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Natürlich vs. menschgemacht: Die tödlichsten Gifte der Welt

In der Toxikologie liefern sich Mensch und Natur ein ambitioniertes Kopf-an-Kopf-Rennen um das stärkste Gift.
Soldaten mit Atemschutzmasken gegen Giftgas
Bild: Wikipedia | Bundesarchiv | CC BY-SA 3.0 DE

Die Auswahl an Giften, die es auf der Welt gibt, ist groß. Es gibt Tierarten, die vielleicht harmlos aussehen, eine Person jedoch mit Leichtigkeit ins Jenseits befördern können. Es gibt wunderschöne, aber tödliche Pflanzenarten und dann wären da noch die vom Menschen selbst hergestellten Kampfstoffe, die in Kriegszeiten auf grausame Art und Weise ganze Bevölkerungsgruppen auslöschen sollen.

Um besser zu verstehen, ob noch immer die Natur oder vielleicht mittlerweile die Wissenschaft die Quelle der giftigsten Stoffe der Welt ist, haben wir einen kleinen Index besonders toxischer Stoffe erstellt.

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Botulinumtoxin

Botulinumtoxin, eines der tödlichsten Gifte der Welt

Bild: Wikimedia | Choij (talk) | Public Domain

Tödliche Dosis
Oral: 0,01 Milligramm = 10 Mikrogramm
Intravenös: 3 Nanogramm = 0,003 Mikrogramm

Botulinumtoxin gilt als das stärkste Gift überhaupt, in diesem Punkt sind sich die Wissenschaftler einig. Eine Vergiftung mit dem Stoff nennt sich Botulismus.

Zum ersten Mal entdeckt wurde das natürliche Gift Botulinumtoxin im Deutschland des 19. Jahrhunderts im Rahmen von Lebensmittelvergiftungen. Nachgewiesen wurde es damals in schlecht konservierter Wurst (botulus lat. Wurst).

Der Botulismus durchläuft dabei einen Symptom-Komplex, bei dem innerhalb weniger Stunden bis Tage folgende Beschwerden auftreten: Lähmungen, Schwindel, Doppeltsehen, Kopfschmerzen, Erbrechen, Sprachstörungen, Schluckbeschwerden, Magenbeschwerden, Pupillenerweiterung, Akkomodationslähmung, Lichtscheu (Lähmung der Augenmuskeln), Flimmern, Benommenheit, Atemnot, Verstopfung, Versiegen der Speichelproduktion, Austrocknung von Schleimhäuten. Die Lähmungen erfassen immer weitere Bereiche der Muskulatur, bis der Tod schließlich nach drei bis acht Tagen durch Atemlähmung, Herzstillstand oder Bronchopneumonie eintritt.

Jährlich werden in Deutschland 20 bis 40 Fälle einer Vergiftung mit Botulinumtoxin gemeldet, von denen ein bis zwei tödlich enden. Diese relativ hohe Zahl lässt sich auf die Anwendung des Stoffes in der Schönheitsindustrie zurückführen, wo das Nervengift in verdünnter Form und unter der Bezeichnung Botox zur Hautstraffung eingesetzt wird. Dabei wird die Erregungsübertragung der Nervenzellen zum Muskel gehemmt, wobei die Kontraktion des Muskels je nach Dosierung des Gifts schwächer wird oder ganz ausfällt.

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Polonium 210

Polonium 210, eines der stärksten Gifte der Welt

Bild: Wikipedia | Greg Robson | CC BY-SA 2.0 UK

Tödliche Dosis
Oral: 50 Nanogramm = 0,05 Mikrogramm = 5 * 10^(-5) ≙ 0.00005 Milligramm

Das radioaktive Halbmetall Polonium wurde 1898 entdeckt und gehört zu den „tödlichsten Giften des 21. Jahrhunderts". In der biologischen Wissenschaft gibt es keine besonderen Verwendungsmöglichkeiten, weil es für nahezu alle lebenden Organismen tödlich ist.

