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Die Mathematik vom Ende der Menschheit

Eine Studie belegt, dass alle Hochkulturen unter den gleichen Faktoren zusammen brechen—und wir befinden uns gerade an einem solchen Punkt.
Erde
Bild: Gerd Altmann, Pixabay | Public Domain

Wenn Mathematik schon Massenaufstände vorhersagen kann, dann erwarte ich auch, dass sie endlich mal eindeutig die Katastrophe errechnet auf die unsere Zivilisation zusteuert: Die Ausbeutung der fossilen Brennstoffe, die Vermüllung der Meere, Massentierhaltung, Genmais, Überbevölkerung, Abschmelzen der Polkappen, Überwachungsskandale, Cyberkriege, Fast Food, Billigflieger und in Plastik verpackte Bananen. Als naturbegabte Pessimistin sehe ich sowieso schon seit Jahren jeden Dezember die apokalyptischen Reiter die Weihnachtsgeschenke bringen.

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Und meine negative Weltsicht ist kein individuelles Problem, denn auch die NASA kann aus Sorge wohl manchmal nicht schlafen. Eine aktuelle Studie, finanziert vom NASA Goddard Flight Center, lieferte nun hieb und stichfeste Formeln die beweisen sollen, dass unsere Zivilisation in den nächsten Jahrzehnten kollabieren wird.

Die Studie basiert auf einem neuen transdisziplinären Rechenmodell mit dem schönen Namen HANDY (für: 'Human And Nature DYnamical') und wurde federführend von dem angewandten Mathematiker Safa Motesharrei durchgeführt. Die beteiligten Soziologen, Ökologen und Mathematiker bestätigten, dass komplexe, fortschrittliche und kreative Hochkulturen zum Untergehen verdammt sind. „Die Geschichte zeigt, dass Aufstieg und Kollaps immer wiederkehrende Prozess sind", heißt es in der Forschungsarbeit. Formeln gegen das Dilemma gibt es leider keine.

Die Geschichte der Menschheit zeigt immer wieder das gleiche Modell. Wenn bestimmte Variablen kollabieren, dann steht ein Zusammenbruch bevor. Für die Studie griffen sich die Forscher vom National Socio-Environmental Synthesis Center die fünf Risikofaktoren heraus, mit denen sie Rückschlüsse auf die Stabilität der Bevölkerung ziehen konnten: Klimawandel, Wasserversorgung, Bevölkerungsstand, Landwirtschaftsentwicklung und Energieverbrauch. Dass diese Gebiete entscheidend für das Fortbestehen einer Gesellschaft sind, und eng mit ihrem möglichen Zusammenbruch zusammenhängen, wurde in den letzten 5.000 Jahren immer wieder bewiesen.

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„Der Verbrauch von Ressourcen in einem Maße, in dem diese nicht zur Verfügung stehen und die ökonomische, gesellschaftliche Schichtenbildung in reiche Eliten und arme Massen können mögliche Gründe für einen zivilisatorischen Untergang sein", sagt Motesharrei. Die Eliten (in unserem Fall die westlichen Industriestaaten) bestimmen die Verteilung der Ressourcen und übervorteilen sich auf Kosten der ärmeren Bevölkerung. Solch eine Zwei-Klassen-Entwicklung führt zu Instabilität, in der die Eliten jedoch die Signale nicht erkennen, da sie das derzeitige Modell am Leben erhalten wollen, auch wenn es zum Scheitern verurteilt ist.

Grundlage für die Berechnungen ist das gute alte Modell der Räuber-Beute-Beziehung von Alfred Lotka und Vitto Volterra. Vereinfacht ausgedrückt besagt dieses Schema: Hat der Räuber genug Beute, nimmt seine Population zu. Die Konsequenz daraus ist, dass die Beute allmählich weniger wird, was wiederum Folgen für die Räuber hat. Ein Phänomen, das auch den amerikanischen Schnee-Eulen und Lemmingen nur allzu vorkommen dürfte. Naheliegende Analogie der Mathematiker um Moetsharrei: Die Menschen sind die Räuber und die Beute die natürlichen Ressourcen, von denen in den letzten Jahren mehr abgebaut wurden als nachwachsen konnten.

Auch der technische Fortschritt wird uns leider nicht retten—vielmehr reiten uns diese Entwicklungen nur noch weiter in den Abgrund. „Er steigert zwar die Effizienz, der Ressourcennutzung, ermöglicht es den Eliten jedoch mehr davon zu verbrauchen."

„Eine eingehende Betrachtung der heutigen Realität zeigt, dass ein Kollaps kaum zu umgehen ist".

Zu diesem Fazit der Studie gesellt sich außerdem noch die Erkenntnis, dass die Eliten alles dafür tun, um eine Verzögerung des Untergangs unmöglich zu machen. Immerhin lässt sich mit bewussterem Verhalten dieser Kollaps zeitlich nach hinten verschieben—und das ist auch dringend nötig. Die Forscher ermuntern trotz ihrer düsteren Prognosen dazu, sparsamer mit den natürlichen Ressourcen zu verfahren und diese fairer unter den gesellschaftlichen Schichten zu verteilen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere empirisch ausgerichtete Studien wie jene Untersuchung des britischen Wissenschaftsministeriums, welches schon in 15 Jahren mit einer tiefgreifenden Krise rechnet, die von Nahrungs-, Wasser- und Energieknappheit ausgelöst wird.

Mit der wuchtigen Kombination historischer und mathematischer Evidenz darf ich nun also sicher davon ausgehen, dass wir uns an genau demselben Punkt befinden wie frühere Hochkulturen vor ihrem Untergang. Ich sehe das Ende schon mit seiner knochigen Hand winken.