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Das Reboot Manual ist die ideale Anleitung für den Neustart nach der Apokalypse

Der Astrobiologe Lewis Dartnell hält sich nicht mit Überlebenstricks à la Prepper auf, sondern beschäftigt sich gleich mit dem Neuaufbau nach dem Untergang.
Bild: Nick Cobb via FlickR; Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.

Du wachst auf, alleine in einer Geisterstadt. Inmitten von verlassenen Gebäuden und leeren Straßen bleibt dir nichts anderes als nur noch ans nackte Überleben zu denken. Laut dem Astrobiologen Lewis Dartnell ist ein solches post-apokalyptisches Szenario durchaus realistisch. Und eine Pandemie wäre für ihn eine wünschenswerte Form von Weltuntergang.

Mit seinem neuesten Buch „Knowledge – How to Rebuild Our World from Scratch" hat Dartnell jedoch nicht einfach den post-apokalyptischen Ratgebern eine weitere Episode hinzugefügt. Wälzer für paranoide Preps gibt es genug. Das Netz ist voll mit jeder Menge absurder Videos mit Anleitungen dazu wie ein Hase oder eine Ratte gefangen und geschlachtet werden kann, bis hin zu all diesen kleinen Überlebenstricks, die du auch schon bei den Pfadfindern lernen musstest.

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„Knowledge ist dagegen als ein „Reboot Manual" für Einsame geschrieben. Nicht einfach eine Anleitung, um bloß die ersten Tage zu überleben, sondern ein Buch, das sich gleich der langfristigen Frage zuwendet, welches Wissen nötig wäre, um unsere Zivilisation nach einem Desaster neu zu erschaffen.

Untergang kann so schön sein. Bild: Nick Cobb / FlickR; Alle Bilder verwendet mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.

Je weiter sich unsere Technologien entwickelt haben, desto mehr sind sie für die meisten Menschen zur Magie geworden. Wir verstehen gerade noch unsere obskuren Systeme zu bedienen—ohne jedoch zu wissen, was in diesen Black Boxes eigentlich abläuft. Als Einzelne sind wir schlicht ahnungslos geworden, wenn es um die Grundlagen des Überlebens geht: Wie wird Nahrung produziert, Unterkünfte gebaut, sowie Kleidung und Medizin hergestellt?

Was wäre also, wenn eines Tages all unsere Experten dafür verschwinden? Hätten wir die Zeit, Lexika zu studieren und alles neu zu erlernen? Würden wir in Museen pilgern, um Maschinen wie das Spinnrad ein Revival feiern zu lassen? Am Morgen nach der Apokalypse steht zunächst eine „Zeit der Gnade", wie Dartnell es nennt. Denn in seinem Szenario sind die Supermärkte noch gefüllt, das Wasser fließt noch, die Häuser sind bewohnbar. Aber dieser kleine Garten Eden rottet dahin. Nahrung, Kleidung, Maschinen und andere Technologien werden sich zersetzen, verfallen, verschlechtern. Und danach?

Es wäre sinnlos, die gleiche Route der Entwicklung hin zu unserer Zivilisation nachzuziehen, denn historisch war der Weg in die hochtechnologisierte Gegenwart langwierig und quälend, meint Lewis Dartnell. In seinem „Reboot Manual" widmet er sich deshalb populärwissenschaftlich all jenem, was wir brauchen würden, um den Alltag zu überleben. Wie kann Essen aufbewahrt werden, was anstellen mit Getreide, wie mit Hitze und Kälte umgehen und mit einem Spinnrad an Kleidung gelangen.

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Dartnell behandelt all die Pfeiler des materiellen Überlebens: Seife und Leim herstellen, Eisen schmelzen, Energie aus Holz gewinnen, Kinder auf die Welt bringen, mit Anästhesie Operationen durchführen, oder netterweise auch einfach Schmerzmittel aus Pflanzen. Was auch tun, um an Strom zu kommen, und was aus einem Autowrack zaubern, das keinen Sprit mehr hat? Welchen Kalender wählen und wie kommunizieren? Ich habe mit dem Astrobiologen Lewis Dartnell über Apokalypse, Paranoia und Fiktion gesprochen.

Motherboard: Welche Apokalypse steht uns bevor?

Lewis Dartnell: Wir stehen als Spezies vor großen Herausforderungen wie der globalen Erwärmung, aber ich bin kein Kassandrarufer, der sich ein „Das Ende der Welt naht" - Schild um den Hals hängen möchte. Über Apokalypse zu sprechen ist für mich Motor für ein Denkexperiment darüber, auf welchen Fundamenten wir unser tägliches Leben stützen und wie wir unsere Zivilisation von neuem aufbauen könnten.

