FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Wir haben 27 Forschende gefragt, was ihnen an der Zukunft Sorgen bereitet

"Die Zukunft zu verstehen, bedeutet auch, aus der Vergangenheit zu lernen."
Zeichnung: Ein Apokalyptischer Reiter auf seinem Pferd. Er hält die Weltkugel in der einen, eine Fahne in der anderen Hand
Besonders häufige Angstmacher: Klimawandel und eine Gesellschaft, die auseinander driftet | Bild: Cathryn Virginia

Wir Menschen denken gerne über die Apokalypse nach. Egal ob biblische Katastrophen, Asteroiden-Einschläge, Ragnarök, Roboteraufstände oder der Untergang der Zivilisation, alles wurde gedanklich schon mal durchgespielt. Solche Vorstellungen sind oftmals geprägt von Erlösung und Revolution – aber auch von tatsächlichen Zukunftsängsten.

Natürlich weiß niemand zu 100 Prozent, wie dystopisch unsere Welt in den kommenden Jahrzehnten wirklich aussehen wird. Trotzdem haben wir 27 kluge Köpfe gefragt, was ihnen in Bezug auf unsere Zukunft am meisten Sorgen bereitet.

Anzeige

Im Folgenden haben wir ihre eindringlichen Warnungen vor sozialen Konflikten, ethisch fragwürdigen Technologien und weiteren schrecklichen Dingen zusammengetragen. Damit wollen wir nicht für Verzweiflung sorgen, sondern Bewusstsein schaffen. Wenn es aber doch zu deprimierend wird, kannst du gerne jederzeit kurz zu süßen Tiervideos rüberwechseln.

Motherboard: Was bereitet dir bezüglich unserer Zukunft am meisten Sorgen?

1. "Inzwischen ist es für mich keine wirkliche Sorge mehr, sondern die Akzeptanz des Unvermeidbaren: Der Klimawandel wird weiter ungebremst vor sich hinlaufen und das Leben auf der Erde irgendwann richtig schlimm, wenn nicht sogar unmöglich machen. Ich glaube nicht, dass wir Menschen kognitiv dazu in der Lage sind, diese akute Bedrohung wirklich zu verstehen. Unsere Gehirne sind dafür einfach nicht gemacht. Bei einer so überwältigenden Gefahr verfallen wir sofort in einen Krisenmodus und schieben das Problem auf die lange Bank. Irgendwann wird sich schon jemand drum kümmern. Und das ist kein Problem, das sich lösen lässt, indem wir ein paar Plastikbehälter recyclen. Nein, unser kompletter Lebensstil muss sich von Grund auf ändern. Das wird nicht einfach und die Reichen und Mächtigen müssen dafür mehrere Milliarden Dollar investieren. Deswegen bin ich nicht gerade optimistisch, dass das noch passiert, bevor es nicht schon viel zu spät ist."

– Brooke Bolander, Romanautorin ( The Only Harmless Great Thing )

Anzeige

2. "Wir finden uns immer mehr mit Faschismus ab. Gleichzeitig versagen wir dabei, etwas gegen die globale Erwärmung zu tun. Zusammen wird das zur Katastrophe führen."

– Mark Halpern, Professor an der Fakultät für Physik und Astronomie an der University of British Columbia

3. "Plastik. Weil es als bunte Objekte schön aussieht und sich damit von Essen bis hin zu medizinischen Geräten alles verpacken lässt, ist Plastik inzwischen nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Dieser Umstand verhindert, dass wir uns verantwortungsbewusst damit auseinandersetzen, wie Plastik nicht nur den Gewässern und Tieren dieser Welt schadet, sondern auch unserer Zukunft."

– Nina Eidsheim, Musikforscherin an der University of California in Los Angeles und Autorin der Bücher Sensing Sound und The Race of Sound

4. "Die Tatsache, dass die Zukunft keine Menschen braucht."

