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Dieser Fräse-Automat macht jeden zum Schmied nicht registrierter Sturmgewehre

Mit dem Ghost Gunner verkauft die texanische Firma Defense Distributed eine Open-Source-CNC-Fräse, mit der Privatproduzenten ohne Überprüfung ihrer Identität erstmals auch Metallwaffen automatisiert zuhause herstellen können.
Alle Bilder: Defense Distributed.

Cody Wilson hat sich als Pionier 3D-gedruckter Waffen und als selbsterklärter Krypto-Anarchist im vergangenen Jahr einen Namen gemacht. Mit der wohlfeil betitelten, 3D-gedruckten Handfeuerwaffe „Liberator" bewies er, dass jeder mit den Mitteln des Maker-Movements zum Waffenschmied werden kann. Dank seines neuesten Projekts sollen computergestützte DIY-Waffen nun nicht mehr nur aus Plastik sondern aus Metall gemacht sein—und sie sollen anonym, einfach und mobil gefertigt werden können.

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Mit seiner kleinen texanischen Firma Defense Distributed hat Wilson am 1.10. sein bisher wohl rabiatestes und gleichzeitig provokantestes Projekt vorgestellt: Eine CNC-Fräse, mit der jeder weitgehend automatisiert das entscheidende Element eines Sturmgewehrs herstellen kann—inklusive Abzug und Magazin. Pünktlich zur Weihnachtszeit wird Wilson damit beginnen den zunächst rund 1000 Euro teuren tragbaren Kasten auszuliefern.

Der kleine Apparat hört auf den beruhigenden Namen Ghost Gunner—benannt nach dem umgangssprachlichen Begriff für nicht mit Seriennummern registrierte Waffen bzw. Waffenteile.

Im Ankündigungsvideo führt Defense Distributed vor, wie der vom Ghost Gunner gefertigte Lower Receiver mit den restlichen, meist frei erhältlichen Teilen eines Sturmgewehrs zusammengesetzt werden kann. Alle Bilder: Defense Distributed

Nach etwas mehr als einem Tag war die erste Vorbestellrunde mit 200 Apparaten bereits restlos ausverkauft. Inzwischen hat Wilson laut Wired einen weiteren Mitarbeiter eingestellt, um dem für ihn unerwarteten Ansturm Herr zu werden. Außerdem hat er den Preis für die nächste Bestellrunde bereits auf knapp 1200 Euro erhöht.

Der Preis für einen Ghost Gunner liegt damit immer noch deutlich unter den meist mehreren tausend Euro teuren vergleichbaren Spezialfräsen. Gleichzeitig soll die Waffenfertigung mit dem Apparat deutlich einfacher und präziser funktionieren.

Das hier sind allgemeine Gebrauchsapparate. Letztlich kaufst du eine einfache Fräse.

Mit einer Größe von 33 x 28 Zentimeter ist der Kasten mit der CNC-Fräse genau auf die Maße eines sogenannten 80 Prozent Lower Receivers (wie z.B. eines AR-15 Sturmgewehrs) ausgelegt. Dieses bereits weitgehend einsatzbereite untere Gehäuseteil einer Waffe kann in den USA meist legal und ohne Überprüfung von Vorstrafen oder der Identität des Käufers erworben werden. Es sind lediglich einige spezielle Fräsearbeiten und Handgriffe nötig, damit das Teil einmal eine Patrone abfeuern kann.

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Dafür werden auf den Ghost Gunner zunächst die Fertigungsinformationen als CAD Datei geladen. Nach ein wenig automatisierter Produktion durch den dreidimensional beweglichen Fräskopf und einigem händischen Schraubendrehen (das entsprechende Werkzeug wird in der Box mitgeliefert) hältst du laut Defense Distributed am Ende das zentrale, funktionstüchtige Teil einer feuerbereiten Waffe in den Händen:

Um ein Verbot der 80 Prozent Lower Receiver tobt in Kalifornien aktuell eine kontroverse Debatte, in die sich Cody Wilson nun auf seine Weise stilsicher einschaltet. Nach der Definition des US-Waffengesetzes gilt der Lower Receiver als zentrales Teil einer Schusswaffe und kann als einziges Element nicht ohne staatliche Kontrolle erworben werden. Wenn du aber erstmal einen Lower Receiver gefertigt hast, dann sind die anderen Zusatzteile zur Vervollständigung einer Waffe dementsprechend in den USA recht einfach zu bekommen.

Defense Distributed hat bereits angekündigt, rechtzeitig zur Auslieferung der ersten Ghost Gunner auch Open Source Dateien für AR-15 und AR-10 Sturmgewehre und die M1911 Pistole zu veröffentlichen.

Als ich Wilson anrief, um mehr Informationen über das Projekt zu bekommen, wirkte er noch etwas gestresster als sonst: „Momentan ist es ziemlich Hardcore", sagte er in bewährter Rhetorik: „Es ist anstrengender, als es sein sollte."

