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Die ARD hat gerade 700 Euro im Darknet verpulvert – aber nicht für Koks und Nutten

Wie ein abenteuerlicher, öffentlich-rechtlicher Ausflug ins Darknet glücklicherweise schiefging.
Ganz schön eng und heiß hier, oder? Beckmann trifft den „Darknet-Insider" | Titelbild: Screenshot ARD
Ganz schön eng und heiß hier, oder? Beckmann trifft den „Darknet-Insider" | Titelbild: Screenshot ARD  

Reinhold Beckmann hat vergangene Woche einen abenteuerlichen Tagesausflug ins Darknet unternommen.

Dass in seiner Sendung vom 17.5. mit dem Titel „Angst vor dem Terror – wie gefährdet ist Deutschland?" eventuell schon eine gewisse angstschürende Grundstimmung vorgegeben wurde – geschenkt. Um die öffentlich-rechtliche Jugend- und Internet-Kompatibilität unter Beweis zu stellen, war Moderator Reinhold Beckmann (der sich nur noch durchgehend #BECKMANN auf der Sendungshomepage schreiben lässt) auch online-investigativ unterwegs, und zwar in "den dunklen Seiten des Internets". Ziel: Der Kauf einer Kalaschnikow.

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Die vermeintliche Gefahr eines kinderleichten Waffen-Amazons großzügig mit bereits vorhandenen Terror-Angsttendenzen in der Bevölkerung zu vermischen, scheint natürlich schon auf den ersten Blick wie plumpe Stimmungsmache. Doch glücklicherweise zeigt Beckmann, wenn auch unfreiwillig: So einfach ist das alles gar nicht.

Um ins Darknet zu kommen, hat Beckmann sogar extra einen „anonymen Hacker" engagiert, der den Reporter in herkömmlicher Branchenuniform (schwarzer Kapuzenpulli) Schritt für Schritt ins Darknet führt. Der angeheuerte "Insider", der Beckmann aus welchen Gründen auch immer in einem dunklen Serverraum empfängt, hilft ihm zwar, eine Waffe aus einem nicht näher bezeichneten Darknet-Schwarzmarkt zu bestellen und in Bitcoin zu bezahlen.

Auf die versprochene Kalaschnikow wartet die Redaktion aber bis heute. Und das trotz Zahlungsbestätigung!

Während das Team möglicherweise noch überlegt, den "Insider" ein weiteres Mal in seinem Serverraum zu besuchen, um mit dessen Hilfe dem Händler eine gepfefferte Negativ-Bewertung zu verpassen, darf ein Zollbeamter aus Köln als Experte und zur Ehrenrettung Beckmanns noch bestätigen, dass die Grundbeschaffung einer Waffe eben doch nicht so leicht sei, wie BKA-Chef Münch fünf Minuten vorher in dem Beitrag noch behauptet hatte. Laut dem Zollbeamten hätten die Behörden außerdem zahlreiche Möglichkeiten, um Waffenlieferungen im Postpaket abzufangen.

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Mindestens ebenso wahrscheinlich ist es allerdings, dass sich Beckmann hat bescheißen lassen. Es ist kein Geheimnis, dass das Darknet voller Abzocker ist. Das gilt erst recht für die ganz besonders reißerisch beworbenen, ethisch verwerflichen Angebote wie die für Auftragsmorde oder eben teure Waffen.

Nach dem Evolution-Scam: So wollen Darknet-Dealer ihr Vertrauensproblem lösen

Wir können in diesem Fall davon ausgehen, dass #BECKMANN und der "Insider" bei ihrem Waffen-Scam kein Treuhandverfahren nutzten, das bei vielen Transaktionen auf Deepweb-Märkten Standard ist. Dabei wird das Geld zwischen Käufer und Verkäufer so lange von einem Dritten einbehalten, bis die Ware geliefert wurde.

An dieser Stelle wäre es vielleicht ganz gut, nochmal zu rekapitulieren, was wir denn eigentlich über die Verbindung von Waffenhandel im Darknet und Terrorismus wissen: so gut wie gar nichts. Keine der Spuren und Hinweise – auch nicht die Meldung, dass Waffen für die IS-Anschläge in Paris aus dem Darknet geordert wurden – hat sich bislang als haltbar erwiesen.

Hier hat jemand mal wirklich mit Waffen gehandelt: Die wundersame Karriere des Darknet-Dealers Gunny

Immer wieder wird zwar großzügig ein solcher Zusammenhang hergestellt (dunkle Absichten = dunkles Internet?), doch es gibt nur wenige Online-Waffenhändler, die auch tatsächlich liefern. Oft handelt es sich, zumindest in Europa, selbst dann auch eher um umgebaute Schreckschusspistolen.

Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Terroristen Waffen im Darknet bestellen. Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass sie die Waffe persönlich entgegennehmen und beispielsweise aus früheren oder aktuellen Kriegsgebieten schmuggeln, statt sie sich per Post um die Welt schicken zu lassen und keine Garantie zu haben, dass das, was sie erhalten, nicht nur ein eingepackter Sack Zucker ist.

Für ihr Experiment hat die Redaktion also einem Betrüger mehr als 700 Euro in Bitcoin geschenkt. Wir fühlen trotzdem ein bisschen mit Herrn Beckmann mit, sorry, #BECKMANN natürlich. Zwar hat er nicht wirklich Licht ins Darknet bringen können, aber mit seinem missglückten Investigativ-Versuch zumindest einen Insider-Beweis aus erster Hand erbracht: Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint. Und das ist nun wirklich typisch für den Handel mit illegalen Gütern im Deepweb.