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So lang müsste das Produktions-Label deines T-Shirts wirklich sein

„Your Label doesnt tell the whole story“ legt die wahren Geschichten hinter dem allzu knappen Produktionshinweis „Made in Bangladesch“ offen.

​100 Prozent Baumwolle klingt gut. Zum Glück ist das schicke Shirt nicht aus Synthetik, denn das ist es ja was zählt. Außerdem interessiert noch die Waschanleitung (bloß keine Handwäsche!) und das gute Stück ist gekauft. Made in Bangladesch lässt sich leicht überlesen und was das genau bedeutet, weiß eh kaum jemand, der nicht einmal ausführlich recherchiert hat.

Im Prinzip haben wir wenig Ahnung über die Herkunft unserer Produkte. Ein paar wage Ahnungen von Frauen, die in Hallen unsere Kleidung zusammen nähen und jedes Jahr eine Horrormeldung von Hauseinstürzen, Fabrikbränden oder giftigen Chemikalien.  ​Natürlich will niemand Kleidung tragen, bei deren Produktion Menschen sterben, doch der Preis hat in vielen Fällen immer noch mehr Gewicht als die Moral.

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Wenn Unternehmen jenseits von Greenwashing und guten Vorsätzen gegen moderne Sklaverei, menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse und gesundheitsgefährdene Verarbeitungsprozesse vorgehen wollen, wäre zum Beispiel auch die korrekte Beschriftung des Kleidungslabels ein aufklärerischer Schritt, den Kunden über seinen Kauf zu informieren.

Diesen in der Realität eher utopischen Schritt ging das kanadische Fair Trade Network   in Zusammenarbeit mit ​ReThink Communications bei ihrer Aktion „The Label Doesn't Tell The Whole Story". In der Werbekampagne für ein fiktives Modelabel präsentieren sie Kleidungsstücke, die auf ihren Schildchen die wahre Geschichte ihrer Existenz erzählen.

100% Baumwolle. Made in Bangladesh von Joya. Mit elf Jahren verließ sie die Schule um ihre zwei Brüder und ihrer frisch verwitweten Mutter zu helfen. Ihr Vater starb als in der Baumwollfabrik, in der er arbeitete, ein Feuer ausbrach. Jetzt arbeitet sie in dem Gebäuder gegenüber der abgebrannten Fabrik, welche sie permanent an das Risiko erinnert, dem sie tagtäglich ausgesetzt ist.

„In der Kleidungsindustrie wird viel darüber gesprochen, doch soweit ich das sehe gibt es keine Verbesserungen", erzählt Sean McHugh, Geschäftsführer des kanadischen Fair Trage Network in einem Interview mit ​CoExist. „Die Probleme sind nicht verschwunden und ehrlich gesagt, haben sie sich nur noch verschlimmert." Seiner Meinung nach fehlen langfristige Lösungen, die wirklich greifen.

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Die Geschichten auf den abgedruckten Labels sind nicht fiktiv sondern liefern tatsächliche Hintergründe. So lautet sie zum Beispiel auf dem Schild des gelben Pullovers oben:

Made in Kambodscha von Behnly, neun Jahre alt. Jeden morgen steht er um fünf Uhr auf und macht sich auf den Weg in die Kleidungsfabrik, in der er arbeitet. Es ist dunkel, wenn er los geht und dunkel wenn er zurück kommt. Er trägt leichte Sachen, da die Temperatur in dem Raum, in dem er arbeitet 30 Grad beträgt. Der Staub in dem Raum dringt ihm in Nase und Mund. Er bekommt weniger als einen Dollar dafür, dass er  langsam erstickt. Eine Atemmaske würde das Unternehmen lediglich zehn Cent kosten.

Mittlerweile steigt zwar das Angebot an Fair Trade-Kleidung, doch die riesige Masse auf den Wühltischen und Kleiderstangen unserer Geschäfte ist immer noch billig produziert. Bisher greifen erst wenige Menschen auf die kleine Auswahl der oft teureren Alternativen aus fairen Produktionsstätten um.

„Es ist Zeit für eine Veränderung", so McHugh. Je bewusster und kritischer die Konsumenten ihre Produkte auswählen, umso mehr Potential gibt es für Verbesserungen in den Erzeugerländern und Produktionsketten. Das ​Fair Trade-Kondom des Berliner Start-ups Einhorn, die ​Karma Chakhs des Berliner Visionärs Van-Bo LeMentzel oder auch der verpackungslose Supermarkt ​Original Unverpackt sind nur ein paar Beispiele dafür, dass eine faire Produktion weder ein utopisches Wolkenschloss noch überambitioniertes Gutmenschentum sein muss.