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Warum der Anonymous-Hack, über den gerade alle sprechen, ein Fake sein könnte

Zahlreiche Medien berichten, das Hackerkollektiv Anonymous hätte der Neonazi-Seite Daily Stormer den Krieg erklärt. Doch viele Details an der Geschichte machen stutzig.
Bild: Screenshot, Daily Stormer

Zahlreiche Medien berichten aktuell von einer Attacke der Hacker-Aktivisten von Anonymous gegen die Neonazi-Website Daily Stormer. Dass es aber wirklich einen Hacker-Angriff gab, sieht immer unwahrscheinlicher aus. Einiges spricht dafür, dass die Meldung ein Fake ist, um Medien zu trollen und Besucher auf die Seite zu holen.

Auf der US-Seite, die als wichtigstes Medium von Neonazis in den USA sowie den neuen Rechten der sogenannten Alt-Right gilt, erschien vor wenigen Stunden eine angebliche Kriegserklärung der Hacker von Anonymous. Die Kriegserklärung kommt nur kurze Zeit nach den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Neonazis und Gegendemonstranten in der US-Stadt Charlottesville, auf der ein Neonazi mit einer Auto-Attacke eine 32-jährige Frau tötete und zahlreiche Menschen verletzte.

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"Die Seite steht jetzt unter der Kontrolle von Anonymous. Wir haben diese Seite im Namen von Heather Heyer, einem Opfer rassistischen Terrors, übernommen", liest sich der Blogpost, der die Besucher des Daily Stormer aktuell ganz oben auf der Startseite begrüßt. "Wir werden die Seite für 24 Stunden online lassen, damit die Welt sehen kann, wie hasserfüllt sie ist. Dann werden wir sie für immer offline nehmen."

Für Medien wie den Berliner Kurier oder für den britischen Mirror war das genug, um in Hochgeschwindigkeit Meldungen über das nahende Ende des Daily Stormer zu schreiben. An der Kriegserklärung stimmt jedoch einiges nicht. Alleine, dass die Seite und ihre alten Artikel trotz des angeblichen Hacks weiterhin online ist, sollte stutzig machen, aber noch viele weitere Details mahnen zur Vorsicht.

So bezeichnen sich die angeblichen Hacker von Anonymous hier als eine "Force of Elite Hackers from around the World", eine ziemlich grandiose Selbstbeschreibung, die eher unüblich für Anonymous ist. Auch heißt es, Hacker hätten sich vereinigt, um das jüdische Volk zu verteidigen. Anonymous hat sich nie damit hervorgetan, besonders pro-Jüdisch zu sein. Eher berichteten israelische Medien von Hackerangriffen von Anonymous-Mitgliedern gegen Israel.

Im Forum des Daily Stormers machen sich die Nutzer lustig über Medien, die den angeblichen Hack berichten. Besonders das Detail, die angeblichen Hacker würden ihre "Kontakte in Lagos" auf Daily-Stormer Chef Andrew Anglin ansetzen, scheint sie zu amüsieren. Anglin gab gegenüber CNN an, in Lagos zu sein, was nie verifiziert werden konnte, und von Nutzern der Seite als Troll-Aktion bewertet wird.

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Auch Anonymous-nahe Quellen gehen davon aus, dass hier viele Menschen einer Fake News der Neo-Nazis auf den Leim gegangen sind. "Das ist wahrscheinlich eine lächerliche Troll-Aktion von den Trotteln des Daily Stormers", twitterte YourAnonNews. Der Account mit 1,7 Millionen Follower gilt als recht verlässliche Quelle für Aktionen des vielgesichtigen Hackerkollektivs, das selbst keine eigenen Sprecher oder zentrale Organisationsstruktur hat.

Normalerweise geht Aktionen von Anonymous ein Ankündigungsvideo voraus, in der der Name und die Hintergründe einer sogenannten "Operation" bekanntgegeben wird. Auch das ist in diesem Fall nicht passiert. Auch auf dem Imageboard 4chan, das als Heimat von Anonymous gilt, gab es zum Zeitpunkt oder im Vorlauf des "Hacks" keine Diskussionen oder Koordination über einen Angriff auf den Daily Stormer.

Viele Medien korrigierten inzwischen ihre Berichterstattung und brachten Updates. Offline gehen könnte der Daily Stormer innerhalb der nächsten 24 Stunden aber trotzdem. Denn der Host der Seite, GoDaddy, hat angekündigt, die Nazis in Kürze von ihren Servern zu schmeißen. Allerdings sollte man nicht überrascht sein, wenn der Daily Stormer mit einem anderen Hostinganbieter wieder online geht. Und ansonsten gilt bei Hackerangriffen, genauso wie bei allen anderen Nachrichten: Wenn ein Angriff zu gut klingt, um wahr zu sein, dann sollte man vorsichtig sein, bevor man ihn als wahr deklariert.