Die beste Art für die Welt zu enden wäre eine Art globaler pandemischer Virus. Eine Plage, die fast alle Menschen killt und hinter sich alle Dinge unberührt lässt. Das ist kein unmögliches Szenario, die Beulenpest oder der Schwarze Tod in der Mitte des 14. Jahrhunderts haben rund ein Drittel der Weltbevölkerung ausgelöscht, die Spanische Grippe nach dem Ersten Weltkrieg hat rund fünf Prozent der Bevölkerung das Leben gekostet. Wenn etwas Ähnliches heutzutage aufkommen würde, könnten wir angesichts der Dichte der Städte und all den interkontinentalen Flügen, eine weitaus fatalere Todesrate erleben.

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Lewis nimmt nur das wichtigste für den Neuaufbau einer besseren Gesellschaft mit. Bild: Ben Gilbert.

In diesem Szenario würde ja vieles eine Zeitlang noch weiterlaufen, wie gehabt.

Die nationale Stromversorgung würde innerhalb einiger Tage versagen, und damit auch das Internet. Es würde auch nicht lange dauern bis es weder Elektrizität, noch Strom, noch Gas geben würde. In einer Zeit der Gnade könntest du Nahrungsmittel, Treibstoff und Medikamente noch sammeln, doch bald wäre der Tag da, wo es nicht mehr reichen würde sich an der Karkasse einer untergegangenen Zivilisation zu bedienen.

Gerade Plätze, die wir als technologisch gut ausgerüstet empfinden, wären vielleicht der falsche Ort zum leben. Du würdest wohl eher aus den großen Städten ziehen müssen und einen Neustart am Land probieren. Vielleicht ein Ort mit fruchtbarem Boden, nahe einem Wald und dem Wasser, um fischen zu können. Gerade jemand wie ich, der in London lebt, wäre von einem solchen Kollaps unserer technologischen Zivilisation weitaus mehr betroffen, als ein Bauer, der schon viel mehr Wissen zu Überlebensgrundlagen hat.

Müsste ich in einer solchen Panik das Haus verlassen, kämen mir mehr als genug vollkommen nutzlose Sachen in den Sinn, die ich schnell noch einpacken würde. Was wäre das bei dir?

Hätte ich nur fünf Minuten um einige Sachen zu schnappen bevor ich von zu Hause fliehe, würde ich wahrscheinlich ein oder zwei Familienfotos einstecken, meinen MP3-Player um Musik zu hören und ein Solar-Ladegerät zum Campen. Vielleicht auch einige Luxusartikel wie Schokolade oder Instant Kaffee aus der Küche.

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Es gibt ja viele, die sich auf eine Apokalypse vorbereiten. Es ist faszinierend zu sehen, wie solche Ängste auch zum Massenphänomen werden können, wie der Blick in die Schweiz zeigt, wo während des Kalten Krieges 300.000 Bunker gebaut wurden.

Es gibt auch viele Menschen in den USA, die sich aktiv für das Ende der Welt wappnen, indem sie Nahrung und Waffen ansammeln und sich in isolierten Zonen in verstärkten Behausungen niederlassen. Was die meisten von ihnen übersehen, ist allerdings die Frage was tun wenn das Essen dann ausläuft. Wenige denken daran einen Pflug, ein Spinnrad oder einen Webstuhl zu horten oder an all das Wissen, das du brauchst, um Sachen selbst herzustellen. Das ist, worum es in meinem Buch geht. Es ist nur ein Buch, aber es gibt ja auch Pläne, um ganze Bibliotheken zu erhalten, wie die „Long Now Foundation".

Welche Filme und Bücher, findest du, vermitteln am ehesten wie die Welt wiederaufgebaut werden könnte und alles weiterlaufen würde?

Ich empfehle Bücher und Filme auf meiner Homepage. Die Besten finde ich sind Robinson Crusoe, Die geheimnisvolle Insel von Jules Vernes, Island in the Sea of Time und Earth Abides. 

Trotzdem habe ich mich beim Lesen deines Buches immer wieder gefragt: Warum sollte jemand in einer menschenleeren Welt unter diesen Bedingungen den überhaupt leben wollen?

Warum wollen Menschen nach einem Schiffsbruch oder einem Flugzeugabsturz geborgen warden? Ich denke, der menschliche Geist ist sehr stark und die meisten geben nicht auf. Die Menschheit ist eine soziale, kooperative Spezies und ich sehe keinen Grund, warum die Leute nicht versuchen würden, sich mit aller Kraft zusammenzuschließen und alles wieder aufzubauen.

Im Szenario der Apokalypse ist ja auch der Wunsch verankert, dass danach alles besser werden könnte. Und, wer wie ich keine Lust hat, sich mit dem Sammeln von Konservendosen und Jagdübungen darauf vorzubereiten, für den bieten sich sowohl Computerspiele als auch Smartphone Apps an. Und der schöne Gedanke, dass statt dem mühsamen Überleben und der Arbeit an einer neuen Zivilisation am Ende auch noch ein letzter Exzess stehen könnte.