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Wie ein Monstersturm die Arktis um bis zu 25 Grad aufheizen kann

Werden am Nordpol zum Jahreswechsel wirklich frühlingshafte Temperaturen herrschen?
Foto: Screenshot Earth Simulator

Je größer der Druckunterschied, desto verheerender der Sturm. Im Nordatlantik herrscht gerade gewaltiger Unterdruck. Verantwortlich dafür ist Eckard. Das Sturmtief historischen Ausmaßes trifft heute auf die Küste Islands, regnerische Ausläufer werden auch in England erwartet.

Am Nordpol wird es dadurch kurz nach Winteranfang deutlich wärmer werden als gewohnt und die dicke Eisdecke taut an. Mit Windgeschwindigkeiten von rund 160 Stundenkilometern fegt Eckard über den nördlichen Atlantik und erzeugt extrem niedrige Druckwerte von 930 bis möglicherweise 920 Millibar.

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Zum Vergleich: Normale Sturmtiefs erreichen gerade mal 980 Millibar und selbst der verheerende Hurrikan Sandy hatte nur 940 Millibar. Durch den extremen Unterschied zum Normaldruck entsteht im Nordatlantik derzeit ein Orkan, welcher zu Wellengängen von bis zu 15 Metern Höhe führt. Angesichts des hohen Druckunterschieds auf relativ kurzer Distanz entstehen auch Sturmwinde.

barometric pressure trace (hPa) at station Höfn í Hornafirði, Iceland -- approximate 54 hPa drop in 18 hours pic.twitter.com/2coTsrS1uJ
— NWS OPC (@NWSOPC) 30. Dezember 2015

Schwere Winterstürme sind dabei keine ungewöhnliche Erscheinung in den Gebieten um Island und Grönland. Doch der aktuelle, so vermuten Meteorologen, könnte in die Top 5 Alltime-Charts der Region eingehen. Im Earth Simulator lässt sich das Wetterphänomen in Echtzeit beobachten.

Warum der Sturm für solch starke Wärmeschübe sorgt? Aktuell strömen zwischen zwei riesigen unfreundlichen Tiefdruckgebieten und einem kräftigen Hoch über dem Baltikum subtropische warme Luftmassen in Richtung Norpol, welche die Temperaturen in der Arktis ansteigen lassen und die Eisschichten sogar kurzzeitig zum Tauen bringen. Das globale Vorhersagemodell GFS des amerikanischen Wetterdienstes beobachtete entsprechend ein mehrere hundert Kilometer langes Wettersystem bei Island.

Was genau die Hintergründe sind, die für die Wetteranomalie verantwortlich ist, darüber sind sich Forscher noch nicht vollständig einig. Möglicherweise sind die zur Weihnachtszeit auftretenden Strömungen El Niño im äquatorialen Pazifik mitverantwortlich für das aktuelle arktische Tauwetter, denn auch im nördlichen Pazifik strömt wärmere Luft ins Landesinnere.

Auch die durch den Klimawandel wärmeren Meere könnten den sogenannten „Monstersturm" befeuern, indem sie aufgeheizte Luft transportieren und somit die Luftströmungen beeinflussen. Ebenso werden die zunehmend instabilen Jetstreams als Verursacher herangezogen. Jetstreams sind dynamische Starkwindbänder in großer Höhe, welche die Wetterverhältnisse grundlegend mitbestimmen.

Dass diese Entwicklung jedoch wirklich zu Sprüngen von bis zu 50 Grad Celsius führen wird—wie viele Medien gerade berichten—hält der Meteorologe Thomas Sävert für „völligen Quark". So würden am Nordpol für morgen 0-2 Grad Celsius erwarten, also 25-27 Grad mehr als gewöhnlich, so Sävert.

Damit ist der aktuelle Anstieg zwar ein drastischer Ausreißer, der aber dennoch glücklicherweise nur von kurzer Dauer sein dürfte. Sobald das Sturmtief seiner Wege gezogen ist, wird es auch in der Arktis wieder kälter werden.