Warum die treueste Karriere des eSports nach 11 Jahren zu Ende geht
Bild: ESL via FlickR. Verwendet mit freundlicher Genehmigung.

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Warum die treueste Karriere des eSports nach 11 Jahren zu Ende geht

Wir haben mit dem 27-jährigen Kölner Zocker-Veteran Dennis „HasuObs“ Schneider über seine Laufbahn als professioneller eGamer gesprochen.

Es ist der vielleicht spektakulärste Sommertransfer im eGaming: Dennis „HasuObs" Schneider wechselt nach 11 Jahren von seinem Team Mousesports zu Team ROCCAT—und steigt damit auch von Starcraft II (SC) auf Heroes of the Storm (HotS) um. Während manche noch immer darüber diskutieren, ob eGaming überhaupt ein Sport sei, zeugt die Karriere des 27-Jährigen Kölner auch davon, auf welch lange Geschichte eSport schon als professionelle Disziplin zurückblicken kann.

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HasuObs wurde im Alter von 15 Jahren vom deutschen Team Mousesports unter Vertrag genommen, das er selbst als das „Bayern München des eSports" bezeichnet. Seit 2002 bringt das Team viele der talentiertesten deutschen Gamer zusammen und tritt bei zahlreichen internationalen Top-Wettkämpfen an (die im Unterschied zum Fußball meist in Asien stattfinden). Allein in seiner Zeit als Star Craft 2 Spieler hat HasuObs über 100.000 Dollar an Preisgeldern gewonnen.

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Der Manager von Mousesports verabschiedete Dennis Schneider dann auch mit großer Dankbarkeit: „HasuObs war über ein Jahrzehnt lang Teil unseres Teams—länger als jeder andere Spieler im Bereich des professionellen Gamings, den ich kenne", so Cengiz Tüylü gegenüber DailyDot. „Dennis war eines der sympathischsten Mitglieder von Mousesports und wir sind traurig, dass er uns nach all den Jahren verlässt. Wir wünschen ihm, dass er bei HotS den selben Erfolg erreichen wird." Die Statements mögen wie eine beliebige Abschiedserklärung im Profi-Fußball klingen, aber tatsächlich war Loyalität für HasuObs in seiner Karriere von großer Bedeutung, wie er uns im Interview erklärte.

Sein altes Team wird Dennis auch die Ehre erweisen, ihn offiziell in ihre Hall of Fame aufzunehmen. Damit steht er in einer Reihe mit deutschen Counter-Strike-Legenden wie Blizzard, Johnny R oder Antonio Daniloski, der als 20-Jähriger Top-Spieler 2010 tragisch bei einem Autounfall ums Leben kam.

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Dennis, der inzwischen Wirtschaftsinformatik studiert, verdient seit Schulzeiten seinen Lebensunterhalt als eGamer und kann mit Fug und Recht als Zocker-Veteran bezeichnet werden. Wir haben mit ihm über seine Karriere, Loyalität im eSport, die Gründe seines Wechsels und die Herausforderung, im gehobenen Gamer-Alter von Ende 20 noch auf Spitzenniveau mitzuhalten, gesprochen.

MOTHERBOARD: Wie bist du zum eSportler geworden?

Dennis „HasuObs" Schneider: Ich habe viel online gezockt und war bei Warcraft III (WC3) in der hauseigenen Ladder von Blizzard ziemlich hoch angesiedelt. Dann haben Mousesports mich kontaktiert und in ihr Team eingeladen.

Wie alt warst du da?

15 oder 16. Meine Eltern mussten den Vertrag noch unterschreiben. Die nationalen Turniere waren damals vor allem online. Es gab ein paar, zu denen ich offline fahren musste. Da waren meine Eltern auch dabei. Irgendwann ging es dann ins Ausland, da sind sie nicht mehr mitgekommen. Und seit Starcraft II hab ich dann Vollzeit gespielt.

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Warum verlässt du jetzt Mousesports?

Mousesports hat derzeit kein HotS-Team und legt hier keinen Fokus. Es gab längere Verhandlungen, aber wir sind uns nicht einig geworden.

Du hättest nicht bei Mousesports bleiben können?

Nur als SC-Spieler.

Hat Vereinstreue denn für dich eine besondere Bedeutung? Wie steht es um die Loyalität im eSport insgesamt?

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Grundsätzlich ist „Clanhopping" im eSport weit verbreitet und es gibt nicht viele Spieler, die mehrere Jahre für das gleiche Team tätig sind. Für mich persönlich ist die enge Zusammenarbeit mit einem Team aber wichtig. Man benötigt auch eine gewisse Vertrauensbasis für eine gute Zusammenarbeit.

Und wie hat die Szene auf deinen Wechsel zu Team ROCCAT reagiert?
Vielen war gar nicht bewusst, dass ich so lange für Mousesports gespielt habe und dementsprechend war das Feedback der Community sehr positiv; zum einen wegen meiner langjährigen Loyalität und zum anderen, dass ich dem eSport auch jetzt weiterhin treu bleibe.

