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Wie ein Obdachloser sich die Entwicklung von 2 Kickstarter-Designern erschwatzte

Der Obdachlose Joe bringt zwei Fashion-Techniker in Albuquerque auf eine ganz neue soziale Anwendungsmöglichkeit ihres vollständig geschlossenen Privatsphären-Pullovers.
Obdachloser im Pullischutz. | Bild: Avid Union. Mit freundlicher Genehmigung.

Es war ein ganz normaler Videodreh für eine First World-Kickstarter-Kampagne. Ein paar Kleidungsdesigner filmten für ihr Unternehmen Avid Union Szenen für ihre neuste Entwicklung The Visor, ein Kapuzenpulli mit Gesichtsverhüllung. Ihre Entwicklung sollte die perfekte Lösung für ein wenig Privatsphäre in überfüllten U-Bahnen, Großraumbüros und beim Einkaufen im Supermarkt nach Feierabend sein: Zieh den Reißverschluss zu und die Außwenwelt ist ausgeschlossen.

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Doch manchmal, wenn du jenseits deiner Bürotür agierst, entwickeln sich Dinge, die deine Ideen in eine ganz neue Richtung lenken. Und siehe da: Während der Aufnahmen in Albuquerque kam ein Obdachloser auf die Kickstarter zu, um sie direkt zu fragen, ob er auch so einen Pulli haben könnte.

Der Obdachlose mit Namen Joe meinte, dass die Entwicklung der Kleidungstechniker genau das wäre, was er in seinem wenig privaten Leben noch brauche—ein warmer Pullover, in dem er sich verstecken und einfach mal die Tür zu machen könne. Ein Leben auf der Straße hält ansonsten einfach nicht viel Privatsphäre parat.

Joe in The Visor. | Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Avid Union.

Die Jungs von Avid Union schenkten Joe ein Exemplar von The Visor. Unter der Bedingung, dass er sie über seine Erfahrungen mit dem Pulli auf dem Laufenden halten solle, denn wie sie mir am Telefon erzählten, waren sie zu dem Zeitpunkt ohnehin gerade in der Betaphase. Joe gab gerne sein Feedback und obwohl er er nicht viele Verbesserungen vorzuschlagen hatte, konnten die beiden Designern Hsi und Steve durch ihn noch weitere Obdachlose auf den Straßen von Albuquerque kennenlernen.

So entwickelte sich ein stylischer Fashionartikel ganz nebenbei zu einem philantropischen Produkt für das angenehmere Überleben auf der Straße. Avid Union weitete daraufhin das Betatesting noch auf sieben weitere Obdachlose aus. „Eigentlich wollte ich mit allen von ihnen in Kontakt bleiben, habe es jedoch nur bei vieren geschafft.", erzählte mir Steven Yu von Avid Union später per E-Mail. „Es ist ziemlich schwierig, diese Leute aufzufinden. Nur manche haben Telefone und oft fehlt ihnen das Guthaben oder sie gehen gar nicht ran, weil sie Angst vor zu viel Aufmerksamkeit haben und sich gleichzeitig für ihre Situation schämen."

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Andere wiederum sind enthusiastische Unterstützer des Projektes wie Cristina und „Falcon", berichtete mir Steve: „Cristina macht mit Perlen verziertes Kunsthandwerk. Sie ist ganz begeistert von dem Visor. Die Kapuze über ihrem Gesicht gibt ihr Privatsphäre und sie erkennt trotzdem noch die Nadel und die die Löcher.", freut sich Steven Yu über die glückliche Testerin. „Falcon regte in seinem Feedback dazu an, die Gewebemaschen zu erweitern, um noch besser hören zu können."

Cristina bei der anonymen Perlenarbeit.

Die Kickstarter-Kampagne der Macher läuft inzwischen seit einigen Tagen. Wenn mindestens 15.000 Dollar zusammen kommen, geht das Kleidungsstück in die Produktion. Doch da bis jetzt schon über 10.000 Dollar gesammelt werden konnten und noch 37 Tage übrig sind, sieht es nicht so schlecht aus für einen The Visor von der Stange.

„Es ist nicht das erste philantropische Produkt mit dem wir uns beschäftigen", betonte Steven Yu am Telefon. Möglicherweise will er den Vorwurf, einer Promo-Aktion mit Obdachlosen von vornherein aus dem Weg räumen. Der Anspruch von Avid Union ist eine Verbindung von Technologie, Fashion und Sozialem. Aus den Verkaufserlösen ihrer Modelinie Core zum Beispiel spenden sie 20 Prozent an Umweltschutzinitiativen.

Steven Yu zielt mit seiner Entwicklung aber nicht nur auf Outdoorfreunde, sondern auch auf Horrortrashfans:

Die Technokapuze ist außerdem unverzichtbar in unwirtlichen, windigen, staubigen, eisigen Tagen sowie bei nuklearen Katastrophen und Zombie-Invasionen.

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Menschen, die schon bei Rollkragenpollovern in Panik geraten, denen sei gesagt, das Material im Kopfbereich ist besonders dünn und angenehm, so dass weder Hören noch Sehen eingeschränkt sind. Jedenfalls nicht übermäßig stark, so die Entwickler. Auch das Atmen soll problemlos möglich sein, was natürlich eine beruhigende Information ist. Eine weitere Besonderheit sind die Ninja-Armstulpen und das besonders leichte Mikrofasermaterial.

Für jeweils zwölf verkaufte Pullis spendet Avid Union ein Exemplar an einen Obdachlosen in Albuquerque. „Leider ist es bei Kickstarter verboten, für wohltätige Zwecke zu sammeln.", erklärt Steven Yu. „Deswegen mussten wir den Weg „einer für zwölf" einschlagen, der eng an die Verkäufe unseres Unternehmens gebunden ist.

Wer sich jetzt nach weniger Augenkontakt sehnt, kann den Charity-Pulli bei Kickstarter unterstützen. Und da Avid Union ihre sozialen und futuristischen Ansprüche zusammenbringen, wartet The Visor selbstverständlich auch mit einer Virtual Reality-Einbindung auf.