Kein anderes Gerät hat die mobile Kommunikation so sehr geprägt wie das iPhone. Seit es vor zehn Jahren auf den Markt kam, hat es einen beeindruckenden Siegeszug in der gesamten Welt hingelegt. Für viele ist Apples Smartphone noch heute synonym für technischen Fortschritt, Luxus und Status. Doch das iPhone ist auch eine Quelle des Leids: Beispielsweise für Minenarbeiter, die die Rohstoffe für die Geräte abbauen, oder chinesische Fabrikarbeiter, die die Smartphones im Akkord zusammenbauen. Das iPhone ist sowohl ein Motor der globalen Vernetzung als auch die Schaltzentrale für jene Apps, die zunehmend unser Leben bestimmen.
Anzeige
Das iPhone vereint die gesamte Ambivalenz unseres technischen Fortschritts. Ich habe die letzten Jahre damit verbracht, die Ursprünge, Hintergrundgeschichte und Folgen von Steve Jobs' einflussreichster Entwicklung zu recherchieren – die Ergebnisse habe ich in meinem gerade auf Englisch erschienenen Buch The One Device zusammengetragen. Meine Recherchen haben mich in die Lithium-Minen von Atacama, auf das größte Hacker-Treffen Nordamerikas und in die riesigen Fabriken im chinesischen Shenzhen geführt.
Der lange Weg bis zum iPhone
Anzeige
Das iPhone war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und es erfüllte einen jahrhundertealten Traum der Menschheit: Ein tragbares audiovisuelles Kommunikationsgerät, das uns mit unseren Freunden und Familie auf der ganzen Welt verbindet – uns gleichermaßen zu Empfängern wie zu Sendern macht.Angesichts der mächtigen Funktionen des iPhones ist es nur allzu verwunderlich, dass viele von uns diesen Apparat gar nicht mehr aus der Hand legen wollen. Diese Nutzungsgewohnheit, die vielen nach zehn Jahren iPhone selbstverständlich erscheint, ist tatsächlich, bemerkenswert. "Es ist extrem selten, dass wir ein neues Gerät erfinden, das wir fortan immer bei uns tragen", erklärt Jon Agar, der als Historiker zur Entwicklung mobiler Technologie forscht. "Um auf diese Liste zu kommen, muss ein Gerät fast universell begehrenswert sein." Diesen Status hat das Smartphone, allen vorweg das iPhone, definitiv erreicht: Neben Jacke, Geldbeutel und Schlüssel greift weltweit ein großer Teil der Menschheit vor dem Verlassen des Hauses auch zum Mobiltelefon.Ein Ausschnitt von Brian Merchants Buch 'The One Device' wurde von The Verge veröffentlicht:Apple ist gegenwärtig das wertvollste Unternehmen der Welt. Zwei Drittel seiner Einnahmen verdankt es dem iPhone, von dem seit dem Jahr 2007 über eine Milliarde Geräte verkauft wurden. Eine Untersuchung der Finanzdaten der S&P 500 Unternehmen kommt sogar zu dem Schluss, dass das iPhone mehr Profit als Zigaretten abwirft.Steve Jobs selbst erahnte diesen Triumphzug offenbar schon früh. Während der hektischen Entwicklungsphase sagte er seinem Team: "Leute, ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber was ihr hier macht, ist wichtiger als der erste Mac."
Apples wichtigstes Produkt
Anzeige
Die Touch-Technologie erobert die Welt
Die beliebteste Benutzeroberfläche der Welt
Anzeige
Das iPhone ist das elektronische Kunstwerk all dieser beteiligten Entwickler, die längst nicht all mit Namen bekannt geworden sind – und von denen einige zum ersten Mal im Zuge meiner Recherchen ihre Version der Entwicklungsgeschichte preisgaben. Das iPhone ist eine kollektive Anstrengung von engagierten, ambitionierten, übermüdeten und genialen Apple-Mitarbeitern, die Steve Jobs jenes Prunkstück gaben, das wohl immer sein zentrales Vermächtnis sein wird.Das iPhone wäre aber auch nicht möglich ohne seine wahrhaft globalisierte Lieferkette: Apple kauft günstige Metalle aus allen Ecken der Welt auf, baut die Geräte in China zusammen und verschickt sie dann rund um den Globus. Das iPhone ist das Endprodukt einer komplizierten Produktionskette, die an Orten wie den Zinn-Bergwerken in Bolivien beginnt. Hier brechen Minenarbeiter Zinn aus den zunehmend einsturzgefährdeten Wänden des Cerro Rico, der schon in der Spanischen Kolonialzeit als Silbermine genutzt wurde und noch heute Profit für die Minenbetreiber und Schwerstarbeit für die Kumpel unter Tage bedeutet.