Polonium 210 ist ein schwer nachweisbares radioaktives Strahlengift und Isotop von Polonium, welches schon in kleinsten Dosen tödlich ist. Da es sich sehr schwer nachweisen und gleichzeitig leicht handhaben lässt, wird Polonium 210 auch gerne dafür eingesetzt, unliebsame Personen unauffällig aus dem Weg zu schaffen. So wurde im Jahr 2006 beispielsweise der russische Ex-Spion und Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko mit dem radioaktiven Isotop ermordet. Auch beim Tod von Jassir Arafat wurde über eine Vergiftung mit dem schnell zerfallenden Polonium spekuliert—nach ausgiebiger Recherche und sogar der Exhumierung Arafats sterblicher Überreste wurde eine Vergiftung letztlich jedoch ausgeschlossen.

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Polonium 210 ist ein natürlich vorkommendes radioaktives Metall, das in geringen Spuren auch im menschlichen Körper, in Tabak sowie in Luft und Erde vorkommt. Die Alphastrahlung des Isotops, die bei dem radioaktiven Zerfall von zwei Atomkernen auftritt, ist jedoch harmlos, weil die radioaktive Strahlung nur wenige Zentimeter in der Luft zurücklegt. Bereits ein Blatt Papier oder ein Kleidungsstück können die Strahlung aufhalten. Gefährlich wird es erst, wenn Polonium inhaliert, über die Nahrung oder Wunden in den Körper aufgenommen wird. Dabei erreicht das Gift über den Blutstrom verschiedene Gewebe, wo es die Zellstruktur zertrümmert, das Erbgut schädigt und schließlich die Zelle vollständig tötet. Die ersten Symptome einer Polonium-Vergiftung ähneln dabei einer Nahrungsmittelvergiftung, später kommen Durchfall, eine ausgeprägten Anämie (Blutarmut), Haarausfall und Blutungen aus Nase, Mund und Rektum hinzu.

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Diese letalen Eigenschaften machten sich auch die Amerikaner mit der Atombombe auf Nagasaki zu eigen und nutzten Polonium als Neutronenquelle. In ihrer Theorie sollte ein eingeatmetes oder oral aufgenommenes Gramm des Strahlengiftes 10 Millionen Menschen auslöschen. Sollten die Opfer nicht sofort vor die Hunde gehen, würden sie stattdessen halt an Krebs erkranken.

Batrachotoxin

Batrachotoxin wird von Pfeilgiftfröschen produziert und ist eines der stärksten bekannten Gifte

Bild: Wikimedia | Wilfried Berns | CC BY-SA 2.0 DE

Tödliche Dosis
Oral: 1 bis 2 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht
Bei 70 Kilogramm Körpergewischt also 70 Mikrogramm = 0,07 Milligramm

Das Nervengift des „Schrecklichen Pfeilgiftfroschs" (griechisch Batrachos, Frosch) ist ein Krampfgift und eines der stärksten bekanntesten Gifte. Allerdings kann seine Wirkung mit einem Kugelfisch aufgehoben werden, der nicht nur eine japanische Delikatesse ist, sondern auch ein entgegen wirkendes Lähmgift produziert.

Batrachotoxin wurde auch in den Federn des Blaukappenflötern, einem in Neuguinea heimischen Vogel, gefunden. Die Wirksamkeit ist jedoch im Vergleich mit der eines Pfeilgiftfrosches eher harmlos. Während die Federn lediglich Schmerzen bei Hautverletzungen erzeugen, reicht das Gift eines lediglich Daumennagel-großen Frosches dazu aus, zehn Menschen ins Jenseits zu befördern.

Die orale Aufnahme führt nur bei Menschen mit Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes zu Vergiftungszuständen. Eine Vergiftung kann sich entweder kardiotoxisch auswirken, das heißt, das Herz bleibt stehen und du bist sofort tot oder neurotoxisch, wodurch es zu Krampfanfällen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Angstzuständen, Erbrechen, unkontrolliertem Durchfalle, Bewusstlosigkeit und Atemlähmung kommen kann.

