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Chemiker beobachten erstmals einen radioaktiven Zerfall in Echtzeit

Angesichts der Halbwertzeit des Jod-125 war zwar ein gewisses Durchhaltevermögen für die Studie notwendig. Doch die revolutionäre Entdeckung könnte nun die Krebsforschung voranbringen.
Bild: Sykes Group, Tufts University

Der radioaktive Zerfall klingt nach einem explosiven, abenteuerlichen Ereignis, bei dem am liebsten die ganze Familie zugucken will. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine langwierige Geschichte. Doch nach wochenlangem Warten und teilweise 18-stündigen Sitzungen im Labor können sich Chemiker der Tufts School of Arts and Science nun mit Recht als Pioniere bezeichnen: Sie beobachteten zum allerersten Mal, wie sich die Atome eines Elements in ein anderes verwandelten.

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Wie so oft war die Entdeckung ein zufälliges Nebenprodukt während die Chemiker auf der Suche nach energiearmen Elektronenemissionen mit Jod-125 experimentierten. Jod-125 ist ein Isotop von Jod, das oft zur Strahlentherapie bei Krebspatienten eingesetzt wird. Die Forscher machten die Beobachtung mit einem extrem empfindlichen Rastertunnelmikroskop, durch das sich sogar einzelne Atome erkennen lassen.

Nun transformierten sie per Elektroneneinfang ein Proton in ein Elektron und sahen dabei, wie Jod-125-Atome zerfielen und sich in Tellur-125, ein nicht-radioaktives Isotop, verwandelten. Und hier kommt das wissenschaftliche Durchhaltevermögen ins Spiel, denn zu welchem Zeitpunkt dieser Morphmechanismus einsetzt, ist unklar. Der Prozess kann bis zu 59 Tage dauern—das ist die Halbwertszeit des Jod-Isotops.

Blick durch ein Rastertunnelmikroskop: Die dunklen Flecken ist das neu entstandene Tellur-Atom, die roten Punkte sind die noch nicht zerfallenen radioaktiven Jod-Atome. Bild: Sykes Group, Tufts University.

Doch die kleine Prinzessin Jod-125 ließ die Wissenschaftler nicht nur ganz schön lange warten, sie wollte auch auch noch auf Gold gebettet werden. Die Chemiker mischten das Isotop mit einem Wassertropfen und setzten es auf eine dünne Goldschicht. Nach Verdampfen des Edelmetalls befand sich das Jod-125 in einer starken Verbindung mit dem Gold, diese wurde zur Beobachtung unter ein Mikroskop gelegt.

Das goldüberzogene Jod-125 strahlte nun sechs mal mehr energiearme Elektronen aus als ein Exemplar ohne den Bling-Bling-Zusatz. „Das Gold verhält sich wie ein Reflektor und ein Verstärker", erklärte E. Charles H. Sykes, der Autor des Papers. „Jeder Oberflächenforscher weiß, dass, sobald du eine Strahlung auf ein Metall treffen lässt, eine große Flussdichte energiearmer Elektronen entströmt."

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Mit dieser schwachen Strahlung kann die DNA von Krebszellen zielgenau zerstört werden. Eine Methode, die bereits erfolgreich in der Onkologie eingesetzt wird. Doch mit Hilfe der Entdeckung lassen sich nun aber auch neue Wege in der Strahlungsonkologie beschreiten, die folgendermaßen aussehen könnten: Produziere Goldnanopartikel, binde sie an Jod-125, befestige die Nanopartikel an Antikörpern, die bösartige Tumore ausfindig machen und versetze sie dann mit einer Flüssigkeit, die Krebspatienten mittels einer Injektion verabreicht wird.

Daraufhin sollten sich die Nanopartikel an den Tumor heften und energiearme Elektronen aussenden, die die Krebs-DNA zerstört und gesunde Zellen unangetastet lässt. Der goldene Zusatz hemmt das Jod-125, sich in der Schilddrüse anzusammeln und dort die weitere Entstehung von Krebs zu begünstigen. Das Gold dient also als eine Art Sicherheitsnetz für die Strahlung und wird nach getaner Arbeit vom Körper wieder ausgespült.

Das Edelmetall macht seinem lupenreinen Ruf also mal wieder alle Ehre.