Cody Wilson hatte sich gerade per E-Mail mit einem Beamten des Verteidigungsministeriums angelegt, der sich eher weniger erfreut von den jüngsten Unternehmungen von Defense Distributed zeigte. „Ich möchte es mal vornehm ausdrücken, diese Leute sind echt fürn Arsch. Was soll das? Ich glaube dieser Typ ist voreingenommen", schoss es aus Wilson in Staccato-Sprechweise heraus. „Ich bin selbst eher so der Arschloch-Typ, und ich spreche jetzt erstmal mit meinem Anwalt, um zu sehen, ob wir diesen Beamten feuern lassen können. Denn es ist ein Verbrechen, jemanden einzuschüchtern und so zu tun, als hättest du eine öffentliche Autorität."

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Indem er die eigenständige und anonyme Herstellung von Waffen ermöglicht, begibt sich Wilson natürlich auf unklares rechtliches Terrain. Als langjähriger Verfechter 3D-gedruckter Waffen ist er das allerdings gewohnt. Der private Waffenbau ist in den USA genau genommen nicht illegal, aber sobald du vorhast, deine Waffe zu verkaufen oder zu verleihen, kannst du schnell Ärger mit dem Gesetz bekommen.

Alle Bilder: Defense Distributed.

Automatische Waffen bedürfen in den USA eigentlich einer Lizenz der ATF (Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms). Die 80-Prozent-Richtlinie bei den Lower Receivern, die Wilson ausnutzen möchte, bezieht sich allerdings auf einen von der ATF festgesetzten Fertigungsgrad eines Gewehres, den das Rohmaterial erreichen darf, ohne rechtlich unter die Regulierungspflicht von Waffen zu fallen. Eine private Fertigstellung dieser Elemente ist zunächst streng genommen gesetzlich nicht verboten in den USA.

Ghost Gunner ist etwas politisches.

Die Konfrontation mit dem Staat kommt für Cody Wilson alles andere als unerwartet. Er jedenfalls glaubt mit seinen Plänen rechtlich abgesichert zu sein:

„Ein Großteil ihres Auftretens ist nur Schall und Rauch. Erst im vergangenen Monat gab es eine prominente Kickstarter-Kampagne für eine CNC-Fräse namens NOMAD. Sie haben in etwa 2,5 Millionen Euro aufgetrieben [Anmerkung der Redaktion: Es waren rund 400.000 Euro]. Deren Maschine kann genau das gleiche wie meine, und dann ist da auch noch die Sache mit der Interoperabilität. Wir haben es hier mit allgemeinen Gebrauchsmaschinen zu tun.

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Die umstrittene Software selbst hängt alleine mit dem Waffenaufbau und den Funktionsabläufen der Waffe zusammen. Aber das ist nicht das, was du jetzt vorbestellen kannst. Jetzt gerade haben wir erstmal etwas ganz anderes veröffentlicht. Was wir dir jetzt verkaufen, ist nur eine einfache Fräse."

Laut Defense Distributed kann Ghost Gunner dank seines Open Source Ansatzes auch auf die Produktion von Dingen programmiert werden, die keine Waffen sind. Der einzige Haken dabei ist, dass alles Rohmaterial, was in den Apparat passt die selbe Größe, wie die Low Receiver haben muss, für die das System ausgelegt wurde.

Es wird sich zeigen, ob die US-Regulierungsbeamten Cody Wilson seine Rechtfertigungen abkauft. Wilson jedenfalls ist überzeugt, dass es bei den Freunden des ungezügelten Waffenbesitzes einen großen Bedarf für seine Technik gibt:

„Wir richten uns an die Waffen-Community, an ihre Wünsche und Bedürfnisse. Diese Kultur weiß, was sie will. Wir begeben uns hier auf ein wohlbekanntes Terrain. Für jemanden dem all das neu ist, mag es seltsam klingen, aber die Waffenfreunde wissen genau, was mit einer Maschine, wie dieser anzustellen ist."

Laut Wilson ist Ghost Gunner, ähnlich wie seine vorherigen 3D-Druck-Projekte auch der Versuch von „etwas politischem." Was genau das bedeuten soll, bleibt unklar: Das ganze klingt wie eine illustre Mischung aus vagem Anarchismus, Libertarismus und rechter Waffenliebe im Tea-Party-Stil. Unabhängig von Wilsons politischem Ansatz wird das Ergebnis von Ghost Gunner das selbe sein: Die Maschine dürfte einer kleinen Subkultur privater Waffenschmiede die Möglichkeit zur billigen, schnellen und einfachen Herstellung von Sturmgewehre deutlich vereinfachen.

Abschließend habe ich Cody Wilson noch gefragt, ob er sich nicht Sorgen mache, wegen der weiteren Entwicklung. Ghost Gunner sei schließlich seine bisher gewagteste Aktion. Der Texaner bemühte sich gelassen zu wirken:

„Nein, ich bin nicht besorgt, auch wenn das vielleicht naiv sein mag. Ich bin ja schon eine Weile dabei", verteidigte er sich. Zukunft und Zulassung von Ghost Gunner sind weiterhin ungewiss, aber jetzt möchte Cody Wilson erstmal seinen überbordenden Stolz in seiner eingefahrenen Wir-gegen-die-Rhetorik ausdrücken: „Unser geballtes Wissen der letzten zwei Jahre ist hier rein geflossen. Ich fühle mich mit Ghost Gunner besser als mit allem, was wir zuvor gemacht haben. Trotzdem ist es doch so: Wenn du sie wütend machst und gegen dich aufbringst, dann können sie alles mit dir machen."

Redaktionelle Mitarbeit von Max Hoppenstedt.