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Wie 4chan-Trolle Shia LaBeoufs Livestream zerstörten und seine Geheimlocation aufspürten

Der Schauspieler wollte einfach nur mit Live-Video und Flagge gegen Trump protestieren. Doch dann kam 4chan – und nach weniger als 24 Stunden war die Flagge durch ein anderes Symbol ersetzt.

Aller guten Dinge sind drei. Mit diesem Mantra und der von 4chan bekannten Kompromisslosigkeit haben Nutzer des Messageboards vergangene Woche Jagd auf Shia LaBeoufs Livestream gemacht, mit dem er ein Zeichen gegen Trump setzen wollte. Schließlich musste LaBeouf seine Aktion an einen geheimen Ort verlegen – doch nachdem anonyme User auf 4chan zu einer Schnitzeljagd geblasen haben, dauerte es nur einen Tag bis er auch dort seinen Livestream abbrechen musste.

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Begonnen hat LaBeoufs Livestream-Aktion mit dem Namen „He Will Not Divide Us" am Tag von Donald Trumps Amtseinführung: Die gemeinschaftliche Aktion mit den Künstlern Rönkkö und Turner soll all jenen eine Plattform bieten, die dem am 20. Januar 2017 vereidigten US-Präsidenten eine Stimme entgegensetzen wollen. Dafür installierte der Hollywood-Schauspieler eine Kamera an der Außenwand eines New Yorker Museums und rief Gleichgesinnte dazu auf, vor die Kameralinse zu treten. Sie sollen „den Satz 'He will not divide us' so oft und so lang wiederholen, wie sie wollen", heißt es auf der offiziellen Webseite.

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Die Aktion sollte während der gesamten Amtszeit von Donald Trump fortgesetzt werden, doch nach weniger als einer Woche wurde sie zum ersten Mal abgebrochen.

Für jene Trolle unter den 4chan-Usern, denen LaBeouf schon lange ein Dorn im Auge oder einfach nur wie ein dankbares Ziel erschien, stellte die Protestaktion schon damals ein gefundenes Fressen dar. Sie versammelten sich vor dem Museum und skandierten lautstark Pro-Trump-Slogans – sehr zum Unmut LaBeoufs. Der 30-Jährige geriet mehrmals in Konflikt mit seinen Gegnern und wurde schließlich wegen Übergriffigkeit und Belästigung vor laufender Kamera festgenommen. Auch der zweite Anlauf des Livestreams, der diesmal in Albuquerque, New Mexico, stattfand, war nur kurze Zeit am Netz.

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Doch LaBeouf zog seine Lehren aus den missglückten Aktionen. Nachdem ihm spätestens jetzt klar gewesen sein muss, dass er im Fadenkreuz von 4chan-Usern und rechten Trolle steht, ging er nun vorsichtiger vor. Für den dritten Anlauf seines Projekts suchte sich der Transformers-Star einen geheimen Unterschlupf. Statt Trump-Gegnern zeigte das live im Netz übertragene Bild nun eine „He Will Not Divide Us"-bedruckte Flagge, die gen Himmel ragte. Was der 30-Jährige nicht ahnen konnte: In weniger als 24 Stunden sollte die Flagge wieder verschwunden sein und durch ein „Make America Great Again"-Basecap sowie ein T-Shirt des Internet-Memes Pepe the Frog ersetzt werden – hinterlassen als Siegeszeichen jener Trolle, die online zur Jagd auf LaBeouf geblasen hatten.

So hat die 4chan-Community den geheimen Ort von LaBeoufs Livestreams gefunden

Den Auftakt der jüngsten Jagd-Aktion markierte ein eigentlich harmloses Foto am 8. März auf dem der Schauspieler für ein Foto mit einem Fan in einem Restaurant posierte. Was LaBeouf nicht geahnt haben dürfte: So verriet er seinen aufmerksamen Online-Trollen, dass er sich im kleinen Ort Greenville im US-Bundesstaat Tennessee befand. Es war die erste Spur eines Rätsels, an dessen Lösung 4chan-User fortan in einem eigenen Thread mit vereinten Kräften arbeitete. Um sicherzustellen, dass der Schauspieler nicht nur auf der Durchreise war, sondern aus Tennessee wirklich seinen Livestream sendete, verglichen seine Internethäscher die Zeit des Sonnenuntergangs in Greenville mit der des Livestreams – sie stimmte überein.

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Aus Mangel an weiteren Informationen konzentrierte man sich fortan auf die einzigen Hinweise, die der Livestream bot: den freien Blick auf den Himmel. Bis auf Kondensstreifen war dort jedoch nicht viel zu sehen. Das änderte sich, als sich die Flugbahnen zweier Flugzeuge kreuzte: Durch den Abgleich mit einem Online-Flugradar war es möglich, das gesuchte Gebiet näher zu bestimmen. Ein weiterer Durchbruch gelang schließlich mit Hilfe eines dritten Flugzeugs: Mit dessen Flugbahn konnten ein Koordinaten-Dreieck gebildet werden, das eine noch präzisere Lokalisation der Quelle ermöglichte.

Parallel verfolgten die 4chan-Jäger die Laufbahnen der im Livestream zu sehenden Sterne. Gemeinsam mit den Erkenntnissen aus dem Flugzeugradar-Abgleich ergab sich dadurch ein sehr überschaubarer Bereich, innerhalb dessen sich die gesuchte Flagge befinden musste. Nach diesen technisch überaus anspruchsvollen Lösungsschritten war ausgerechnet der finale Hinweis geradezu banal: Ein in Tennessee beheimateter Nutzer des Messageboards setzte sich ins Auto und fuhr hupend durch das vorher abgesteckte Gebiet. Alles, was jetzt zu tun blieb, war seine Huplaute mit denen in der Übertragung abzugleichen – ein Kinderspiel.

Die Fahne war endgültig lokalisiert. Jetzt brachte sich eine Gruppe 4chan-Nutzer in Stellung und wartete einen passenden Moment ab. Als dieser gekommen war, stahlen sie die Flagge und hissten vor laufender Kamera ihr Basecap und das Pepe-T-Shirt. Die Utensilien waren noch für einige Zeit im Livestream zu sehen und zeugten dort von LaBeoufs Niederlage, bis dieser die Übertragung schließlich zum dritten Mal einstellte. 4chan hatte erneut gewonnen.

Mit der Online-Schnitzeljagd kam einmal mehr jene Seite des Messageboards zum Vorschein, für die 4chan berüchtigt ist. Das Forum ist nicht nur als Meme-Schleuder und für seinen anarchischen Humor bekannt, sondern sorgt auch immer wieder durch Troll-Aktionen für Aufmerksamkeit, die über die weitverbreitete Ironie hinausgehen und rassistisch oder gewaltverherrlichend sind. Erst vergangene Woche geriet ein Teil der Community für die unverhohlen geäußerte Anerkennung des mutmaßlichen Kindermörders von Herne in die Schlagzeilen. Die zielstrebige Verfolgung von LaBeoufs Protestaktion enttarnt jedoch mehr als die rechte Gesinnung seiner Häscher: Sie zeigt auch, mit welcher technischen Versiertheit viele 4chan-Nutzer agieren, um jede als liberal wahrgenommene Person oder Aktion ins Visier zu nehmen. Die Zeiten, in denen verschrobene Trolle lediglich harmlose Spam-Kommentare abgesetzt oder fragwürdige Inhalte ausgetauscht haben, sind schon lange vorbei und das mussten nun auch Shia LaBeouf und seine denkbar harmlose Kunstaktion erfahren.