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Wissenschaftlich beschreiben wurde Batrachotoxin erst in den 1960er Jahren. Davor war es jedoch schon viele Jahrtausende unter den südamerikansichen Ureinwohnern bekannt und wurde von ihnen als Pfeilgift bei der Jagd verwendet. In Gefangenschaft verlieren die Frösche ihre Giftigkeit, was darauf schließen lässt, das sie das Gift mit der Nahrung aufnehmen.

VX

Das chemische Giftgas VX

Bild: Wikimedia | http://www.cma.army.mil/home.aspx | Public Domain

Tödliche Dosis
Respiratorisch (über die Atmung): bei einem durchschnittlichen Erwachsenen 1 Milligramm = 1.000 Mikrogramm
Über die Haut: 10 Milligramm

VX ist der am weitesten verbreitete Vertreter chemischer Kampfstoffe und dringt als geruchloses, farbloses Gift über Haut, Augen und Atemwege in den Körper ein. VX ist das einzige synthetische Gift dieser Liste und wurde 1952 von einem schwedischen Forscher entdeckt. Ursprünglich als Pestizid gehandelt, entwickelte es sich schnell zu einer Massenvernichtungswaffe. Mit der Unterzeichnung der Chemiewaffenkonvention 1997 wurde die Zerstörung weltweit aller Vorräte verlangt.

Erste Symptome äußern sich als Husten und Übelkeit, doch schon innerhalb weniger Minuten lähmt VX die Atemmuskulatur und führt unter starken Krämpfen und Schmerzen zum Tod. Wie auch bei anderen Nervengiften wird die Wirkung dabei von folgenden typischen Nebenerscheinungen begleitet: Sehstörungen, Krämpfen, Schweißausbrüchen, Erbrechen, unkontrollierbarem Stuhlabgang, Bewusstlosigkeit und Atemlähmung.

Rizin

Das Gift Rizin wird aus den Samen des Wunderbaumes gewonnen

Bild: Wikipedia | Robodoc | CC BY-SA 3.0

Tödliche Dosis
Oral: 0,25 Milligramm pro Körpergewicht

Rizin befindet sich in den Samen des Wunderbaumes oder Rizinus, der zur Familie der Wolfsmilchgewächse gehört. Der Name stammt vom Wort ricinus für „Zecke", da die Samen der Pflanze in ihrer Form an Zecken erinnern. Andere Bezeichnungen sind die ebenfall sehr bildlichen Begriffe Christuspalme, Hundsbaum, Läusebaum oder Kreuzbaum. Doch so fantastisch er auch aussieht und seine Namen klingen, so tödlich kann die Pflanze auch sein. In Europa wird Rizinus gerne als Zierpflanze in Parks oder Gärten angepflanzt, da seine Blätter und Früchte sehr dekorativ und nahezu teuflisch hübsch aussehen.

Dabei gehört Rizin zu den gefährlichsten biologischen Giften überhaupt und hat in seiner Wirksamkeit den Status eines biologischen Kampfstoffes. Da das Gift relativ einfach aus den Samen extrahiert und hergestellt werden kann, lässt sich Rizin durchaus als Biowaffe verwenden.

Wer versehentlich die Samen des Wunderbaums genascht hat, kann sich bei einem Verzehr von sieben bis acht Stück schon mal sein Grab ausheben. Rizin hemmt die lebenswichtige Proteinproduktion im menschlichen Körper. Die Symptome einer Rizinus-Vergiftung sind starke Schleimhautreizung mit Brennen in Mund und Rachen, Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe und die Schädigung von Niere, Leber, Magen und Darm. Der Tod tritt in der Regel nach etwa zwei Tagen durch Kreislaufversagen ein, ein Gegengift ist bisher nicht bekannt.

Am 7. September 1978 wurde auf den bulgarischen Schriftsteller Georgi Markow in London ein Anschlag mit Rizin verübt. Drei Tage nachdem ein Unbekannter Markow mit einem mit Rizin präparierten Regenschirm angegriffen hatte, starb dieser an der Vergiftung.