalige Dokumentation präsentieren.

Wie Gamasutra am Sonntag berichtete, ist Ralph Baer am vergangenen Wochenende im stolzen Alter von 92 Jahren verstorben. Und auch wenn du seinen Namen in den vergangenen Tagen zum ersten Mal gelesen hast, so hat er zweifelsohne unser aller Leben beeinflusst.

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Bear hat nicht nur die erste Videospielkonsole entwickelt, die Magnavox Odyssee, sondern auch den Senso—das vierfarbige elektronische Memory-Videospiel, das seit den 1970er Jahren zahllose Gamer in den Wahnsinn getrieben hat. Noch im Rentenalter meldete er Patente an und erhielt im laufe seiner Karriere Dutzende nationale und internationale Auszeichnungen.

BAER KÄMPFTE 1942 IN DER US-ARMEE GEGEN NAZI-DEUTSCHLAND. ERST 2006 SOLLTE ER WIEDER IN SEIN HEIMATLAND ZURÜCKKEHREN.

Für das Berliner Computerspielemuseum fungierte Baer seit 2006 als Schirmherr. Als wir Direktor Andreas Lange anriefen, um weitere Informationen zu erhalten, drückte er vor allem seine tiefe Betroffenheit über den Tod Baers aus und verwies uns auf eine heutige Pressemitteilung: „Bereits kurz nach unserer Eröffnung 1997 tauschten wir E-Mails aus. Als er einwilligte, unser Schirmherr zu werden, fühlten wir uns natürlich sehr geehrt." Die Schirmherrschaft Baers über das Berliner Computerspielemuseum ergab sich schließlich vor acht Jahren, als Ralph Baer erstmalig nach Kriegsende sein Geburtsland besuchte. Auch wenn die Ursache von Baers Tod beim Computerspielemuseum bekannt ist, verzichte Lange aus Rücksicht auf die Familie darauf, öffentlich über die Gründe zu sprechen.

Baer mit dem Direktor des Computerspielmuseums Andreas Lange in Berlin bei seinem ersten Besuch in Deutschland seit Kriegsende.

Baer mit dem Direktor des Computerspielmuseums Andreas Lange in Berlin bei seinem ersten Besuch in Deutschland seit Kriegsende. Bild: Computerspielemuseum. Verwendet mit freundlicher Genehmigung

Baer wurde 1922 in der Südpfalz geboren. 1938 floh seine Familie über die Niederlande in die USA. 1943 kehrte er nach Europa zurück, um in der US-Armee zu dienen und gegen Nazi-Deutschland zu kämpfen. In der US-Armee machte er sich einen Namen als Experte für Kleinwaffen—später sollte er dann konsequenterweise einen Nachfolger für Nintendos Duck Hunt Gun entwickeln. Nach dem Krieg schloss er als einer der ersten Diplomanden überhaupt das Studium der Fernsehtechnik am American Institute of Technology in Chicago ab.

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In den kommenden Jahre sollte eine beispiellose Karriere als Erfinder folgen. Sie begann mit Präzisions-Schneidemaschinen, später entwickelte er analoge Militär-Radargeräte und letztlich eine Heimvideokonsole namens Magnavox Odyssey.

Ein Magnavox Odyssey-Konsolenset von Ralph Baer.

Ein Magnavox Odyssey-Konsolenset. Bild: Evan-Amos/Wikimedia Commons

Baer erdachte erstmals 1951 ein „Fernsehspieldisplay." Da sein Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht sonderlich daran interessiert war, wurde die Idee für 15 Jahre auf Eis gelegt. 1966 schrieb Baer noch einmal sein visionäres Konzept nieder. In zwölf Seiten führte er aus, was ein Fernsehspiel-Display alles können müsste: Actionspiele, Lernspiele, Künstlerische Spiele—das alles stellte er sich zu einer Zeit vor, als das Fernsehen selbst noch ein äußerst unidirektionales Medium war. Im Laufe des nächsten Jahres baute er gemeinsam mit seinen Kollegen bei Sanders Associates einen Prototypen. Das Patent für das Fernsehspiel-Display, eingereicht 1969, könnt ihr hier bei Google nachlesen.

Mittlerweile hat das Smithsonian Bears Arbeit in seine Sammlung aufgenommen. Spätestens seit dieser Adelung lässt sich schwerlich von mangelnder Anerkennung gegenüber seinem Lebenswerk sprechen. Trotz allem überschattet sein Einfluss auf allgemein anerkannte Werke häufig seine ursprünglichen Entwicklungen.

So basiert Pong beispielsweise auf Baers Table Tennis, das du auch in deinem Browser spielen kannst. Pong ist vermutlich das bessere Spiel—Table Tennis zählt die Punkte nicht mit und der Ball springt auch nicht von der Seitenlinie zurück ins Feld—und trotzdem verdankt Atari Baer einiges. Als es Atari finanziell gerade nicht so gut ging, zahlte die Firma Magnavox einfach eine Lizenzgebühr, um das Spiel weiterzuverwenden—der Rest ist Geschichte.

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Außerdem erfand Baer einen Teddy, der mit einem Videorekorder interagieren konnte und den er uns auch bei unserem Besuch in seiner Heimwerkstatt erneut vorführte. Dieser kam bereits ein paar Jahre vor Teddy Ruxpin auf den Markt, seines Zeichens ein enorm verstörender, aber auch sehr beliebterer Animatronic-Bär.

Das Farb- und Tonspiel Senso, das in der USA als Simon verkauft wurde.

Baer ging es in seinen Entwicklungen immer darum, „einen Apparat zu entwickeln, mit dem Menschen ihre Fähigkeiten, ihre Aufmerksamkeit, visuelle Auffassungsgabe und körperliche Geschicklichkeit im Spiel gegen automatische Gaming-Abläufe verbessern können."

Table Tennis, aus dem später Pong wurde, war dagegen ausschließlich als Zwei-Spieler-Game konzipiert. Um mit dem Spiel andere Welten wie zum Beispiel Hockey zu erleben, musstest du über deinen Bildschirm eine Schablone legen, die dort durch die statische Ladung fixiert wurde.

Die Technik, mit der Baer arbeitete, hat natürlich nicht viel mit den heutigen Computern gemein. Die Video Game Console Library beschreibt das bahnbrechende Innenleben des Odyssey folgendermaßen: „Kein Prozessor, kein Speicher. Die Box besteht aus Transistoren, Widerständen und Kondensatoren. Odyssey arbeitet mit Lochkarten, um Spieleinstellungen zu ändern."

In unserem Video kannst du Baer dabei zuschauen, wie er 1969 einem staunenden Publikum Table Tennis vorführt.

Und wenn man sich anhört, wie er dabei seinen Freund Bill Harrison aufzieht—„Na Bill, auch mal'n Punkt machen?"—ist er vielleicht auch der erste Trash Talker in der Videospielgeschichte.

Heute haben sich Videospiele zur eigenen Kunstform entwickelt, nicht zuletzt dank der Errungenschaften von Ralph Baer. Wie Steve Wozniak es ausdrückte: „Ich kann Ralph gar nicht genug für das danken, was er mir und uns allen gegeben hat."