Töte dein Telefon
Alle Bilder verwendet mit freundlicher Genehmigung von Aram Bartholl

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Tech

Töte dein Telefon

Aram Bartholl näht Taschen die den Handy-Empfang unterbrechen. Ich habe mich mit ihm über seinen letzten Workshop beim Kongress des Chaos Computer Clubs und über Selbstverteidigung gegen die NSA unterhalten.

Auf einer Veranstaltung wie dem Kongress des Chaos Computer Club ernsthaft Handys zerstören zu wollen, klingt nach einem mutigen Unterfangen. Aber der Künstler Aram Bartholl glaubt mit seinem neuen Projekt, den 8.000 versammelten stolzen Alt- und Neu-Hackern noch etwas über die Apparate beibringen zu können, was sie noch nicht wissen.

Ich habe jedenfalls selten soviele Technikenthusiasten auf einem Fleck gesehen wie auf dem 30C3 vor einigen Wochen in Hamburg. Mehr Besucher als in allen Jahren zuvor haben sich zwischen Weihnachten und Neujahr—mit allen erdenklichen Gadgets und noch mehr Fachsimpelei bewaffnet—in den wunderhässlichen Betonklotz der Kongresshalle des CCH gedrängelt.

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Befeuert von einer Greenwald- und Assange-Keynote glich die allgemeine Stimmung vor dem Hintergrund der Snowden-Affäre vor allem einem verdient-selbstzufriedenen: „haben wir immer schon gewusst". Die über-erwachsen gewordene Lan-Party war aber nicht nur die definitive Hacker-Jahresbilanz, sondern auch der ultimative Beweis, dass Besserwisser auch durchaus gute Parties schmeissen können.

Neben interessanten Talks gab es die bewährte DJ-Beschallung und einen gut ausgelasteten Themenstrang zu Kunst, Technik und Bastelei. Genau in dem Bereich fand auch der Workshop von Aram Bartholl statt, indem er seine unterhaltsam-ernsten Ratschläge verteilt hat, wie du deine Spionagesorgen mit eigener Gegentechnologie aus der Welt schaffen kannst.

Motherboard: Wie funktioniert das Unterbrechen des Handyempfangs durch deine Taschen?

Aram Bartholl: Eigentlich handelt es sich um eine einfache Handytasche, dere Stoff aber vollflächig versilbert ist. So wirkt sie wie ein Faradayscher Käfig, der dann jegliche Funkkommunikation des Gerätes unterbricht. Als Material eignet sich am besten Kupfer- oder Silber-Abschirmvlies, den jeder eigentlich einfach im Internet bestellen kann. Das ganze schützt auch gegen RFID-Chips, die mit niedrigeren Frequenzen arbeiten. Gegen starke, nahegelegene W-Lan Funkwellen empfehle ich einfach einen doppelte Schutzhülle.

Eine Tasche ist ein uraltes Werkzeug, aber in diesem Fall macht sie unsere komplexen Geräte, um eine sinnvolle Option reicher, die sie sonst gar nicht mehr bieten.

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Wie bist du auf die Idee für das Projekt gekommen?

Wenn du die Handys von heute ausschaltest, weißt du gar nicht, ob das Gerät wirklich nichts mehr empfängt und sendet. Die Akkus kann man häufig nicht mehr raus nehmen. Und wenn du es ausschaltest, funktioniert der Wecker trotzdem noch.

Auch welche Funktionen im Flugmodus deaktiviert sind und welche aktiv sind, ist für den einfachen Nutzer nicht mehr wirklich zu durchschauen.

[Nachtrag: Tatsächlich zeigten Hinweise von Edward Snowden und die Arbeit einiger iPhone-Hacker, dass die NSA durchaus in der Lage ist, das Ausschalten eines Smartphones zu umgehen. Mit einem Trick sorgen sie dafür, dass das Handy trotz eines Herunterfahrens des Nutzers eingeschaltet bleibt und somit auch weiterhin die Umgebung belauschen kann.]

Silver Cell ist eigentlich ein fast 10 Jahre alt Projekt. Als mobiles Funkloch, hatte ich schon damals den Sicherheitsaspekt im Sinn, aber im Rahmen von Merkels Handygate, dachte ich mir, dass ich eben noch einmal einen Workshop dazu veranstalte. Mir ging es darum das Thema Funkwellen und Konnektivität wirklich physisch erfahrbar zu machen—durch die Negation wenn man so will.

Wie wurde deine Arbeit denn von den Hackern und Besuchern beim CCC-Kongress aufgenommen?

Das schöne ist ja, dass du an so einem Workshop-Tisch tatsächlich nochmal alle Meinungen zu hören kriegst. Es gibt Leute die darüber schmunzeln, und es gibt Leute die das ganze sehr ernst nehmen.

