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Popkultur

"Kriegsbeute" war die perfekte 'Game of Thrones'-Folge

Brutales Gemetzel, Drachen satt und charmante Momente unserer Lieblingsfiguren – was will man mehr?
Bild mit freundlicher Genehmigung von HBO

ACHTUNG: Spoiler!

Die neuste Folge Game of Thrones war gleich in zweierlei Hinsicht überragend: Einerseits demonstrierte Episode vier der siebten Staffel eine Rückbesinnung auf den charakterfokussierten Stil, den wir aus früheren Folgen kennen. Andererseits leistete sie bei der Schlacht am Ende – mehr ein Massaker eigentlich – Großartiges im Bereich der visuellen Erzählung. Das war mehr John Ford als Herr der Ringe und konnte es definitiv mit vergangen Schlachten in "Hartheim" oder "Schwarzwasser" aufnehmen. Zwischen charmanten Charaktermomenten, lebhafter Plot-Entwicklung und brutalem Gemetzel ging es aber auch um das Thema, das GoT-Fans aktuell neben Seeschlachten und Loyalitäten am meisten umtreibt. Die Rede ist natürlich von Getreiderationen.

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Getreiderationen, so erfahren wir nämlich, sind ein nicht unerheblicher Teil von dem, was die Lannister-Karren aus dem geplünderten Reach zurückbringen. Der spaßige Auftragsmörder und Allzwecknebendarsteller Bronn merkt, dass Jamie Lannister ziemlich bedröppelt dreinschaut, obwohl er gerade Highgarden erobert und dessen widerspenstige Herrscherin umgebracht hat. "Hat die Dornenkönigin dir vor ihrem Abschied einen letzten Tritt in die Eier verpasst?", fragt er. Wir wissen natürlich seit Folge drei, dass Lady Olennas Abschied mehr als ein beherzter Tritt in die Leistengegend war. Sie hatte schadenfroh zugegeben, Joffrey ermordet zu haben. Jetzt weiß Jamie, dass sein Bruder Tyrion die ganze Zeit unschuldig war. Und viel mehr noch: dass sein aktuelles Dilemma – seiner machthungrigen Schwester Cersei den Appetit zu zügeln – auf einem vermeidbaren Irrtum beruht. Oh ja, Olenna hat definitiv zuletzt gelacht.


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Bronn, der seinerseits wegen der mageren Vergütung seiner Dienste etwas angefressen ist, bekommt natürlich keine Antwort. Stattdessen soll er jetzt kurzerhand den örtlichen Bauern ihr Getreide abnehmen. Ihr verbaler Schlagabtausch erinnert an das lockere Rumgealber älterer Folgen, als alles noch so viel einfacher war.

Es folgt eine recht witzige Szene mit Königin Cersei, die sich vor Tycho Nestoris von der Iron Bank aus ihren finanziellen Verpflichtungen redet – man muss es der Serie wirklich lassen, eine Buchprüfung unterhaltsam zu gestalten. Sie will ihre Schulden mit den geplünderten Schätzen aus Highgarden bezahlen.

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Oben in Winterfell sieht es nicht ganz so rosig aus. Petyr Baelish schenkt Bran den verzierten Dolch, der damals bei seinem vereitelten Mordversuch benutzt wurde. Dieser war wieder maßgeblich für den Krieg der Fünf Könige und einen Großteil des Dramas in der Serie. Was Kontinuität und alles angeht, ist das ja ganz schön, aber ich frage mich wirklich, welchen Plan er damit verfolgt? Littlefinger gibt sich nicht mal Mühe zu erklären, wie er in den Besitz des Dolches gekommen ist oder warum dieser eine coole Erinnerung für Bran sein sollte (ich bin einmal fast an einem Nierenstein gestorben, deswegen steht der aber nicht auf meinem Kaminsims). Jedenfalls lässt sich Bran nicht so einfach veräppeln, weil – sein toter Blick sagt alles – er quasi schon die ganze Serie im Kopf gestreamt hat. Blöderweise ist Bran dadurch auch ziemlich creepy geworden, aber man kann schließlich nicht alles haben.

Gegenüber der armen Meera verhält sich der junge Stark wie ein arroganter Student auf Heimatbesuch in den Semesterferien, der seine alten Schulfreunde auslacht, weil sie noch nie von Friedrich Nietzsche oder Pavement gehört haben. Nachdem er es gerade so geschafft hat, ein Danke dafür über die Lippen zu bringen, dass sie ihn heil nach Hause gebracht hat, sagt Meera: "Du bist in dieser Höhle gestorben." Aber hey, sie selbst sollte für einiges dankbar sein. Immerhin hat sie fünf Staffeln in dieser Serie überlebt – an und für sich keine Selbstverständlichkeit. Deswegen zieht sie sich jetzt auch zum Vorruhestand aufs Land zurück.