– Matteo Bittanti, Assistenzprofessor im Fach Medienwissenschaften und Leiter des Master-Programms im Fach Spieledesign an der IULM Universität in Mailand.

5. "Ungerechtigkeit und eine immer größer werdende soziale Kluft. Ich meine damit auch Voreingenommenheit in Algorithmen. Wenn Maschinen lernen, kommen subjektive und nicht repräsentative Datensätze zum Einsatz. Das bedeutet, dass wir am Ende verzerrte Ergebnisse bekommen, die sexistisch, rassistisch, feindlich gegenüber Menschen mit Behinderung und unfair gegenüber bestimmten Schichten sind. Dieses Problem ist dieses Jahr im Bereich der KI-Ethik sehr deutlich geworden. Eine Lösung gibt es trotzdem noch nicht."

Anzeige

– Kate Devlin, Dozentin im Bereich der sozialen und kulturellen KI am Londoner King's College und Autorin des Buches Turned On: Science, Sex, and Robots

"Deshalb die Frage: Wo und wie den nötigen bürgerlichen Kampf beginnen?"

6. "Können wir wirklich neun Milliarden Menschen ernähren?"

Jules Jaffe, Ozeanograph am Scripps Institution of Oceanography, University of California, San Diego

7. "Die Automatisierung wird wahrscheinlich Gehälter, Jobs und ganze Industrien auf den Kopf stellen – und das in einem nie dagewesenen Maße. Dennoch scheinen Politiker und Politikerinnen dieses Problem zu ignorieren. Dass wir ein solch schwerwiegendes Thema nicht öffentlich diskutieren, zeigt doch nur, wie unvorbereitet wir darauf sind."

– Jake Laperruque, Experte für Cybersicherheit und leitender Berater beim Constitution Project der unabhängigen Polit-Organisation POGO

8. "Der in der sogenannten westlichen Welt verbreitete Trend hin zu einer senilen Gesellschaft von ruhiggestellten, vernünftigen, langweiligen, politisch korrekten Zombies."

Giulio Prisco, Autor, Technologieexperte, Futurist und Transhumanist, Italien

9. "Unüberwindbare Ungleichheit, die auf der unfairen Verteilung von ökologischen Ressourcen, Staatsbürgerschaften und Bürgerrechten basiert. Autoritäre Formen der Demokratie werden auch politische Rechte untergraben. Deshalb die Frage: Wo und wie den nötigen bürgerlichen Kampf beginnen, um eine Gesellschaft zu kreieren, in der wirklich alle gleich sind?"

Anzeige

– Maurizio Albahari, Anthropologe und Dozent an der University of Notre Dame

10. "Die Zukunft zu gestalten, basiert auch viel darauf, die Vergangenheit zu verstehen. Wir befinden uns in einem Zeitalter, in der fortlaufende und schnelllebige Echtzeit-Informationsflüsse viel bestimmen. Wir vertrauen das Gedächtnis unserer Zivilisation digitalen und privaten Systemen an, bei denen es nicht garantiert ist, dass sie ewig halten. Vergleicht das mal mit den Pyramiden aus dem alten Ägypten, die jetzt schon seit 4.500 Jahren da stehen!"

– Mehdi Tayoubi, Co-Direktor beim "ScanPyramids"-Projekt und Mitbegründer des Heritage Innovation Preservation (HIP) Instituts in Frankreich

11. "In unserer Gesellschaft fehlt es nicht nur an wissenschaftlichem Verständnis, man glorifiziert dieses Missstand auch noch. Das hat reale Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Lebensqualität – egal ob nun in Bezug auf individuelle Entscheidungen oder auf Entscheidungen auf Regierungsebene."