Wie viel Zeit hast du in deiner Karriere dem Vollzeit-Zocken gewidmet?

Unterschiedlich. Es gibt Tage, an denen sehr wenig gespielt wird, weil man keine Lust hat, oder weil keine Turniere anstehen. Man kann sich das ja selber einteilen.

Es gibt also kein Teamtraining? Ich hab mal gehört, in Korea würde da nach äußerst strengen Regeln in den Mannschaften gearbeitet.

Richtig, koreanische Vollzeitspieler machen es eine ganze Ecke professioneller, die wohnen wirklich in Teamhäusern und haben einen festen Plan: Morgens aufstehen, frühstücken, bis abends spielen—dann gibt es Abendessen, vielleicht zwei Stunden Freizeit und dann geht man ins Bett und macht am nächsten Tag das Gleiche. Bei Mousesports war das anders. Aber ich habe mich schon viel mit dem Spiel beschäftigt—wenn Turniere anstehen, schon so zehn bis zwölf Stunden pro Tag.

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Kannst du dich nach elf Jahren eSport überhaupt noch motivieren?

Sonst würde ich das nicht machen. Wobei ich ja von SC zu HotS wechsle, weil es 2014 nicht so lief, wie ich das wollte. Sowohl meine eigene Leistung als auch die Entwicklung des Spiels waren nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe.

Was hat sich am Spiel über all die Jahre denn geändert?

Die Turnierszene hat sich gewandelt. Es sind sehr viele Koreaner nach Europa gezogen, die die europäischen Turniere mitgespielt haben. Was dazu geführt hat, dass nicht mehr viele Europäer weit oben standen. Da fehlte mir dann irgendwann auch die Motivation.

Jetzt steigst du nochmal um. Wirst Du irgendwann zu alt, um auf dem Level zu spielen?

Ich gehöre schon zur alten Garde. Es gibt noch welche, die an die 30 sind, aber dann hört es auf. Viel älter sind die Spieler nicht. Ich hab auch in SC gemerkt, dass junge Spieler nachkommen, die eine Ecke besser sind.

Kann man da mit Erfahrung gegensteuern?

Auf jeden Fall. In Turnierspielen habe ich vor allem gegen jüngere Spieler gewonnen, indem ich smarter war. Aber die jungen Spieler sind nicht blöd. Wenn die eine bestimmte Situation einmal erlebt haben, klappt der Trick beim nächsten Mal nicht mehr.

Willst du nach dem Ende der Profikarriere im eSport als Trainer oder Funktionär weiterarbeiten?

Nicht unbedingt als Trainer, aber es gibt ja noch die Kommentatoren, da wächst der Bedarf.

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Ausgesorgt hat man als Ex-eSports-Profi aber nicht, oder?

Ne. Man kann den Lebensstandard relativ einfach halten, wenn man erfolgreich ist. Aber man muss auf dem Turnier natürlich Leistung zeigen. Da fahren ja viele hin und nur einer gewinnt. Der Leistungsdruck ist sehr, sehr hoch. Und man braucht ein Team, das dir monatlich eine bestimmte Summe zahlt.

Verglichen mit älteren Sportarten wirkt eSport aber noch ziemlich unorganisiert, oder?

Das ist richtig, es gibt noch immer großen Nachholbedarf. Vor allem die Amateurszene könnte weiter gepusht werden. Entweder du bist sehr gut und spielst Turniere, oder du zockst nur online mit deinen Kollegen. Ein Dachverband für Turniere wäre auch wichtig. Im Moment ist es so ein bisschen wie beim Boxen: Es gibt verschiedene deutsche Meisterschaftstitel und dann drei verschiedene Weltmeisterschaften.

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Ich stelle mir vor, dass manche junge Spieler für eine professionelle eGamer-Karriere auch ihre Gesundheit oder ihren sonstigen Lebenslauf vernachlässigen. Ist das eine Gefahr, oder sehe ich das zu dramatisch?

Ne, ich gebe dir da Recht. Ich persönlich hatte nie solche Probleme, aber Entertainment kann immer falsch genutzt werden. Ich glaube aber, dass viele Spieler, die das vielleicht nicht professionell machen, aber dennoch extrem viel Freizeit opfern, durchaus in Schwierigkeiten geraten. Wie man das genau betreuen kann, weiß ich nicht—das ist ein heikles Thema. Klar ist, dass die Eltern bei den jüngeren Kids eine ganz wichtige Rolle spielen.

Du studierst ja nebenbei auch noch Wirtschaftsinformatik. Geht das überhaupt?

Ne, der Schritt zu SC hat schon dazu geführt, dass ich mit dem Studium pausiere. Für mich persönlich war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Ich hatte Spaß und auch viel Erfolg. Ich muss mal schauen, wie es jetzt nach dem Wechsel läuft. Falls es nicht klappt, ist das Studium eine Option.