Menschen

Wir haben wahllos Deutsche angerufen, um Bundesländer-Claims zu verstehen

Wir erreichen David Bäuerle aus Konstanz auf dem Rückweg vom Elektrohandel, im Auto.
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Es gab da mal einen Wettbewerb: Menschen konnten abstimmen, welches Bundesland den schönsten Werbeslogan hat. Gewonnen hat Baden-Württemberg - "Wir können alles. Außer Hochdeutsch". Der Spruch ist herrlich selbstironisch, gerade für ein Land, das sonst für seinen Geiz, seine Rüstungsindustrie und seine Auswanderer nach Berlin berüchtigt ist.

Ursprünglich war dieser Slogan eigentlich für Sachsen entwickelt worden. Doch dem stolzen Völkchen im Osten war er offenbar zu lustig. Also bot die Werbeagentur Scholz & Friends den Slogan eben Baden-Württemberg an.

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Wieso glauben die einzelnen Bundesländer überhaupt, dass ihr Spruch auf sie passt? Ich habe mal in jedem Bundesland angerufen und nachgefragt.


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Schleswig-Holstein

"Der echte Norden"

Ursula Engel, Pinneberg, Montag, 12:20 Uhr. Eigentlich will sie gar nicht mit mir sprechen, aber als ich verspreche, dass sie danach keine Post von mir bekommt, macht sie doch mit. "Der Spruch ist super. Schleswig-Holstein ist nun mal das nördlichste Bundesland und den Norden finde ich auch sehr schön. Warum sollte man nicht damit werben?"

Niedersachen

"Klar"

Martin Leckelt, Ilsede, Montag, 16:45 Uhr. Ist gerade auf Heimatbesuch bei seinen Eltern. Eigentlich lebt und studiert er in Bayern und vertröstet mich auf nach seiner Zoom-Vorlesung. Pünktlich um Viertel vor fünf ruft er zurück. "Niedersachsen ist bekannt für das Hochdeutsche. Diese klare Sprache. Ich allerdings bin auf dem Dorf groß geworden und denke dabei eher an den klaren Schnaps meiner Jugend. Der macht die Sprache dann wieder unklarer."

Saarland

"Großes entsteht immer im Kleinen"

Frank Schmitz, Saarbrücken, Montag, 17:01 Uhr. Das Telefon klingelt lange und ich will bereits auflegen, als Herr Schmitz abnimmt und sich entschuldigt. Er habe gerade den Müll rausgebracht. "Hier im Saarland machen wir uns oft über den Spruch lustig. Ich denke, er zeugt von einem Minderwertigkeitskomplex. Die Saarländer meinen, sie seien klein und unbedeutend und das stimmt natürlich auch irgendwie. Dann wiederum muss man sich anschauen, wie viele Politiker von hier kommen. Die große Bundespolitik entsteht im kleinen Saarland. Ich selbst bin übrigens auch 1,96 Meter."

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Rheinland-Pfalz

"Gold"

Michael König, Mainz, Montag, 18:42 Uhr. Als König ans Telefon geht, ist er gerade vom Büro in Frankfurt heimgekommen. Nun, sagt er, müsse er im Homeoffice noch zwei Stunden weiterarbeiten. Die Corona-Politik seines Arbeitgebers sei das Letzte, sagt er. "Gold? Was für ein Schwachsinn. Wir haben hier ja nicht mal gute Fußballvereine. Wenn die Klöckner Ministerpräsidentin wäre, könnte ich das noch nachvollziehen. Die alte Bauernfrau könnte damit goldene Ähren meinen oder Wein. Aber mit Landwirtschaft zu werben, wäre nun wirklich nicht besonders fortschrittlich. Ich denke, das ist einfach eine Werbung für Bitburger."

