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Die große Ozean-Volkszählung ist fast komplett: Hier sind die neuen Meeresbewohner

Guten Tag, wir sind neu hier!
​Auch neu: Ein sogenannter Hufeissenwurm. Alle Bilder: WoRMS. Mit freundlicher Genehmigung.

Die größte Volkszählung der Weltmeere ist fast abgeschlossen. Acht Jahre lang haben Taxonomiker für die Mammutaufgabe gebraucht, das Inventar der Meere zu katalogisieren und festzustellen, was in den Ozeanen kreucht und fleucht.

Der Zensus World Register of Marine Species (​WoRMS), präsentiert vom belgischen Flanders Marine Institute, ist die erste definitive Liste aller marinen Organismen, die wir je gesehen und beschrieben haben. Sie kann nun von Forschern, Studenten und jedem der Lust hat, online genutzt werden.

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Dafür verglichen die Biologen existierende Datenbanken und räumten bei dieser Gelegenheit gleich mit sehr vielen verwirrenden Duplikaten auf. Fast die Hälfte, also fast 200.000 doppelte Spezies wurden wieder von der Liste gestrichen; so tauchte eine relativ banale Seeschnecke unter 113 verschiedenen Namen auf (sie wurde allerdings schon 1792 beschrieben und ist nun wirklich ein alter Hut).

Endlich herrscht also ein wenig Ordnung im Ozean in Form einer langen Liste, die die ​unendliche Vielfalt der Meeresbewohner übersichtlich katalogisiert.

Die umfassende Inventur begann 2008 und noch immer vermuten die Forscher, dass rund eine halbe Million unerforschter Organismen in den Meeren leben. Und in den Laboratorien der Welt warten ungefähr 10.000 neue Spezies nur noch auf eine Beschreibung und einen schicken lateinisch-kursiven Namen. Denn wer ein Tierchen findet, darf es übrigens benennen: Eine Milbe aus dem Meer, (die parasitären Cousins der Spinnen) wurde zum Beispiel nach Jennifer Lopez benannt, weil beide „aus Puerto Rico stammen"—ein kreativer Erguss des Biologen Vladimir Pešić der University of Montenegro in Podgorica, der der Litarachna lopezae ihren Namen verlieh.

Die Anzahl der uns bekannten Spezies liegt nun im Meer bei 228.450, Tendenz natürlich steigend. Darunter sind 18.000 Fische, 1.8000 Seesterne, 93 Wale und Delfine und 816 Tintenfische. 86 Prozent der Bewohner sind Tiere, und allein im vergangenen Jahr wurden 1.451 neue Spezies beschrieben und benannt.

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Hier sind ein paar Neueinsteiger in den Meereskatalog vom vergangenen Jahr, die wir euch gern einmal näher vorstellen:

Der indonesische Froschfisch

Histiophryne psychedelica verdient seinen Namen der irritierenden Färbung, die der Fisch zur geschickten Ablenkung nutzt, bevor er völlig verblüffte Shrimps in der Nähe auffrisst. Der neue Anglerfisch ist ein gebürtiger Indonesier, der sich zu einem Ball zusammenrollen kann und gern so tut, als sei er eine Koralle.

Der Sterngucker-Shrimp

Er wirkt wie eine Cartoonfigur mit schwindeligen Augen, die ständig nach oben starren: Der Sterngucker-Shrimp Mysidopsis zsilaveczi ist die Lieblingsspezies des Forschers (und Shrimp-Redakteuers) Jan Mees vom verantwortlichen Marineinstitut in Belgien und lebt auf Klippen vor der Küste Südafrikas.

Er hat gestreifte Augen, die den Eindruck erwecken, permanent entrückt gen Himmel gerichtet zu sein. In Wirklichkeit dienen sie jedoch zur Abschreckung von Feinden.

Die schwimmende Plastiktüte

Das Meer ist ja wirklich voller Plastik, schrecklich! Das stimmt zwar, in diesem Fall handelt es sich in jedoch um eine harmlose Qualle: Keesingia gigas hat keine Tentakeln und ist auch nicht giftig— sie ist einfach nur ein weißer Fleck, der etwas ziellos herumschwimmt, um von Schildkröten für Müll gehalten zu werden.

Die Alge, die dich ahnungslos macht

Die Nitzschia Bizertensis ist eine Neuentdeckung, die besonders heimtückisch ist. Kaum mit bloßem Auge sichtbar, löst diese tunesische Miniatur-Alge (sie besteht nur aus einer einzigen Zelle mit zwei Chloroplasten) durch die Freisetzung von Domoinäure schwerwiegende Nervengift-Probleme aus. Ihre Opfer leider an plötzlicher Amnesie, also dem Verlust des Kurzzeitgedächtnis—ähnlich wie bei einer Muschelvergiftung​.

Buckeliger Delfin

Zum Abschluss noch ein etwas komplexeres Lebewesen: Dieser freundliche Delfin mit dezenter Rückenflosse und in ausgewachsener Form auch oft mit rosa Sprengeln auf dem Bauch tummelt sich zwischen Nordustralien und Neuguinea und kann eine Körperlänge von bis zu 2,70m erreichen. Er hört auf den Namen Sousa Sahulensis

Solltet ihr nun zufällig ein gesteigertes Interesse an seltsamen Meereslebewesen mit der preußischen Ordnungsliebe eines Taxonomisten verbinden, dann könnt ihr euch beim WoRMS zum Beispiel für den interessanten Job eines ​Bandwurm-Redakteurs bewerben oder eure eigenen Klassifizierungen hochladen—der Zensus des Meeres ist natürlich eine fortlaufende Arbeit und die Komplexität der Lebensformen so tief wie das Meer.