Menschen sind nie zufrieden. Wir müssen immer noch mehr haben. Das liegt nun mal in unserer dummen menschlichen Natur. Wir machen uns vom Universum geschenkte Dinge kaputt oder ungenießbar, indem wir zu gierig und unverhältnismäßig agieren. Diese ungezügelte Völlerei ist eines der größten Rätsel der Menschheit.Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass unser Planet wahrscheinlich schon irreversibel zerstört ist, können wir eigentlich nur noch eine Sache richtig auskosten: Sex. Aber selbst da müssen wir noch rummäkeln und schreiben Lieder, zu denen man miteinander schlafen kann. Aber ist Musik überhaupt in der Lage, Sex zu verbessern? Ich meine, wir haben ja schon genügend Geschichten gehört, in denen eher vom Gegenteil erzählt wird. Die Optimistin in mir glaubt jedoch, dass zumindest einige Songs da ihren Dienst tun. Aber was nützen hier Spekulationen, eigentlich gibt es nur einen Weg, eine Antwort auf die Frage zu finden: Ich muss das Ganze selbst ausprobieren.
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Im Namen der Wissenschaft überzeuge ich also meinen Freund davon, in Begleitung verschiedener Lieder mit mir zu schlafen. Mein Ziel: herausfinden, ob es so etwas wie "gute" Sexmusik wirklich gibt. Und los!Für den Anfang unserer Nachforschungen haben wir mit Robbie Williams direkt niemand geringeren als den King of Sex auserkoren. Im wahren Robbie-Spirit lassen wir "Rock DJ" aus meinem Handylautsprecher ertönen, als wir mit einem schlimmen Kater mitten am Tag bei strahlendem Sonnenschein im Bett herumlümmeln. Ich habe mich aus zwei Gründen für dieses Lied entschieden: Zum einen ist Robbie Williams die letzte verbleibende britische Institution in Sachen Musik und zum anderen liebt mein Freund Robbie noch mehr als mich. "Rock DJ" ist somit ein todsicheres Mittel, um ihn selbst während unserer komischsten sexuellen Erfahrung bei der Stange zu halten.Nach dem ersten Refrain rückt das Lied allerdings in den Hintergrund. Robbies Stimme klingt wie ein weit entfernter Engelschor, hebt uns mit jedem Stoß aber dennoch in neue Sphären und ermutigt uns zu neuen Stellungen. "Er feuert uns an", denke ich mir. In diesem Moment wird mir klar, dass jeder Mensch "Rock DJ" auf seine eigene Art und Weise interpretieren kann. Der Sex ist auf jeden Fall sehr gut und nach einem schönen Abschluss muss ich mir unweigerlich vorstellen, wie Robbie als eine Art Schutzengel oben im Himmel ganz stolz und mit einer Freudenträne im Augenwinkel auf mich und meinen Freund herabblickt.
Robbie Williams – "Rock DJ"
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Céline Dion – "My Heart Will Go On"
Für viele junge Menschen Ende 20 war die Sexszene von Titanic damals der erste Berührungspunkt in Sachen Austausch von Körperflüssigkeiten. Die aufregende Flucht in das Luxusauto, Leonardo DiCaprios engelsgleiches Gesicht, das langsame Einsetzen von Céline Dions Ballade "My Heart Will Go On", Kate Winslets Handabdruck auf dem beschlagenen Fenster – die perfekten Zutaten für eine Portion ernsthaftes Liebemachen.
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Wie sich herausstellt, ist Liebemachen etwas, das nur in Filmen passiert. Zwar will ich mir einreden, dass der Sex mit meinem Freund genauso romantisch ist wie der von Leo und Kate, aber das entspricht einfach nicht der Wahrheit. Wir machen es ausschließlich in der Missionarsstellung und haben des Gefühl, dass uns irgendeine unbekannte Kraft davon abhält, etwas versauter zu werden. Und das alles nur wegen der musikalischen Untermalung. Das Ganze ist ziemlich unspektakulär, aber ich muss an dieser Stelle auch zugeben, dass ich in meinem Kopf mitsinge. Auch irgendwie ein kleiner Erfolg.