Nordrhein-Westfalen

"Germany at its best"

Gerhard Netter, Bonn, Dienstag, 13:30 Uhr. Kommt gerade vom Mittagessen mit Freunden und erzählt stolz vom guten Handyempfang im Auto. "Das erinnert mich an die Republikaner und Trump. America First. Das ist nicht besonders sympathisch für Leute, die aus anderen Bundesländern zu uns kommen. Was fällt denen denn ein? Und warum ist das nicht auf Deutsch?" 

Baden-Württemberg

"Wir können alles. Außer Hochdeutsch"

David Bäuerle, Konstanz, Dienstag, 14:30 Uhr. Hat diese Woche Urlaub und wollte mit seiner Freundin Yvonne jetzt eigentlich gemütlich im Hotel rumhängen. Stattdessen erwische ich die beiden im Auto auf dem Weg vom Elektrohandel, wo sie Spülmaschinen für Yvonnes Mutter angeschaut haben. Jetzt fahren sie zum Supermarkt. Sie wollen Pfandflaschen wegbringen. "Baden-Württemberg ist ein Vielsprachenstaat", erklärt David. "Es gibt Badisch, das nochmal unterteilt werden kann ins Alemannische aus dem Schwarzwald, und das Badische, das schon Richtung Schweizerdeutsch geht. Dann gibt es das Fränkische, das Hohenlohische, das Schwäbische und hier unterscheiden sich ja Stuttgart und die Schwäbische Alb auch nochmal voneinander. Das Braisgauerische ist zwar mehr eine Sprachmelodie aber doch auch etwas ganz Eigenes. Die Menschen schätzen hier halt sauviel aber kein Hochdeutsch. Gegenüber Fremden tun sie so, als beherrschten sie es, wie der Schäuble. Wenn der sagen will, dass das Land sicher sei, dann sagt der 'das Land ischt sicher'. Aber ist ist halt ist und nicht ischt."  

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Thüringen

"Das ist Thüringen"

Julian Volk, Erfurt, Dienstag, 15:02 Uhr. Hat gerade keine Lust zu arbeiten und deshalb Freude daran, laut nachzudenken. "Thüringen war ja immer so ein Bundesland voller Kleinstaaterei. Ursprünglich waren das 17 Fürstentümer. Und heute weiß keiner mehr, was Thüringen eigentlich alles ist. Früher war der Spruch 'das grüne Herz Deutschlands'. Damit konnte ich weniger anfangen."

Berlin

"Wir sind ein Berlin"

Matti Geyer, Berlin, Dienstag 16:13 Uhr. Geyer arbeitet gerade im Homeoffice und freut sich über die Abwechslung durch den Anruf. "Es gibt ja super viele Berlins auf der Welt, alleine in den USA fast 30. Und unser Berlin will sich da nicht wichtiger machen, als es ist. Vielleicht hat es auch was mit Solidarität und Vielfalt zu tun."

Brandenburg

"Brandenburg. Es kann so einfach sein"

Herr Möller, Pätz, Dienstag 18:32 Uhr. Er komme gerade von der Arbeit, sagt Möller. Ausnahmsweise mal nicht im Homeoffice, was ärgerlich sei, weil er sonst mittags mit dem Hund rausgehen kann. "Brandenburg ist die Antwort auf so viele Fragen: Die Mieten in Berlin sind dir zu hoch? Es kann so einfach sein, zieh nach Brandenburg. Urlaub in Spanien zu teuer? Brandenburg. Das Prinzenbad in Kreuzberg ist dir zu voll? Ganz einfach, Brandenburg hat unzählige Seen. Brandenburg ist der Ort für Menschen, die die ganz großen Ansprüche aufgegeben haben und sich daran nicht stören. Es kann so einfach sein."