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So ein Workshop macht mir einfach auch wegen der sozialen Interaktion Spaß. Ich habe zum Beispiel einen Hacker getroffen, der die Tasche kaufen wollte. Als Ware biete ich die Tasche aber nur zu Kunstmarktpreisen für mehrer Hundert Euro an, aber zum Selbernähen lade ich jeden ein, der Materialkosten und ein bisschen Zeit aufbringen mag. Der Kerl hat sich dann verdutzt vor die Nähmaschine gesetzt und ich habe ihm erklärt, wie man den Faden einfädelt. Ich meine, dieses Gerät ist zwar ein altes Stück Technologiegeschichte, aber es lohnt sich immer noch es zu beherrschen.

Den Titel des Workshops Kill Your Phone meine ich natürlich auch mit einem Augenzwinkern. Wir sind ja abhängig von diesen Geräten. Wir tragen diese Dinger mit uns rum. Ein Körperkontakt, den man unbedingt haben will, aber der einem im Lichte der Snowden-Enthüllungen vielleicht inzwischen auch unheimlich ist.

Kommt es für dich selber in Frage kein Handy zu benutzen?

Ich nutze mein Telefon ehrlich gesagt so weiter wie bisher. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es teilweise kein zurück mehr gibt. Wir alle geben den großen Internetdiensten unsere Daten, und da bin ich nicht anders, auch wenn ich natürlich schon versuche, so wenig wie möglich Google zu benutzen, und mich auf alternativen Wegen durch das Internet zu schlagen.

Einfach aussteigen ist ja keine Lösung. Genau deshalb ist es aber so wichtig die aktuellen Entwicklungen mit sinnvollen Gegenmaßnahmen in Frage zu stellen. Aber gänzlich ohne Telefon zu leben kommt für mich nicht in Frage. Als ich kürzlich mein Handy in die Reperatur gegeben habe, und dann einen halben Tage ohne Mobiltelefon auskommen musst, war das vor allem eine ziemlich spezielle und eigenartige Selbsterfahrung.

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Du arbeitest schon länger mit medienkritschen Arbeiten. Haben sich die Reaktionen auf deine Werke verändert?

Die Aufmerksamkeit für meine Arbeiten hat sich schon gewandelt. Ich habe die Tasche zum Beispiel schon auf dem CCC Kongress vor zehn Jahren mit mir rumgetragen. Es hat natürlich in solchen Kreisen schon immer Leute gegeben, die genau wussten, was alles möglich ist. Im Security-Bereich, in Diplomatenkreisen und auch in Fällen von Wirtschaftspionage ist Telefonüberwachung schon lange ein Thema. In manche Firmen kommst du zum Beispiel mit Handy gar nicht mehr rein. In diesem Jahr hat sich durch Snowden und die ganzen Enthüllungen der Blick der Allgemeinheit auf das Thema noch einmal geschärft.

Ich kriege zum Beispiel heute einfach mehr Aufmerksamkeit für einige meiner Projekte. Zu meiner Arbeit Dead Drops, den im urbanen Raum einbetonierten USB-Sticks, kontaktieren mich inzwischen Journalisten und wollen wissen, ob ich da schonmal geheime Dokumente drauf gefunden habe.

Silver Cell von Aram Bartholl auf Vimeo.

Hast du noch andere Tricks auf Lage für den selbstgebastelten Telefontod?

Ich stelle bei meinem Workshop auch immer einen Hammer zur Verfügung—sozusagen für die Kurzschlusshandlung.

Außerdem habe ich auch eine Anti-Abhör-Einrichtung entwickelt. Denn wenn ein Handy durch einen Hack kompromittiert ist, dann kann beispielsweise das Mikrofon als Wanze missbraucht werden, ohne dass es der Besitzer merkt. Wenn Merkel also z.B. mit ihrem extra gesicherten Krypto-Handy telefoniert, aber ihr reguläres Handy daneben auf dem Tisch liegt, dann wird sie so abgehört. So funktionert die Gesprächsaufzeichnung häufig in der Welt der Geheimdienste. Und gegen die modernen Mikrofone eine wirksame Isolierung zu entwickeln ist gar nicht so einfach.

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Wie hast du es geschafft ein Handy akustisch von der Außenwelt abzuschotten?

Meine akustische Isolierung funktioniert mit mechanischen Mitteln. Das Handy wird in zwei ineinandergeschoben Rohre gepackt, und dann nochmal mit Schaumstoff isoliert. Klar man kann das Handy auch in ein Einmachglas stecken, das funktioniert so einigermaßen, aber eben auch nicht vollständig. Es ist gar nicht so einfach ein Mobiltelefone taub zu machen.

Du musst das mal ausprobieren. Wenn du dein Handy in die Tasche steckst, wirst du erstaunt sein, wieviel es immer noch aufzeichnet. Das hört immer was. Wie schwer ist es tatsächlich ist, dieses komplexe Gerät einfach außer Gefecht zu setzen ist schon beeindruckend.

Aram hat im Herbst diesen Jahres eine Einzelausstellung in der Berliner DAM Gallerie. Weitere Termine finden sich auch hier.

Aram Bartholl wird Vertreten durch:

DAM Gallery Berlin http://dam-gallery.de/
XPO Gallery Paris http://xpogallery.com/