Ebenfalls auf VICE: Surinams korrupte Goldindustrie
Ähnliche Minen findet man auch auf anderen Kontinenten: Kobalt wird im Kongo abgebaut, seltene Erden in der Inneren Mongolei, Aluminium in Australien. Im Bergbau herrschen auch heute noch brutale Arbeitsbedingungen. In der Mine, die ich in Bolivien besuchte und von der Apple-Zulieferer Teile des Zinns beziehen, sterben beispielsweise jedes Jahr Dutzende Arbeiter durch Tunneleinstürze.
Rohstoffe aus allen Teilen der Welt
Ebenfalls auf VICE: Surinams korrupte Goldindustrie
Ähnliche Minen findet man auch auf anderen Kontinenten: Kobalt wird im Kongo abgebaut, seltene Erden in der Inneren Mongolei, Aluminium in Australien. Im Bergbau herrschen auch heute noch brutale Arbeitsbedingungen. In der Mine, die ich in Bolivien besuchte und von der Apple-Zulieferer Teile des Zinns beziehen, sterben beispielsweise jedes Jahr Dutzende Arbeiter durch Tunneleinstürze.
Anzeige
Zusammengebaut werden die iPhones dann In China; in Fabriken, die so groß wie Städte sind. Das Leben der Arbeiter dort ist immer noch von Überarbeitung, Ausbeutung und auch Suiziden bestimmt, auch nachdem die Selbstmord-Serie beim Apple-Partner Foxconn 2010 weltweit Schlagzeilen machte. Ich habe diese Orte mit eigenen Augen gesehen: Sie sind düster und seelenlos – und sie machen unsere globale Kommunikation überhaupt erst möglich.
Welche Rolle das iPhone spielt
Die Erfolgsgeschichte des iPhones ist ein Paradebeispiel für cleveres Marketing, aufsehenerregende Produktpräsentationen und für die rigorose Wahrung von Betriebsgeheimnissen. Apples Smartphone ist auch die Geschichte der stetigen Erneuerung und der Verbreitung von immer neuen Zukunftstechnologien auf einem globalen Level: Das iPhone schenkte der Welt mit Siri die erste wahrhaft massenhaft eingesetzte Künstliche Intelligenz. Es ist eines der sichersten mobilen Computersysteme auf dem Markt – und es ist doch auch erklärtes Ziel von Hackern und Tüftlern – die Geschichte des iPhones wäre nicht denkbar ohne die Geschichte der Jailbreak-Hacker. Momentan ist der Großteil der iPhones dazu verdammt, als Elektronikschrott zu enden. Durch einen möglichen Strategiewechsel von Apple könnte sich dieser Wegwerf-Trend jedoch schon bald wieder umkehren."Das richtige Timing und Glück spielen eine große Rolle", erklärt mir der ehemalige iPhone-Entwickler Evan Doll. Beispielsweise waren die für die Leistungsfähigkeit so wichtigen ARM-Prozessoren genau zum richtigen Zeitpunkt weit genug entwickelt, um das iPhone so schnell zu machen, dass alle Apps entsprechend funktionierten. "Alles kam perfekt zusammen."Nicht nur bei den Prozessoren stimmte das Timing, auch bei den Lithium-Ionen-Akkus und den Kompaktkameras, sowie der zunehmenden Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften in den chinesischen Fabriken und dem Angebot an billigen Metallen auf der ganzen Welt. Alle diese Entwicklungen haben das iPhone zu dem gemacht, was es heute ist: zu einem der profitabelsten, meist kopierten und heiß begehrtesten Geräte unserer Zeit.