– Tanya Harrison, Planetenwissenschaftlerin, Forschungsleiterin beim "Space Technology and Science"-Programm der Arizona State University und Mitarbeiterin im Forschungsteam zum Mars-Rover und zur Mars-2020-Mission

"Der neoliberale Kapitalismus"

12. "Der noch nie dagewesene, vom Menschen verursachte Verlust von Biodiversität und Ökosystemen, der zusammen mit dem ebenfalls vom Menschen verursachten Klimawandel eine Bedrohung für das empfindliche Gleichgewicht unseres Planeten darstellt. Wenn wir unseren untragbaren Lebensstil nicht sofort ändern, sind wir schon bald die erste und wohl einzige Spezies, die sich selbst vernichtet hat."

Anzeige

– Roberto Cazzolla Gatti, Doktorand und Dozent am biologischen Institut der State University Tomsk sowie Forschungsassistent in der Forst- und Rohstoffabteilung der Purdue University

13. "Unsere Zufriedenheit und emotionale Stabilität wird immer mehr davon abhängig sein, was andere über uns denken."

– Sameer Hinduja, Co-Direktor des Cyberbullying Research Centers und Dozent in den Fächern Kriminologie und Strafrecht an der Florida Atlantic University

14. "Der neoliberale Kapitalismus wird sich immer weiter in jedem Aspekt der menschlichen Existenz breitmachen."

– Lucianne Walkowicz, Vorsitzende im Bereich Astrobiologie an der Forschungsbibliothek des Kongresses der Vereinigten Staaten und Astronomin am Adler-Planetarium in Chicago

15. "Der von uns Menschen verursachte Klimawandel. Unsere sozialen und politischen Systeme und die Medien sind nicht gerade gut darin, sich mit langsam wachsenden Problemen auseinanderzusetzen. Was sie hingegen richtig gut können: bei nichtigen, aber berichtenswerten Problemen überreagieren. Es fällt mir schwer, einen Weg hin zur Besserung zu sehen, ohne dass es vorher zu irreparablen Schäden gekommen ist."

– Bruce Macintosh, Physikprofessor am Kavli Institute für Partikel-Astrophysik und Kosmologie an der Stanford University

"Eine Reihe britischer Politiker und Politikerinnen, die Großbritannien in eine Insel verwandeln wollen"

16. "Zu kurzes Denken. Wir Menschen schaffen existenzielle Probleme für uns selbst und unseren Planeten, die sich über hunderte oder gar tausende Jahre hinwegziehen werden. Und trotzdem planen verschiedene Leute, Unternehmen und Regierungen nur für das nächste Quartal, das nächste Jahr oder maximal die eigene Lebensdauer vor."

Anzeige

– Matthew Colless, Leiter der Forschungsabteilung für Astronomie und Astrophysik an der Australian National University

17. "Der Klimawandel, ein anscheinend verrückter Präsident der USA und eine Reihe britischer Politiker und Politikerinnen, die Großbritannien in eine Insel verwandeln wollen, die dann mal alle 100 Jahre aus dem Nebel auftaucht. Über all dem steht allerdings, dass die Wissenschaft ständig degradiert wird."

– Farah Mendlesohn, Historikerin, Mitglied im Anglia Ruskin Centre for Science Fiction and Fantasy und Redaktionsleiterin bei Manifold Press

18. "Dem Präsidenten der USA ist es möglich, zusammen mit vielen anderen Menschen eine Frau öffentlich bloßzustellen, die womöglich sexuell missbraucht wurde. Und darauf folgt kein wirklicher öffentlicher Aufschrei. Viele Leute scheinen kein Problem damit zu haben, wenn andere öffentlich tyrannisiert werden."

– Paul Shepson, Klimaforscher

"Die Menschen sind nicht mehr in der Lage, eine Verbindung zueinander aufzubauen."

19. "Der wachsende Unterschied zwischen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der tatsächlichen wissenschaftlichen Bildung der Bevölkerung. Wie wird es unserer Gesellschaft ergehen, wenn niemand mehr weiß, wie irgendetwas funktioniert – obwohl das gerade wichtiger ist denn je?"

– Justin Crepp, Physik-Dozent und Leiter der "Engineering and Design Core"-Fakultät an der University of Notre Dame

20. "Die Menschheit entfernt sich immer weiter von der Natur."

