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Wie ein österreichisches Start-up ein Öko-Bike entwickelt

Kommt der Öko-Easy-Rider des 21. Jahrhunderts aus Oberösterreich?
​Foto mit freundlicher Genehmigung von Johammer e-mobility

Im Buch „Die Welt in 100 Jahren", das um 1910 geschrieben wurde, zerbrechen sich kluge Männer und Frauen aus verschiedensten Disziplinen ihre Köpfe darüber, wie die Welt um das Jahr 2010 aussehen könnte. Neben abstrusen Prognosen zur Rolle der Frau, dem zukünftigen Stellenwert von „Kolonien" und prophezeiten Bildtelefonen an der Hutkrempe gibt es hier auch einige überraschend treffsichere Kapitel, die nicht nur Mobilfunk und Internet, sondern auch Solarenergie und generell den Stellenwert von Strom richtig vorhergesagt haben.

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Tatsächlich hat der ökologisch und pragmatisch gesinnte Early-Adopter zumindest im Mobilitätsbereich im Jahr 2015 einige Optionen: statt zum privaten Zeppelin greift er dann halt eher zum Vehikel mit Elektromotor. Neben dem von Tech-Visionär ​Elon Musk gegründeten Tesla Motors und den etablierten Big-Playern der Automobil-Branche will sich nun auch das seit 2014 aktive Startup Johammer e-mobility aus Bad Leonfelden in Österreich an einer Marktumwälzung beteiligen.

Es sind kleine Fortschritte wie diese, die angesichts der ​riesigen ökologischen Probleme, die uns die Industrialisierung eigebrockt hat, heute bitter nötig sind.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Johammer e-mobility

Gestartet wurde das Projekt im Jahr 2010, als Johann Hammerschmid, Geschäftsführer von Johammer und Gründer des Schwesterunternehmens Hammerschmid Maschinenbau, die Idee zu einem nachhaltigen E-Bike hatte. „Eine enge Verflechtung der beiden Unternehmen besteht nach wie vor", erzählte mir Lukas Geymayer, der für die Unternehmenskommunikation zuständig ist. „Hammerschmid Maschinenbau bietet in seinem Kerngeschäft maßgeschneiderte Lösungen im Spezialmaschinenbau und der Produktionsfertigung, davon profitieren wir bei Johammer natürlich."

Mittlerweile arbeiten rund 40 Mitarbeiter am gemeinsamen Standort im oberösterreichischen Rohrbach. Aber auch die Produktionsbedingungen spielen bei Johammer eine Rolle: „Es muss möglich sein, hier in Europa ein modernes Produkt zu entwickeln, zu produzieren, zu vermarkten und am Ende auch wieder zu entsorgen", so Johann Hammerschmid.

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Als Branchen-Neueinsteiger ist es beachtlich, wie wenig auf bestehende Technologien und Patente bei der Entwicklung von Johammer J1 zurückgegriffen wurde. „Beim Akkupack, dem Batterie-Managementsystem, der Bordelektronik und dem Spiegel mit Displayfunktion handelt es sich durchwegs um Eigenentwicklungen", so Geymayer. „Der Elektromotor und der zugehörige Regler wurden aber in Zusammenarbeit mit anderen Firmen entwickelt–Barleben GmbH und Piktronik."

Besonders spannend und gleichzeitig futuristisch sind die beiden Seitenspiegel, in denen jeweils Displays verbaut sind: „In unseren ersten Prototypen hatten wir gewöhnliche Digitaltachos. Bei den Probefahrten wurde uns bewusst, dass es cool wäre, wenn wir die Anzeigen ständig im Sichtbereich haben könnten. So kamen wir auf die Anzeigen in den Spiegeln", sagt Geymayer. Im linken Spiegel sind Geschwindigkeit, Tages- und Gesamtkilometer sowie die Blinkerkontrollleuchte zu sehen. Rechts sind für den E-Motor relevante Daten zu finden: der Ladestatus des Akkus, die prognostizierte Reichweite oder die Temperatur. Der Lesbarkeit tut die extravagante Platzierung keinen Abbruch, sowohl bei Sonnenschein als auch in der Nacht sind die Digitalanzeigen leicht ablesbar und stören auch nicht beim Zurückblicken.

Der Johammer J1 ist in zwei Modellen verfügbar: Als J1.150 mit einer Reichweite von 150 Kilometern, einer Akkukapazität von 8,3 kWh und einem Gewicht von 159 Kilogramm. Die Variante J1.200 hat mit 12,7 kWh einen leistungsfähigeren Akku und ist mit 178 Kilogramm schwerer. Die Reichweiten-Angaben sind laut Geymayer aber nicht in Stein gemeisselt: „Wir stapeln eher tief. Nach den standardisierten Tests im Rahmen des WLTC schaffen wir mit dem J1.200 auf Landstraßen 200 Kilometer, im Stadt-Verkehr sogar bis zu 320 Kilometer. Natürlich reduziert sich die Reichweite bei hoher Geschwindigkeit. Der Luftwiderstand nimmt mit der Geschwindigkeit im Quadrat zu–das kostet eben Energie."

Foto mit freundlicher Genehmigung von Johammer e-mobility

Auch in Sachen Beschleunigung, Ladedauer und Preis gibt es Unterschiede: der J1.150 beschleunigt in sieben Sekunden von 50 auf 100 km/h, die ausdauerndere Variante braucht dafür acht Sekunden. Beide Varianten erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von 120 km/h und sind bei diesem Punkt abgeriegelt. Bis der Akku über eine gewöhnliche Schuko-Steckdose mit 230 Volt auf 80 Prozent geladen ist, vergehen beim J1.150 2,5 Stunden, beim J1.200 3,5 Stunden. Der Verkaufspreis beträgt beim J1.150 23.000 und bei der größeren Variante 25.000 Euro. Optisch und in Sachen Ausstattung sind aber beide Modelle gleich.

Beim Motorrad-Händler um die Ecke wirst du einen Johammer J1 aber nicht so einfach kaufen können. „Da wir nur geringe Stückzahlen herstellen, läuft der Vertrieb über uns. Mittlerweile haben wir ein paar Partner, die uns unterstützen. Ein konventionelles Händlernetz ist für diese Stückzahlen aber nicht denkbar", sagt Lukas Geymayer. Und hinter den Kulissen tüfteln die Motorradliebhaber schon an einem weiteren Modell.

Raphael Schön auf Twitter: ​@raphschoen