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Reisen

Die streunenden Katzen von Disneyland

Ungefähr 100 streunende Tiere leben am „glücklichsten Ort auf Erden", wo sie von den Mitarbeitern gefüttert, geimpft und kastriert werden.

Foto:  ​Loren Javier | ​Flickr | ​CC BY-ND 2.0

Die Katzen, ehemalige Haustiere, Streuner und andere, die sich in Südkalifornien herumtrieben, gab es in Disneyland quasi seit dem Augenblick, als der Vergnügungspark 1955 eröffnete. Vermutlich wurden sie zu Beginn von den Essensresten angezogen, die die Besucher zurückließen. Aber geblieben sind sie wahrscheinlich wegen der unzähligen Verstecke und weil sie Ratten jagen konnten. Heutzutage findet man sie an den Wegen bei der Main Street Station oder auf den Klippen am Big Thunder Trail oder auch in der Nähe von White Water Snacks. Disney hat den Parkbesuchern nie von der Streuner-Kolonie erzählt, die den „glücklichsten Ort auf Erden" bewohnt, doch das Unternehmen hat still und leise damit begonnen, die Katzen im „Magischen Königreich" zu kastrieren, zu impfen und zu markieren.

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„Sie haben uns angeheuert, weil sie Hilfe mit ein paar Katzen brauchten", sagt Karn Myers, Mitbegründerin der Tierschutzvereine Best Friends Catnippers und FixNation, die gegen das Töten von Streunern und Tieren in Tierheimen eintreten. 2001 ließ Disney Catnippers auf das Parkgelände, um ein Kastrationsprogramm durchzuführen („Einfangen-Kastrieren-Freilassen" beziehungsweise. „trap-neuter-return"), im Rahmen dessen die Katzen kastriert und überwacht, aber nicht eingeschläfert oder vom Grundstück entfernt wurden.  Disney wollte die Aktion allerdings geheim halten. „Wir durften kein Wort über die Arbeit, die wir hier machten, verlieren", sagt Myers. Auch heute noch will Disney keinen Kommentar zu der Katzenkolonie abgeben, obwohl ein Sprecher angab, dass es aktuell circa 100 Tiere gebe, die auf dem Gelände herumstreunen. 2007 endete die Zusammenarbeit von Disney und Catnippers. Momentan kümmern sich die Mitarbeiter von Disneyland mithilfe einiger örtlicher Tierkliniken um die Katzen. Es gibt Futterstationen und Unterschlüpfe, in denen die Katzen tiermedizinisch versorgt werden. Dazu gehören Flohbehandlungen, Kastrationen und Impfungen.

Bevor die Los Angeles Times 2010 einen Artikel darüber veröffentlichte, was außerhalb der Öffnungszeiten im Park geschieht, wusste die Öffentlichkeit nichts von den Disneyland-Katzen. Es war ein optimistischer Artikel, der die harte Arbeit der Mitarbeiter unterstrich, doch laut dem Autor Hugo Martin war das Unternehmen trotzdem nicht ganz zufrieden. „Nachdem mein Artikel erschienen war, sagten mir Vertreter von Disney, dass sie positives Feedback von Tierschutzvereinen erhalten hätten. Sie hätten sich aber gewünscht, dass der Sache nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre. Sie hatten allerdings nicht wirklich eine Wahl, ob sie mit mir sprechen wollten oder nicht. Ich lief um 2 Uhr nachts im Park herum, als ich die Katzen entdeckte."

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Seit Erscheinen des Artikels wird der Vergnügungspark von Katzenliebhabern immer wieder hoch g​elobt. Sie finden, dass die TNR-Programme ein gutes Mittel sind, um die Population streunender Katzen niedrig zu halten, ohne die Katzen in Tierheime zu geben, wo die meisten von ihnen mit Sicherheit eingeschläfert würden. Diese Herangehensweise steht im Kontrast zu den Universal Orlando Loews Hotels, welche vor einigen Jahren in die Kritik gerieten, weil sie streunende Katzen von ihren Hotelgrundstücken hatten entfernen und in Tierheime bringen lassen. TNR-Befürworter verurteilten die Entscheidung als „heuchleri​sch und herzlos", wohingegen ein Sprecher der Hotelkette dem Orlando Sentinel erwiderte, dass laut dem Gesundheitsministerium von Florida „streunende Katzen wegen der Gefahr durch Verletzung und Krankheiten ein ständiges Anliegen für Gemeinden darstellten" und dass es Priorität des Hotel sei, „die Gesundheit und Sicherheit von Gästen und Angestellten zu gewährleisten."

Das Problem mit streunenden Katzen ist, dass sie eine Menge Bakterien, Viren und Parasiten in sich tragen können —garstige kleine Viecher, die unter anderem Tollwut, Toxoplasmose, Seuchen, Tularämie und Rattenfleckfieber auslösen können. Selbst mithilfe von TNR-Programmen wie dem in Disneyland, können die halbverwilderten Tiere einigen Studi​en zufolge gesundheitliche Probleme bei Menschen auslösen, mit denen sie in Kontakt kommen. Außerdem können die Katzen—selbst wenn sie Ratten beseitigen—auch die Vogelpopulation dezimieren.

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„Sie haben das Recht auf ein gutes Zuhause", sagte mir Teresa Chagrin, zuständig für Tierpflege und Populationskontrolle bei PETA. „Diese ganzen Gelder sollten eigentlich aufgewendet werden, um zu verhindern, dass sie auf die Straße gesetzt werden."

Obwohl sie  es natürlich ablehnt, streunende Tiere einzuschläfern, hält die berühmt-berüchtigte Tierschutzorganisation auch nichts von TNR-Programmen, die sie als „zweites Aussetzen" bezeichnet. Stattdessen sollte man Chagrin zufolge den sozialisierten Katzen eine Chance auf ein dauerhaftes Zuhause geben.

Travis Longcore, wissenschaftlicher Leiter bei Urban Wildlands, einer Umweltschutzorganisation aus Südkalifornien, ist ebenfalls der Meinung, dass TNR-Programme keine Lösung darstellen. 2008 traten Urban Wildlands einem Zusammenschluss verschiedener Vogel- und Tierschutzorganisationen bei, die die Regelungen der Stadt Los Angeles zu streunenden Katzen  ​angefochten haben. Diese Koalition reichte eine erfolgreiche Petition für eine einstweilige Verfügung ein, die städtischen Tierheimen verbot, TNR-Maßnahmen zu ergreifen, bevor nicht eine Umweltprüfung stattgefunden hat. „Bei TNR geht es darum, Einschläferungen in Tierheimen zu verhindern, nicht darum, die Population zu reduzieren", sagt Longcore. „Es geht um einen moralischen Standpunkt, von dem aus das Leben der streunenden Katzen als wichtiger bewertet wird als die Folgen, die daraus entstehen können, dass man die verwilderten Tiere frei herumlaufen lässt.

Aus der  ​Kontroverse, die 2010 durch die Gerichtsentscheidung zu den TNR-Programmen ausgelöst wurde, lässt sich schließen, dass Longcore und PETA eine Minderheit darstellen. Die meisten Tierrechtsaktivisten sind sich sicher, dass TNR-Programme eine humane und sichere Art sind, mit streunenden Katzen umzugehen. Auch Disney ist in der Frage ziemlich zuversichtlich. Den meisten Parkbesuchern ist das alles sowieso egal. Falls sie die Katzen überhaupt entdecken, werden sie sich wohl bloß wundern, zum welchem Film-Franchise diese zauberhaften Wollknäuel gehören.