FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Nach Schüssen auf Gamer bei Swatting drohen einem Täter bis zu 20 Jahre Haft

Erst nachdem die Polizei dem Gamer Gummikugeln zwischen die Augen schoss und ihm mehrere Gesichtsknochen brach, merkte sie, dass sie keinen Terroristen vor sich hatte.
Bild: Screenshot | ABC7

Swatting ist längst zu einem globalen Phänomen geworden. In gefakten Notrufen wird den Opfern ein SWAT-Team auf den Hals gehetzt, teilweise aus vielen Kilometern Entfernung. Häufig sind die Opfer YouTuber oder Gamer, die ahnungslos zuhause sitzen, Videospiele zocken und diese gerade live ins Internet streamen. Auch in Deutschland gab es schon eine solche Aktion gegen den YouTuber Drachenlord – dem Anrufer blüht mittlerweile eine mehrjährige Haftstrafe.

Anzeige

Wie hoch die Gefahr durch Swatting tatsächlich sein kann, musste ein Gamer aus dem US-Bundesstaat Maryland erfahren: Ihm wurde 2015 eine Anti-Terror-Einheit ins Haus geschickt, die ihn mit Gummikugeln buchstäblich zusammenschoss und verprügelte. Veranlasst hatte die Razzia ein 21-Jähriger aus dem britischen Coventry – aus knapp 6.000 Kilometer Entfernung. Gegen ihn ermittelt die US-Justizbehörde, unter anderem wegen „schwerer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit".

Laut den bisherigen Erkenntnissen der Polizei soll Robert M. eine Terrorismus-Hotline im US-Bundesstaat Maryland angerufen und behauptet haben, von einem Terroristen namens Tyran D. zu wissen. Tyran D., der eigentlich Gamer ist, soll mit einer Pistole und mehreren Beuteln Sprengstoff bewaffnet sein, außerdem drei Geiseln bei sich haben, so M. gegenüber der Anti-Terror-Hotline. Er würde die Geiseln töten, wenn ihm nicht bald 15.000 Dollar in einer roten Tasche übergeben werden. Ob Tyran während des Anrufes gerade einen Livestream aufnahm, in dem das SWAT-Team dann möglicherweise zu sehen gewesen wäre, ist nicht bekannt.

Am anderen Ende der Leitung fackelte man nicht lange. Wenig später stürmten bewaffnete Spezialkräfte der Polizei die Wohnung von Tyran D., schossen ihm mit Gummikugeln zwischen die Augen und in die Brust, brachen ihm Gesichtsknochen und verletzten seine Lunge. Ein Foto, das nach der Razzia aufgenommen wurde, zeigen das Opfer mit seinem blutigen, gequetschten Gesicht.

Anzeige

Wann die Anti-Terror-Jäger begriffen, dass sie keinen Terroristen, sondern einen unschuldigen Jungen krankenhausreif geschlagen haben, ist indes nicht überliefert. Die offizielle Version, so wie sie der britische Independent schildert, lautet: Nachdem sie ihren Fehler bemerkt hatten, verfolgten die Ermittler den Anruf zurück und konnten ihn letztlich aufspüren.

Der mutmaßliche Fake-Anrufer Robert M. wird bald vor einem US-Gericht unter anderem wegen einer „Verschwörung zur Herstellung falscher Informationen" verklagt. Die Höchststrafe hierfür liegt bei 20 Jahren.

Laut der US-Justizbehörde war Robert M. jedoch nur Erfüllungsgehilfe eines amerikanischen Gamers. Zachary L. hatte den Briten im Jahr 2015 über einen Online-Telefonservice kontaktiert und ihn gebeten, ihm beim Swatten zu helfen. Auch L. muss sich nun vor Gericht verantworten.

Das Opfer beklagt sich unterdessen in einem Interview mit dem US-Sender ABC7, warum die Polizisten ihm erst Gummikugeln ins Gesicht schossen und ihm mehrere Knochen brachen, bevor sie prüften, wen sie überhaupt vor sich haben. Eine berechtigte Frage.

Offenbar ignorierten die Polizisten den Vater des Opfers, der ihnen sagte, dass einer der angeblichen Geiseln gerade schläft und dass es keine Geiselnahme gebe. Bevor sie das Zimmer des Opfers stürmten, habe der Vater sie gefragt: „Was wollt ihr tun? Meinen Sohn umbringen?" Die Beamten hätten ihm nur geantwortet: „Es ist ernst. Wir müssen da hoch."

Im Interview mit ABC7 sagt Tyran D. mit zittriger Stimme, sichtlich noch unter Schock stehend: „Wie kommt es, dass [die Polizei] den Anruf nicht zurückverfolgt hat? Warum habt ihr nicht herausgefunden, woher das kam? Ich möchte Gerechtigkeit. Ich möchte, dass derjenige, der mir das angetan hat, seine Zeit absitzt."