Anzeige

– Selen Atasoy, Neurowissenschaftlerin und Postdoktorandin an der University of Oxford

21. "Die Menschen sind nicht mehr in der Lage, eine Verbindung zueinander aufzubauen. Die Gräben zwischen uns werden so groß, dass es unmöglich erscheint, Lösungen für gemeinsame Probleme wie den Klimawandel zu finden. Die Leute wollen nicht mehr zuhören, vertrauen keinen Experten mehr oder beharren stur auf ihre Meinung. Es macht mir richtig Angst, dass die Dinge, die wir eigentlich gemeinsam bekämpfen sollten, inzwischen so polarisieren, dass keine Lösungen in Sicht sind. Stattdessen diskutieren wir darüber, ob Tatsachen wirklich Tatsachen sind."

– Danielle L. Dixson, Assistenzprofessorin im Fach Marine-Biowissenschaften an der University of Delaware

22. "Überbevölkerung."

– Jingmei Li, leitende Forscherin am Genome Institute in Singapur

"Wir sind bei unseren Interaktionen gar nicht wirklich da."

23. "Wie sich die Kommunikation zwischen uns Menschen entwickeln wird. Vor 30 Jahren sprachen wir noch hauptsächlich richtig miteinander und nur selten am Telefon, vor 20 Jahren liefen die Gespräche immer noch häufig von Angesicht zu Angesicht ab, aber heute kommunizieren wir zum Großteil nur noch über irgendeinen Bildschirm miteinander. Wie wird das bloß in der Zukunft aussehen?"

– Walter E. Baethgen, Leiter des "Regional and Sectoral Research"-Programms und der "Latin America and the Caribbean"-Abteilung am Earth Institute der Columbia University

Anzeige

24. "Fehlender Respekt, fehlende Achtsamkeit und eine fehlende Verbindung untereinander sowie zur Natur. Wir sind bei unseren Interaktionen gar nicht wirklich da. Unsere Umgebung wird diesen Verlust der Gemeinschaft, der Biodiversität und der notwendigen Mechanismen des Ökosystems nur noch weiter vorantreiben. Und das ist eine Gefahr für die Erde und ihre Bewohner."

– Selena Ahmed, Dozentin in den Fächern Nachhaltiges Essen sowie Bioenergie und Leiterin des Translational Biomarkers Cores an der Montana State University

"Wegen unserer Unfähigkeit, vorausschauend zu denken, bewegen wir uns auf eine dystopische Zukunft zu"

25. "👥👥👥👥 🔁 🅾️🦎 ◀️ ❌❌, ⌛️⏳⌛️⏳, 🚫 🆕 ➕ 🤔🍺 💡💡 🏌️ ©️ 🅾️-👣️-♑ ☮️ 🔛 🌍🌎🌏."

– Carla Gannis, Künstlerin und Dozentin im Fach Digitale Kunst am New Yorker Pratt Institute


Video: Zu Besuch im arktischen Bunker, der das menschliche Überleben sichern soll


26. "Wegen unserer Unfähigkeit, vorausschauend zu denken, bewegen wir uns auf eine dystopische Zukunft zu, die wir schon in aktuellen Science-Fiction-Filmen wie Mad Max: Fury Road oder Elysium gesehen haben. Das Ganze macht mir vor allem deswegen Sorgen, weil ich jüngere Geschwister habe."

– Asia Murphy, Naturfotografin, Autorin und Doktorandin im Fach Ökologie an der Pennsylvania State University

27. "Ich verbringe die meiste Zeit meines Tages damit, über die Entstehung, die Existenz und das Ende des Universums nachzudenken. Ob ich mir bezüglich der Zukunft Sorgen mache? Nein."

– Robert Caldwell, theoretischer Physiker und Professor für Physik und Astronomie am Dartmouth College

Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter

Dieser Artikel ist in voller Länge zuerst auf der englischsprachigen Seite von Motherboard erschienen.