Suche Bitcoin, biete Fake-ID: Das Geschäft mit illegalen Ausweisen im Deepweb
Ein Schnäppchen aus dem Deepweb—aber auch eins, mit dem man über Grenzen kommt?

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Suche Bitcoin, biete Fake-ID: Das Geschäft mit illegalen Ausweisen im Deepweb

Wie einfach ist es, sich im Deepweb eine neue Identität zu bestellen?

Alle Bilder: Screenshot Motherboard

Man muss nicht papierlos sein, um eine neue Identität gut gebrauchen zu können. Und man muss nicht zwangsläufig den eigenen Vorrat an verschreibungspflichtigen Medikamenten oder Waffen aufstocken wollen, um im Deepweb zum Käufer zu werden. Auch Mörder, Betrüger und Menschen, die aus verschiedensten Gründen dringend abtauchen müssen, haben im Darknet dank der Angebotsspanne auf einschlägigen Marktplätzen eine attraktive Auswahl an komplett gefälschten Papieren.

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Aber wie glaubwürdig sind die Produkte der Deepweb-Fälscher und was behaupten die Verkäufer, zu leisten? Ist es also dank des Online-Schwarzmarktes tatsächlich so einfach, zu einem falschen Syrer oder falschem Deutschen zu werden? Wir haben uns im Deepweb umgeschaut und mit Deutschlands bestem Dokumentenprüfer gesprochen, um die Qualität der angebotenen Fake-Ausweise einschätzen zu können.

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Die meisten Online-Ausweisfälschungen bewegen sich in niedrigeren Preissegment und sind gefälschte Scans, mit denen man zum Beispiel in einen Club kommen soll. (Der Trick, den die Kollegen von Thump schon sehr schön beschrieben haben, funktioniert dann so: Du gehst mit dem gefälschten Scan zum Türsteher und behauptest, du hättest deinen Ausweis zu Hause gelassen, damit er nicht verloren geht. Ja, natürlich ist auch das schon illegal.)

Die Daten, die du den Ausweisfälschern nicht zuschickst, werden zufällig generiert, so lange du keine vollständigen Wunschangaben machst. Einen Scan eines italienischen Passes gibt es zum Beispiel schon für sage und schreibe einen Euro. Dafür benutzen die Fälscher Photoshop-Vorlagen, in die dann einfach die gewünschten Daten eingetragen werden können. Die nächsthöhere Preisstufe stellen die Vorlagen selbst da.

Auf einer einschlägig bekannten Kleingangsterwebsite tauschen sich die Mitglieder auch darüber aus, wie man den maschinenlesbaren Teil eines deutschen Personalausweises am Computer gestaltet, so dass eine Fälschung nicht sofort auffliegt. Wie berechnet man zum Bespiel die Codes auf der Rückseite des Ausweises? „Falls du einen Generator für die Nummer suchst, kannste bei mir für 15Euro BTC kaufen ;)", schreibt einer geschäftstüchtig—in Wirklichkeit ist es viel einfacher.

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Für komplett neue Papiere begeben wir uns ins Deepweb. Der Handel mit illegalen Ausweisen macht zwar nur einen geringen Teil des Netzwerkes aus, das vor allem auch als essentielles Tool für eine freie und demokratische Internet-Kommunikation dient—gleichzeitig ist der Verkauf von Pässen und Ausweisen einer der Handelszweige im Darknet, gegen den die Polizei noch immer weitgehend machtlos ist.

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Auf den vier Online-Schwarzmärkten, auf denen ich nach gefälschten Ausweisen gesucht habe, gab es jeweils einen bunten Strauß an Angeboten quer durch alle Nationalitäten—allerdings mit einem Fokus auf US-Führerscheine aller Bundesstaaten, denn die scheinen nicht nur einfach zu fälschen zu sein, in den Vereinigten Staaten herrscht auch keine Ausweispflicht wie bei uns.

Für einen deutschen Ausweis muss man zumeist mindestens 300 Euro in Bitcoin auf den Tisch legen, häufiger allerdings 600 oder mehr (das obenstehende Bild ist das günstigste Angebot, das ich gefunden habe). Denn der neue deutsche Personalausweis gehört aufgrund der Sicherheitsmerkmale zu den sichersten Identifikationsdokumenten der Welt.

„Man kann einen Ausweis nicht fälschen. Man sieht immer, wenn etwas an einem deutschen Ausweis faul ist."

