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Diese Idee verändert für immer, was ihr auf Facebook tut

Ein Start-up-Gründer hat einen radikalen Vorschlag, der Facebook auf den Kopf stellen und den Feed zu einem besseren Ort machen könnte.
Bild: imago

Bisschen drüber, die Überschrift? Stimmt. Aber ihr könnt euch auf die Schulter klopfen: Gerade habt ihr schon eine der Hürden genommen, die die meisten Nutzer im Netz gar nicht mehr bewältigen: Auf einen Artikel klicken, um ihn zu lesen. Danke dafür.

Sechs von zehn Lesern kennen die Artikel nämlich überhaupt nicht mehr, die sie an ihre Freunde weiterleiten und mit der Welt teilen, wie eine Studie der Columbia University im Juni 2016 feststellte. Die Überschrift auf dem Artikelpost muss reichen. Und das ist ein Problem. Denn auf Facebook wird Viralität mit Reichweite belohnt, es gibt also auch für Medienhäuser einen Anreiz für verfälschende Präsentationen von Informationen—was dann eigentlich hinter dem Link steht und ob er überhaupt geklickt wird, ist erstmal zweitrangig.

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All das ist sehr ungünstig—nicht nur für die Monetarisierung von gutem Journalismus, sondern auch für die Ausbreitung von Fake News. Deshalb reden sich gerade nicht nur Politiker die Köpfe darüber heiß, wie man der Sache beikommen könnte. Während Volker Kauder schön deutsch auf Bußgeld für die Verbreitung von Fake News setzt, das „richtig weh tun" soll, hat der IT-Forscher und Unternehmer Kaleev Letaru eine ganz andere und um einiges elegantere Idee.

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Zugegeben, sie ist ein bisschen didaktisch, aber bestechend einfach: Was wäre, wenn dich Twitter und Facebook zwingen würden, einen Artikel wirklich zu lesen, bevor du ihn teilst? Diesen Vorschlag präsentierte der Start-up-Gründer und Dozent nun in einem Beitrag auf Forbes.

Bevor ein beliebiger Quatsch-Artikel weiterverbreitet würde, könnte jeder Nutzer in einem Pop-up informiert werden, wie lange andere Leser Zeit auf dem Artikel verbringen.

Letaru schwebt dafür ein Farbsystem auf Facebook vor, das anzeigt, wie lange es andere Leser auf dem Artikel hinter dem Link gehalten hat: Wenn die meisten Nutzer in den ersten Sekunden nach dem Klick fliehen, bekäme der Facebook-Post eine rote Ampel, überfliegen die Nutzer immerhin ein paar Absätze grob, gäbe es orange. Grün würde also bedeuten: Diesen Artikel lesen Menschen gründlich bis zum Ende.

Wer jetzt denkt, dass diese Idee deshalb völlig bescheuert ist, weil sie sich niemals technisch umsetzen ließ, der sollte die Reichweite der Tracking-Tentakel nicht unterschätzen, mit denen Facebook das Verhalten seiner Nutzer weit über die eigene Plattform heraus verfolgt. Denn mit der Auswertung von Tracking-Daten versucht Facebook bereits, Clickbait-Artikel abzuwerten und sie weniger prominent im eigenen Algorithmus zu platzieren. Ein Facebook-Tracker auf jeder Website erzählt dem Netzwerk, ob ein Nutzer den Artikel nach einer reißerischen Überschrift sofort wieder enttäuscht verlässt, nachdem er auf den Post geklickt hat.

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Bedeutet: Facebook hat die Technik schon und benutzt sie auch, um manche Posts abzuwerten, die Menschen nicht interessieren—allerdings ist dieser Mechanismus bislang, wie so vieles bei Facebook, nicht öffentlich nachvollziehbar.

Zweitens hat so gut wie jede größere Medienseite mittlerweile sogenannte Beacons: kleine Zählpixel, die mit Hilfe von Javascript nicht nur registrieren, wenn jemand eine Seite aufruft, sondern auch feststellen, ob ein Leser nur faul ans Ende des Artikels gescrollt hat, beim ersten Absatz ausgestiegen ist oder ihn tatsächlich zu Ende gelesen hat. Oft wird der Fortschritt auch dem Leser durch Balken oder irgendeine andere Grafik angezeigt.

Ein Scoring-System könnte dann bei jedem Facebook-Post nicht nur darstellen, ob die meisten Nutzer den Artikel vor dem teilen gar nicht gelesen haben, sondern auch, ob der eigene Freundes- oder Kollegenkreis sich für einen spezifischen Artikel mehr interessiert als andere Menschen (was dafür sorgen würde, das Nischenthemen von einer solchen Sharing-Disziplinierungsmaßnahme nicht abgewertet würden).

Nutzer würden angehalten, Artikel zu lesen und „darüber nachzudenken, welche Informationen sie konsumieren, bevor sie diese blind mit dem Rest der Welt teilen", heißt es auf Forbes. Leeratu geht sogar noch einen Schritt weiter und erträumt sich eine Welt, in der dir Facebook verbieten würde, einen Artikel zu teilen, ohne ein kurzes Quiz über die Kernpunkte des Artikels zu beantworten. Allerdings gibt er selbst zu, dass eine derartige Schulmeister-Strenge einem Kernprinzip Sozialer Medien zuwiderlaufen würde: Das reibungslose Teilen mit einem Klick, das die Verbreitung von Meinung und Informationen so attraktiv macht.

Bleibt die Frage: Was hätten wir davon, wenn diese Art von Technologie zum Mainstream wird? Clickbait würde eingedämmt, die Verbreitung von fabrizierten Meldungen vielleicht auch. Im schlimmsten Fall würden sowieso gesammelte Daten dafür benutzt, die Nutzer einer Plattform ganz selbstverständlich zu mehr Medienkompetenz zu verhelfen.

Und das wäre doch wunderschön.