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Die KI „Giraffe“ wird in 3 Tagen zum autodidaktischen Schachmeister

Ein Programmierer hat eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die sich die menschlichen Denkstrukturen beim Schach abguckt und sie selbständig anwendet.
Bild: Wikimedia, Adrian Askew | CC BY 2.0

Viele Schachpartien sind ins Land gegangen, seit Deep Blue im Jahr 1996 den amtierenden Schachweltmeister Garry Kasparov in einem legendären Spiel matt setzte. Und so clever die Züge der nachfolgenden Computer auch waren, letztendlich basierten ihre Strategien immer auf der Programmierung des von IBM entwickelten Pioniers. Bis heute.

Matthew Lai ist passionierter Schachspieler, Programmierer von Computerschachprogrammen und arbeitet momentan am Imperial College in London. Ihm gelang es nun, eine Künstliche Intelligenz zu programmieren, die menschliche Denkweisen mit der Rechenkapazität von Computern verbindet und sich somit selbst zu einem unschlagbaren Gegner fortbildet.

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Deep Blue probierte, wie die immer noch gängigen Schachcomputer auch, in seinem Elektronengehirn bis zu 200 mögliche Züge pro Sekunde aus, um sich dann für den effektivsten Move zu entscheiden. Diese als Brute-Force-Methode bekannte Technik eruiert alle vorhandenen Möglichkeiten einer gegebenen „Fragestellung". Selbst Weltmeister wie Kasparov vermögen lediglich um die fünf Züge in der Sekunde zu identifizieren.

Deep Blue—der erste Computer, der je gegen einen Schachweltmeister gewinnen konnte. Bild: Wikipedia, James the photographer | CC BY 2.0

Allerdings hat der Mensch in seiner Denkweise auch einige Vorzüge gegenüber den Maschinen. So ist es ihm möglich, die Züge in ihrer Effizienz und Überlegtheit abzuwägen und die Auswahl der möglichen Positionswechsel auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Diese Rückschlüsse waren einem Computer bisher nicht möglich und das ist es auch, was Lai nun seiner sogenannten Giraffe beigebracht hat.

Die KI spielt von vornherein schon so gut Schach wie die besten herkömmlichen Schachcomputer, verbessert sich dabei jedoch permanent selbst, indem sie Muster und die Effizienz von Zügen erkennt. Dieses neu erworbene Wissen wendet der Rechner mittels Deep Learning umgehend auf zukünftige Spielschritte an.

Deep Learning ist eine Weiterführung der schon etwas älteren Methode künstlicher neuronaler Netzwerke, in denen Rechenverfahren von Maschinen die Arbeitsweisen des Gehirns simulieren. Grundlage dafür sind gewaltige Datenmengen, mit denen der Computer im Vorhinein gefüttert wurde. Die KIs lernen nun aus Erfahrungen, indem sie die Stärke der Neuronenverbindungen ändern.

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Künstliche Intelligenz knackt das Rätsel des unzerstörbaren Plattwurms

Die gängige Methode ist nun, die Maschine manuell mit den jeweiligen Informationen (also allen möglichen Schachzügen) bekannt zu machen und sie die starken und schwachen Positionen wieder erkennen zu lassen.

Lai erstellte den Datensatz der Giraffe, indem er fünf Millionen Positionen aus zufällig ausgewählten Computerschachspielen generierte. Für etwas mehr Abwechslung bestimmte er für jede Position noch einen willkürlichen zusätzlichen Zug. Insgesamt verfügte die Schachintelligenz nun über 175 Millionen mögliche Positionen—normalerweise würde Lai an dieser Stelle mit dem Training beginnen, doch seine Maschine sollte sich das Wissen von selbst drauf schaffen.

Dafür ließ er den Computer gegen sich selbst spielen. Dieser sollte lernen, seine eigenen zukünftigen Züge besser einzuschätzen und vorherzusagen. Je nachdem, ob sie nun ein Spiel gewann oder verlor, lernte die KI, welche Positionen sich als stark oder schwach herausstellten. Und obwohl die Giraffe ungefähr zehnmal so lange wie ein normaler Schachcomputer für einen Zug benötigte, befand sie sich nach nur 72 Stunden bereits auf dem spielerischen Niveau der besten ihrer Art und konnte auf dem Level eines Internationalen FIDE-Meisters gegen einen modernen PC antreten.

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„Im Gegensatz zu den meisten heutigen Schachcomputern liegt die Stärke von Giraffe nicht darin besonders weitblickend zu spielen, sondern knifflige Positionen zu erkennen und komplizierte spielerische Konzepte, mit denen Menschen intuitiv umgehen, zu verstehen", erklärt Lai in seinem Paper. „Das ist besonders in den Eröffnungs- und Endsequenzen des Spiels von großer Bedeutung."

Demnächst möchte der Entwickler diese Techniken auch auf andere Spiele anwenden. Der einzige Nachteil der künstlichen Spielintelligenzen ist nur leider, dass sie den Menschen keine Tipps geben können, sondern ihn einfach nur dumm dastehen lassen. Wenigstens diese emotionale Intelligenz haben wir ihnen also bisher noch voraus.