Um dieses Problem zu umgehen, bieten die Händler einfach alte, laminierte Personalausweise an, die einfacher zu fälschen sind—beispielsweise, indem man ihn mit einem Skalpell aufschneidet, das Plastik aufzieht, das Foto vorsichtig wegkratzt und durch ein neues Bild in der Serviettentechnik ersetzt, bevor man das Ganze durch den Laminator schiebt. Es war nicht schwer, Details über die gefälschten Ausweise zu bekommen–die Fälscher antworten mir umgehend und höflich.

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Einer schreibt zum Beispiel:

„Wir sind extrem stolz auf unseren deutschen Fake-Personalausweis, und es ist eine ID mit einer unglaublich großen Anzahl an Sicherheitsfeatures, die sehr fortschrittlich sind—und die wir in mühevollster Kleinarbeit repliziert haben. Es gibt ein Identigramm, eine holografische Replik des Passbilds, das ihr uns zur Verfügung stellt. Die ID hat auch Wasserzeichen, die unter Schwarzlicht sichtbar werden, sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite. Die maschinenlesbare Zone (MRZ) wird korrekt auf Basis der Ausweisdaten berechnet, die ihr uns gebt und die wir einscannen werden. Das hier ist bei weitem die beste ID, die wir anbieten. Obwohl es eine alte Version ist, (ausgestellt bis 2010) sind die Ausweise noch bis 2020 gültig, was ihnen eine sehr lange Lebensspanne garantiert."

Ich frage zwei andere Verkäufer, ob ich mit ihrem Produkt auch Grenzen überqueren könnte und ob Sicherheitsmerkmale wie Hologramme auch gefälscht wüden. Ihre Antworten:

„Klar! Der ist ohne Hologramme, aber in guter Qualität und für den Preis absolut unschlagbar. Ich habe viele Kunden, die sehr gute Erfahrungen mit dem Ausweis gemacht haben. Ich habe über 300 Stück verkauft, keiner war unzufrieden."

„Ich kann dir ein Replika-Hologramm drucken, mit dem du ganz einfach Grenzen überqueren und Bankkonten eröffnen kannst, so lange du die Sprache sprichst."

Ein anderer behauptet sogar selbstbewusst:

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„Wir sind eine Informationstechnologie-Gruppe unter Mitarbeit von IATA-zertifizierten Zoll- und Einwanderungsexperten. 100% perfekte Replika mit Hologrammen und Sicherheitsmerkmalen: US, EUROPA, NAHER OSTEN, ASIEN UND AFRIKA. Wir arbeiten mit ehemaligen Zollbeamten zusammen."

Flüchtlinge scheinen nicht die Zielgruppe zu sein, wie ein weiterer Verkäufer auf meine Nachfrage hin schreibt:

„Glaube ich nicht. Die Menschen die hier kaufen, sind Kriminelle wie Mörder oder wollen bescheißen. Außerdem gibt es gefälschte Ausweise ja auch vor Ort."

Ein anderer Verkäufer auf dem Schwarzmarkt Abraxas meint:

„In Syrien sind so viele Drucker seit dem Beginn des Bürgerkriegs in die Hände der Rebellen gefallen, dass man dort oder spätestens in der Türkei sowieso alles von Schleusern kriegt."

Nur ein Verkäufer gibt sich rührig und schlägt ein politisch motiviertes Schnäppchen vor, bei dem uns beinahe ganz warm ums Herz wird:

„Aufgrund der ganzen schlimmen Probleme, die unseren syrischen Brüdern und Schwestern in den letzten Tagen widerfahren sind, haben wir uns entschlossen: Jeder, der die syrische Nationalität besitzt, irgendwo auf der Welt, kann bei uns einen syrischen Pass bestellen—für -75% der Kosten inklusive Expressversand. Dies ist kein limitiertes Angebot, nur für unsere syrischen Brüder im menschlichen Geiste. Gott segne Syrien, Gott segne die Menschlichkeit. Willkommen bei FakeMarket und mach alle deine Träume wahr."

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Um herauszufinden, wie täuschend echt gefälschte Ausweise sein können und ob der Deepweb-Handel eine merkliche Auswirkung auf das Geschäft mit Fake-Dokumenten hat, habe ich einen Frankfurter Experten angerufen. Peter Hessel, der früher schon manisch Finde-den-Fehler in Kinderzeitschriften gespielt hat, hat die Dokumentenprüfstelle der Polizei in Frankfurt aufgebaut und auch die Sicherheitsmerkmale des neuen Personalausweises im Scheckkartenformat mitentwickelt. Er kennt die Tricks der Fälscher und ist sich sicher: „Man kann einen Ausweis nicht fälschen. Man sieht immer, wenn etwas an einem deutschen Ausweis faul ist."