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Noch mehr Körner und Getreide

Mit den fröstelnden Temperaturen, baufälligen Türmen und seiner rustikalen Inneneinrichtung mutet Winterfell nicht wie ein beliebtes Reiseziel an, aber seit Beginn der Staffel schon geht es dort schon zu wie am Hauptbahnhof. Diesmal ist es niemand Geringeres als Arya Stark, die vor den Toren steht und ein einfach herzzerreißend schönes Wiedersehen mit Sansa hat. Aber natürlich kommt auch die alte Schwesternrivalität nicht zu kurz, als Arya fragt: "Muss ich dich jetzt Lady Stark nennen?", und Sansa schlagfertig antwortet: "Ja." Aber wir haben es jetzt mit zwei erwachsenen Frauen zu tun, die beide insgeheim von den Leistungen ihres Gegenübers beeindruckt sind. Auch wenn beide nur von Geschehnissen erzählen, die wir quasi in Echtzeit miterlebt haben, sorgt das doch für einen überraschend rührenden Moment.

Ähnlich bewegend ist es auch, den drei jüngsten überlebenden Stark-Zöglingen dabei zuzusehen, wie sie im Godswood ihren Platz in der Geschichte ausklamüsern. Sansa ist jetzt vielleicht hochnäsig, Bran ein unerträglicher Snob ("Ich sehe jetzt ziemlich viel") und Arya eine eiskalte Killerin, aber sie sind Geschwister und nichts – bestimmt nicht Littlefinger, der sein Gastrecht langsam auslaufen sehen dürfte – wird sie jemals wieder trennen.

Die Folge ist geprägt von diesen Momenten trauter Familiarität, die zwischen den Rollen ausgetauscht wird. Ich denke dabei an die Szene, in der Brienne ein Kompliment von Podrick annimmt; an das Nicken, das Jaime Bronn gibt, als beide der Meinung sind, dass Randyll Tarly ein ziemlicher Wichser ist und an die augenzwinkernde Unterhaltung zwischen Missandei und Daenerys, kurz bevor Jon Snow in die Szene platzt.

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"The Spoils of War" hat wirklich alles. Es gibt sogar eine intime Szene zwischen Deanerys und Jon, als beide in trauter Zweisamkeit unter Dragonstone Höhlenzeichnungen der ersten Menschen von den White Walkern betrachten. Es gibt auch einen schönen Déjà-vu-Moment, als Daenerys erneut von Jon fordert, sein Knie zu beugen, um seine Leute zu retten. "Ist ihr Überleben nicht wichtiger als dein Stolz?", fragt sie ihn und stellt ihn damit vor die gleiche Wahl, vor die Jon einmal Mance Rayder gestellt hatte. Dieser Konflikt zwischen Pflicht, Pragmatismus und den eigenen Interessen gehört zu den grundlegenden Themen der Serie.

Das zeigt sich auch kurz darauf, als Daenerys von Tyrion erfährt, dass ihre Armee auf Casterly Rock in eine Falle gelotst wurde, ihre Flotte verloren und damit die Truppen der Tyrells und Martells geschlagen sind. Von Tyrions zaghaften Ratschlägen frustriert und einen Direktangriff mit ihren Drachen in Erwägung ziehend, wendet sie sich an Jon: "Was denkst du, soll ich machen?" Seine Antwort: "Die Menschen, die dir folgen, wissen, dass du etwas Unmögliches möglich gemacht hast. Vielleicht hilft das ihnen dabei, daran zu glauben, dass du weitere unmögliche Dinge möglich machst. Dass du eine andere Welt erbaust als diese beschissene, die sie immer gekannt haben. Aber wenn du sie benutzt, um Burgen zu einschmelzen und Städte abzubrennen, dann bist du nicht anders – dann bist du mehr vom Gleichen."

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"Flieh, du verdammter Idiot!"