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Hamburg

"Wachsen mit Weitsicht"

Thomas Krupp, Hamburg, Mittwoch, 11:18 Uhr. Sitzt gerade am Frühstückstisch und wartet darauf, dass sein Bärlauchkäse auftaut, den er während der Bärlauchsaison vor einigen Monaten eingefroren hat. Er stellt klar, dass er eigentlich aus Schleswig-Holstein kommt und mit Hamburg "gar nicht so viel anfangen" kann. "Hamburg wächst. Immer mehr Leute ziehen hierher. Dem muss mit Weitsicht begegnet werden. Wenn man ein Kind bekommt, schaut man ja auch, dass sein Zimmer hoch genug ist, damit es da auch ausgewachsen noch drin stehen kann. Und wenn man nun in einer dieser riesigen Altbauwohnungen lebt, kann es sein, dass der Bausenator vorbeikommt und sagt, dass da noch ein Geschoss eingezogen werden muss, weil Hamburg wächst und es dafür Weitsicht braucht."

Sachsen

"So geht Sächsisch"

Carolin W., Leipzig, Mittwoch, 15:58 Uhr. Will nicht sagen, was sie gerade tat, als ich anrief. "Ich glaube, das meint mehr Dresden als Leipzig. Hier sächselt man ja gar nicht so. Gleichzeitig spielt es wohl auf diesen Kollektivgedanken aus der DDR an. Gemütlichkeit, Beisammensein. Und eine gewisse Selbstermächtigung steckt vielleicht auch darin. Schließlich ist Sächsisch der unbeliebteste Dialekt. Der Spruch soll den Gegensatz zeigen zwischen dem Bild dieser Dödel- und Trotteligkeit und dem, wie lebenswert es hier ist."

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Sachsen-Anhalt

"#Moderndenken"

Petra Schneider, Magdeburg, Mittwoch, 16:35 Uhr. Petra Schneider ist sauer. Sie will eigentlich nicht über den Werbeclaim von Sachsen-Anhalt sprechen, sondern lieber über die Regierung. Wir einigen uns auf einen Kompromiss. "Sachsen-Anhalt will immer der Vorreiter sein, immer etwas Neues wagen, was andere noch nicht getan haben. Dann weigert man sich auch mal, der notwendigen Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 86 Cent zuzustimmen. Die sind doch bescheuert." 

Mecklenburg-Vorpommern

"MV tut gut"

Charlotte G., Greifswald, Mittwoch, 17:36 Uhr. Ist gerade auf dem Sprung, druckst ein bisschen herum und antwortet dann: "In Mecklenburg-Vorpommern kann man super Urlaub machen und Urlaub tut gut. Wir haben Strände und Wellness und wer hier ist, muss nicht arbeiten, weil es kaum Arbeit gibt."

Hessen

"An Hessen führt kein Weg vorbei"

Eva Backhaus, Frankfurt, Mittwoch, 18:10 Uhr. Im Hintergrund schreit ein Kind und Backhaus bereitet mich darauf vor, dass voraussichtlich jeder zweite ihrer Sätze von ihrer Tochter unterbrochen wird. Passiert dann aber gar nicht. "Zunächst scheint das auszusagen, dass das einzige, was für Hessen spricht, ist, dass man nicht drumrum kommt. Deshalb gibt es hier wohl auch so viele Autobahnen. Aber das gilt auch für Menschen von außerhalb. Ich war kürzlich in den USA. Dort kannten die meisten Frankfurt, weil sie da einmal umgestiegen waren. Außerdem funktioniert das natürlich auch auf einer metaphorischen Ebene: Wirtschaftsforschung, Arbeit. Wer in Deutschland etwas reißen will: Hessen, Hessen, Hessen."

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Bremen

"Bremen erleben!"

Alia L., Bremen, Donnerstag, 11:47 Uhr. Alia hat jede Menge Zeit für unser Telefonat. Erst als der Schornsteinfeger klingelt, beginnt sie zu drängeln. "Wir brauchen dringend einen neuen Slogan. Der jetzige zielt auf den touristischen Aspekt ab und soll Bremen attraktiver machen. Aber der ist schon ganz schön 90er. Er klingt einfach nicht international genug, funktioniert nur auf Deutsch und ist auch zu kurz. Alles zu platt und offensichtlich und ganz ehrlich, was ich von dieser Erlebniskultur halten soll, weiß ich auch nicht."

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