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Zum Beispiel verwenden viele Fälscher Industriepapier statt Wertpapier, das dann unter einem Scanner nicht dunkel bleibt, sondern reflektiert. Das Muster kleiner Fussel im Papierbrei, die unter dem UV-Licht leuchten, darf sich nicht wiederholen. Oft sind ausgeschnittene Teile eines Originaldokuments nicht kongruent mit den Linien, auf die sie aufgeklebt wurden. Auch bei der Mikroschrift ist häufig ein Versatz zu sehen.

Viel häufiger jedoch arbeiten Fälscher mit der Schnellgläubigkeit der Menschen.

Der Künstler padeluum hat sich deswegen schon vor einiger Zeit im Rahmen des Chaos Communication Congress 2013 einen „Lichtbildausweis" gedruckt, mit dem er sogar internationale Flugreisen tätigen konnte. Oft reicht den Behörden nämlich einfach nur ein Dokument, aus dem hervorgeht, dass es irgendwie offiziell aussieht und ein Name sowie ein Foto darauf zu sehen sind. „Menschen sind ja sehr leichtgläubig, und wenn der hinreichend gut ist, passt das", sagt er Phillip Banse bei dctp.

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Das kann auch Hessel bestätigen:

„Wenn man einen Ausweis missbrauchen will, dann passiert das immer im Ausstellungsland selbst, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Gerade kürzlich hatte ich einen Fall, bei dem jemand sich mit einem falschen Personalausweis bei IKEA eine 20.000 Euro teure Küche erschlichen hat." Häufiger jedoch hat er es mit Schwerkriminellen zu tun, die ihre Identität verschleiern wollen.

„Mir ist nichts mehr fremd", sagt Peter Hessel, der sich gerade auf dem Weg zu einer Geldwäschetagung befand, als ich ihn telefonisch erreichte. „In den letzten Jahren sind die Methoden natürlich immer ausgefeilter geworden." Hessel kennt fast jeden Ausweis, den es auf der Welt gibt. Er glaubt, dass er noch immer jede Fälschung erkennen kann, „wenn ich die richtigen Werkzeuge da habe"; in diesem Fall spezielle Lupen, UV-Prüfgeräte und ein Mikroskop.

Hessel glaubt allerdings, dass die Fälscherkriminalität sich mittlerweile verstärkt abseits von Grenzen abspielt: An den Erstaufnahmeeinrichtungen, wo Menschen entkräftet und müde manchmal tagelang warten müssen, bis sie zur Registrierung vorgelassen werden. Denn Vorrang haben Syrer: Sie werden schneller registriert, dürfen ihre Familien zügiger nachholen, bekommen in fast 100% aller Fälle Asyl und können schneller arbeiten. Insgesamt wurden 2015 vier Prozent aller Dokumente aus den Asylverfahren gecheckt, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilt (und davon 116 Pässe beanstandet, was aber auch zum Teil auf abgelaufene Dokumente zurückzuführen war).

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Bei Kontrollen an Grenzen oder auf Baustellen stoßen Polizisten deshalb auch immer wieder auf falsche Pässe—von Januar bis Ende August 2015 wurden dabei 118 verfälschte oder gefälschte syrische Dokumente in Deutschland sichergestellt. „Das liegt aber auch daran, dass es gerade viel mehr Kontrollen gibt, zum Beispiel an den österreichisch-deutschen Grenzen", so Hessel. Die sichergestellten Ausweise wurden in nur 18 Fällen von Nicht-Syrern genutzt.

Im Bezug auf die Angebote im Darknet reagiert er gelassen: „90 Prozent" aller Angebote, so schätzt er, seien Fakes; also Betrüger, die das Geld für einen gefälschten Ausweis kassieren, ohne jemals ein Dokument zu erstellen oder zu verschicken. „Sie brauchen ja nur 1000 Arschgeigen, die auf ihre Ausweismasche für 200 Euro reinfallen, und schon haben Sie 200.000 Euro verdient." Andererseits—das wird die Verkäufer falscher echter und echter falscher Ausweise freuen—gäbe es von Seiten der deutschen Ermittler momentan auch keine Handhabe, diesen Anbietern das Handwerk zu legen.