Berlin – "Take My Breath Away"
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Wegen unserer unbewussten Hingabe zu unseren Rollen beschränkt sich der Geschlechtsverkehr jedoch wieder nur auf die Missionarsstellung. Mittendrin bekomme ich einen Krampf im Bein und bitte meinen Freund, kurz aufzuhören. Dann bin ich oben, sage jedoch laut "Scheiß auf das Lied!" und mache es mir anschließend selbst, während sich mein armer Freund fragt, was schiefgelaufen ist. Alles in allem nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich gut.Zu dem wahrscheinlich besten Song aller Zeiten Sex zu haben, bringt eine gewisse Drucksituation mit sich. Werde ich beim Blasen unbewusst den Schwanz meines Freunds als Mikrofon benutzen? Werden wir unsere Stoßbewegungen dem Takt der Musik anpassen? Werden wir uns danach ganz reflexartig einen High-Five geben?Zwar benutze ich das Gemächt meines Freundes nicht als Mikrofon, aber wir ficken dennoch im Rhythmus von "Summer of 69". Und zwar das ganze Lied hindurch Doggy-Style. Immer wenn der Refrain einsetzt, beugt sich mein Freund nach vorne und küsst mich, so als ob er sich dafür bedanken will, dass er mich zu Bryan Adams beglücken darf. Männliches Empowerment in Reinform.Zu "Summer of 69" Sex zu haben, ist eine wahrlich intuitive Erfahrung: Es gibt keine Logik und Hemmungen, sondern nur das überwältigende Verlangen danach, mit Bierdose in der Hand auf eine Karaokebühne zu springen und den Evergreen unter tosendem Applaus des Publikums zum Besten zu geben. 3 Minuten und 32 Sekunden lang sind mein Freund und ich im Himmel. Allerdings sind wir doch alle Himmel, wenn wir Bryan Adams hören, oder?
Bryan Adams – "Summer of 69"
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Brand New – "137"
Uncle Kracker – "Follow Me"
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Leider ist die ganze Erfahrung so schlimm, dass ich mich mehr mit der Wut in meinem Bauch beschäftigte als mit dem Sex. Ich werde richtig sauer und weise meinen Freund aggressiv an, seinen Schwanz aus meiner Muschi zu ziehen. Er ist dementsprechend verwirrt, wir hassen jede einzelne Minute dieser Tortur. Und schwupps sind auch alle meine heißen Cowboy-Träume zerplatzt. Vielen Dank auch, Uncle Kracker.Obwohl es in diesem Song um nichts anderes als um den Koitus geht, lässt er absolut keine sexuelle Stimmung aufkommen. Das Ganze ist die musikalische Verkörperung von zwei mit Mayo bestrichenen Weißbrotscheiben, die immer wieder gegeneinander geklatscht werden. Oder von einem schlaffen Penis. Oder von rohem Hühnchen. Oder vom schwachen Händedruck deines creepy Onkels, der im betrunkenen Zustand noch unangenehmer wird. Ja, genau das ist dieses Lied von Charlie Puth und Meghan Trainor.Was den Geschlechtsverkehr angeht, sage ich es mal so: Ich bin überrascht, dass mein Freund und ich überhaupt bis zum Ende durchhalten. Ich würde sogar sagen, dass das der unerotischste Song aller Zeiten ist. Und ich habe aus Versehen schon mal zu einer Live-Aufnahme von Phantom der Oper gebumst.Alles an "Sex on Fire" ist scheiße: Der ganze Text besteht nur aus ungefähr zehn Wörtern und Stereophonics hat das Lied mit "Dakota" sowieso schon viel besser gemacht. Die größte Hürde in diesem Kings of Leon-Hindernisparcour ist aber das Erreichen eines Orgasmus. Als mich mein Freund oral befriedigt, bin ich zwar kurz davor, aber dank der Zeile "hot as a fever / rattle of bones" können wir wieder ganz von vorne anfangen. Wie sich herausstellt, ist es einfach unmöglich, bei diesem Lied zu kommen. Um ehrlich zu sein, hasse ich weiße Männer aufgrund dieser Erfahrung jetzt nur noch mehr. Schlechte Karten für meinen Freund. Alles in allem: nicht gut.Dank meines hochwissenschaftlichen Experiments komme ich zu dem Schluss, dass es nichts bringt, zu Musik Sex zu haben. OK, wenn sie lediglich im Hintergrund läuft, geht das vielleicht noch klar. Es ist aber definitiv keine gute Entscheidung, bewusst ein bestimmtes Lied anzumachen und dann in die Kiste zu hüpfen. So entsteht kein filmähnlicher Moment, es wird nicht zu "euem Song" und der Orgasmus fühlt sich dadurch auch nicht besser an. Ihr macht euch so höchstens euer Sexleben oder gar eure ganze Beziehung kaputt. Nach dem Akt liegt ihr nämlich einfach nur da, starrt die Decke an und in eurem Kopf schwirren die "Ooohhhooohooo"-Chöre von "Sex On Fire" in einem endlosen Loop umher. Und dann fragt ihr euch, wie es überhaupt so weit kommen konnte und ob wir Menschen es überhaupt verdienen, Sex zu haben.Folge Noisey auf Facebook, Instagram und Snapchat.