Es ist nicht ganz klar, ob sich Daenerys Jons Ratschlag zu Herzen genommen hat, als sie zum Hauptereignis der Folge kommt. Davor gibt es aber noch eine Handvoll herzerwärmender Augenblicke. Arya und Brienne bewundern beide ihre Kampfkünste bei einem Sparring im Hof von Winterfell. Selten ist ein Trainingskampf so spannend gewesen und ihre offenkundige Freude daran trägt ihren Teil dazu bei. Sansa, die davon bei einem Gespräch über – du hast richtig geraten – Getreiderationen unterbrochen wird, schaut sich die Trainingseinheit mit großem Interesse an. Littlefinger schaut ebenfalls … interessiert zu. Sein Interesse ist aber eher von der unangenehmen Art. Er lauert auf seine Möglichkeit, sich in die Stark-Dynastie zu vögeln. Baelish merkt jetzt, dass er über Arya gehen muss, wenn er seine Pläne mit Sansa durchziehen will. An Aryas Reaktion sehen wir aber, dass sie seine ganze Durchtriebenheit mit einem Blick durchschaut.

Derweil führen Davos und Jon ein Kumpelgespräch auf den Zinnen von Dragonstone. Die Szene haben wir zwar schon in Tausenden Screwball-Komödien gesehen, sie kommt hier aber trotzdem kurzweilig rüber: "Was hältst du von ihr?" "Wem?" "Ich denke, du weißt, von wem ich spreche." "Ich glaube, sie hat ein gutes Herz." "Ein gutes Herz? Ich habe gesehen, wie du auf ihr gutes Herz starrst." Wir alle wissen, was kommt – was kommen muss! Aber bislang geht die Serie bislang mit der sich anbahnende Romanze zwischen dem King of the North und der Queen of Dragons überraschend locker um.

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Sie laufen Missandei über den Weg, die sonderbar naiv über die westereosschen Heiratsgepflogenheiten zu denken scheint. Nach ein bisschen respektvollem Rumgeflirte seitens Davos' kommt Theon an Land. Jon lässt ihn verstehen, dass er Theon nur am Leben lässt – was auch irgendwie Theons Hauptding zu sein scheint –, weil er Sansa von den Boltons gerettet hat. Theon fragt nach Daenerys, aber die ist nicht da. Ja, wo ist sie nur?

Im wahrhaft explosiven Episodenfinale sind wir wieder bei Bronn und Jaime in einer wundervollen Landschaft. Die beiden geben Samwells Bruder Dickon genau die Begrüßung, die jemand mit dem Namen Dickon verdient hat. Und obendrauf hat der Arme gerade seine erste Schlacht hinter sich – das auch noch gegen seine eigenen Leute – und tut sein Bestes, Haltung zu bewahren. Aber dann kommen die Dothraki schon über die Ebene angeheizt. Das Tosen der vielen Pferde ist schon lange zu hören, bevor sie am Horizont auftauchen. Mit dabei ist Daenerys, die sich an Drogons Nacken klammert wie Bastian an Fuchur in Die unendliche Geschichte.

Die nun folgenden Schlacht lässt sich kaum in Worte fassen. Ein Drache macht eine ganze Armee zu Asche, ein Dothraki wird von einem Skorpion aufgespießt (Ja, so heißen die Teile), brennende Soldaten rennen schreiend umher und ein dreibeiniges Pferd ist auch dabei. Aber nicht nur technisch ist die dieses grausame Spektakel perfekt inszeniert, sondern auch dahingehend, dass wir zwangsläufig für beide Seiten mitfiebern. Als Drogon angeschossen wird, schauen wir entsetzt zu, wie er mitsamt Daenerys zu Boden taumelt. Sekunden später, als sie sich wieder fangen und Drogon den Skorpion abfackelt, hält unsere Erleichterung nicht lange an. Jetzt galoppiert nämlich Jamie in seinen sicheren Tod.

Sogar mit der heillos überforderten Lannister-Armee leiden wir, die vor Angst in ihren Rüstungen zittert. Ein Dothraki merkt gegenüber Tyrion dann noch abschätzig an: "Deine Leute können nicht kämpfen." Als dann noch eine supertraurige Version von "The Rain of Castamere" im Hintergrund ertönt und Jamie das Gemetzel mit Entsetzen beobachtet, vergessen wir, dass das hier eigentlich die Bösen sind. Plötzlich fühlt sich dieser versprengte, dem Untergang geweihte Haufen schmerzlich menschlich an.

Wir sehen aus Tyrions Perspektive, wie Jamie auf Drogons Maul zu galoppiert. "Flieh, du verdammter Idiot", murmelt der kleine Bruder noch. In letzter Sekunde wird Jamie von Bronn gerettet. Nein, er war jetzt so lange dabei, er wird nirgendwohin gehen. Genau so wenig wie wir. Wir sind jetzt alle Lannisters und unsere Schuld an George R.R. Martin steht noch offen.

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