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Anti-Piracy-Dienste können kaum zwischen ‚Cock’ und ‚Code’ unterscheiden

Porno-Produktionsfirmen wollen GitHub zensieren und lassen den Content der Open Source-Seite aus den Google-Suchen löschen.

​Porno-Produktionsfirmen fahren momentan eine großangelegte Kampagne gegen Copyrightvergehen, in der sie Torrent-Seiten mit URLs, in denen bestimmte Schlagwörter wie zum Beispiel „thrust" oder „glob-watcher" vorkommen, ins Visier nehmen. ​GitHub, eine unter Programmieren beliebte Seite, die es Profis und Hobbycodern erlaubt, zusammen Open-Source-Software zu kreieren, ist dabei ebenfalls in die Schusslinie geraten. Wie ​TrorrentFreak berichtet, haben diverse DMCA (Digitial Millenium Copyright Act)-Beschwerden, die von Vertretern der ​Pornoindustrie an Google gingen, allein im vergangenen Monat dafür gesorgt, dass dutzende legitime GitHub-URLs aus den Suchergebnissen von Google entfernt wurden. Unter den besagten URLs befanden sich GitHub-Supportseiten, vollständige Code-Repositorien und Profilseiten von Usern. Tomasz Janczuk, einem ehemaligen Microsoft-Mitarbeiter, wurde ein Teil seines GitHub Repositoriums aus den Suchergebnissen entfernt, nachdem am 20. Dezember 2014 eine ​DMCA-Beschwerde von ​Takedown Piracy LLC bei Google eingegangen war—einer Firma, die die Produktionsfirma Adam & Eve vertritt. Janczuk zufolge könnte das Entfernen von GitHub-Seiten aus Googles Suchergebnissen der Open Source-Gemeinschaft schaden, da so ihre Sichtbarkeit im Netz eingeschränkt wird. „Die Entfernung von GitHub-Content oder die Verminderung seiner Sichtbarkeit hat spürbare Auswirkungen auf die Firmen und Individuen, die an dem Open Source-Modell teilhaben, da Sichtbarkeit von [Open Source] Content regelmäßig Teil der Marketing-Strategie ist", schrieb Janczuk dazu in einer E-Mail. ​Janczuks URL wies für die Produktionsfirma Adam & Eve anscheinend eine zu große Ähnlichkeit zu ihrem Film ​The Edge von 2001 auf. Pornofirmen sind nicht die einzigen, die solche Methoden an den Tag legen, auch wenn die Lektüre von​ Googles Transparency Report zeigt, dass eine große Mehrheit der DMCA-Beschwerden gegenüber GitHub in den vergangenen sechs Monaten von Takedown Piracy im Auftrag einer Reihe von Porno-Firmen durchgeführt wurden. ​Einige, der über das Ziel hinausschießenden und ​auf Schlagwörtern basierenden Anfragen, wurden 2014 außerdem von der ​Total Wipes Music Group eingereicht—einer Anti-Piraterie-Agentur, die kleine Plattenfirmen vertritt. Auch diese führten dazu, dass legitime GitHub-Seiten ins Fadenkreuz genommen, wenn nicht letztendlich​ sogar komplett entfernt wurden. Die Anfragen, die von Anti-Piraterie-Firmen im Auftrag von Pornofirmen getätigt werden, zielen größtenteils auf Torrentseiten ab, wobei GitHub mit unter die Räder gekommen ist. Ein Repräsentant der Firma sagte uns, dass dies davon kommt, dass GitHub permanent in ihrem System geflaggt wurde, nachdem Repositorien mit Links zu Torrentseiten entdeckt worden waren. Legitime URLs wurden daraufhin ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Laut der Firma ist dieses Softwareproblem mittlerweile behoben. Total Wipes auf der anderen Seite scheint Seiten unterschiedslos aufgrund von Schlagwörtern ins Visier zu nehmen—die Opfer reichen hier vom Museum of Modern Art bis hin zu Wikihow. Wir haben Total Wipes um eine Stellungnahme gebeten, aber bislang noch keine Antwort erhalten. Für GitHub ist es nicht unüblich, DMCA-Anfragen zu bekommen, bei denen urheberrechtsgeschütztes Material—meistens Code—von der Seite entfernt werden soll, und die Firma betreibt ein ​Archiv, in sie jede Anfrage auf Entfernung von Inhalten aufbewahrt, die sie in den letzten vier Jahren erhalten hat. In dem Archiv finden sich zwar dutzende Anfragen von Firmen wie Sony und Instagram, allerdings keine von denjenigen Unternehmen, die Google momentan mit Takedown-Requests bombardieren. Der wahrscheinliche Grund dafür ist, dass die ​DMCA-Policy von GitHub voraussetzt, dass die Nutzer von den Beschwerden gegen sie informiert werden und genug Zeit bekommen, um das Problem zu beheben. Google wiederum bearbeitet eine gigantische Zahl an DMCA-Beschwerden—​allein 2014 waren es 345 Millionen. Auch wenn Google angibt, jede Anfrage individuell anzugehen und ​sein Bestes zu tun, die Nutzer von derartigen Gesuchen in Kenntnis zu setzen, teilten mir die von mir kontaktierten GitHub-User mit, dass sie von Google nie wegen der Anschuldigungen benachrichtigt worden waren. „Ich wusste davon überhaupt nichts—das ist für sich schon unglaublich erschreckend, dass ich davon nichts wusste", schrieb mir Nicky Case in einer Maeil. Er ist Entwickler bei ​Nothing to Hide, einem Open Source Indie-Spiel, das im September ​von Total Wipes attackiert worden war, weil in seiner ​GitHub-URL das Wort „hide" enthalten war. Die Seite von Nothing to Hide wurde letztendlich nicht aus Googles Suchergebnissen entfernt. „Wäre mein GitHub [Repositorium] weniger bekannt gewesen, wäre die Sache vielleicht weniger glimpflich für mich ausgegangen", so Case weiter. „Nichtsdestotrotz ist das eine gefährliche Angelegenheit für meinen Mit-Programmierer und -Künstler da draußen. Ich hatte nur Glück." Janczuk hatte auch keinen blassen Schimmer davon, dass seine GitHub-Seite von DMCA-Spammern ins Visier genommen war. „Ich habe davon nichts mitbekommen", sagte er. Nach unserer Unterhaltung, so berichtete Janczuk, habe er Google auf den Fehler hingewiesen. Wenn man nicht weiß, dass die eigene Seite aufgrund einer DMCA-Beschwerde von den Google-Ergebnissen entfernt worden ist, kann man auch selber ​keine Counter Notification einleiten—das jedenfalls wäre der erste Schritt, um seine Seite wieder zurück in die Google-Suche zu bekommen. Google und GitHub haben bislang noch nicht auf die Anfragen von Motherboard geantwortet. Wir werden diesen Artikel aktualisieren, sobald wir von ihnen hören.

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