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Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht

Eine erfreuliche und tatsächlich begründete Information im Gegensatz zu den eher ahnungslosen Politiker-Kommentaren zum massenhaften Datensammeln in den vergangen Tagen.

Altherren-Verständnis von Rechnertechnologie scheint nicht aus der Mode zu kommen (via Wikipedia)

Erst kürzlich hat uns Sigmar Gabriel erklärt: „Wer die NSA-Praxis mit der Vorratsdatenspeicherung im [von der Koalition beabsichtigen] Sinne gleichsetzt, verniedlicht das, was Geheimdienste gegenwärtig treiben." In noch weniger bescheidenen Worten hatte Gabriel auf Facebook zuvor den Appell von 560 Schriftstellern unterstützt, der dazu aufrief, den millionenfachen Verstoß gegen elementare Grund- und Freiheitsrechte durch die NSA und andere Geheimdienste nicht länger zu tolerieren.

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Hunderten Facebook-Kommentatoren ist dabei allerdings nicht der Widerspruch dazu entgangen, dass die SPD mit dem neuen Koalitionsvertrag gerade wieder dabei ist die Vorratsdatenspeicherung mitzutragen. So als hätte es weder legale Einwände noch Snowden's Enthüllungen von unbegründeter Massenüberwachung je gegeben.

Was auch immer die Motive des SPD-Vorsitzenden für seine fragwürdigen Aussagen waren—heute gibt es tatsächlich etwas neues und erfreuliches zum Thema Vorratsdatensicherung zu vermelden: Laut dem Generalanwalt Pedro Cruz Villalón des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verstößt der Vorratsdatenspeicherung gegen die Grundrechtcharta der Europäischen Union. Ein endgültiges Urteil wird aber erst in ein paar Monaten erwartet.

Leider heißt das nicht, dass es das jetzt damit gewesen ist. In dem Rechtsgutachten wird sogar beschrieben, dass das Ziel der Vorratsdatenspeicherung an sich in Ordnung sei, lediglich die Umsetzung nicht. Sollte das Gutachten vom Europäischen Gerichtshof angenommen, werden Änderungen vorgenommen. Geklagt hatten die irische Organisation Digital Rights Watch und der Österreicher Michael Seitlinger, der sich durch die EU-Richtlinie in seinen Grundrechten verletzt sah.

Momentan sieht die Situation so aus, dass es in Deutschland noch keine Vorratsdatenspeicherung gibt. Das haben wir dem Artikel 10 des Grundgesetzes zu verdanken, in dem es heißt: „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich." Wenn Union und SPD ihren Willen durchsetzten, dann werden auch in Deutschland bald personenbezogene Daten, ohne konkreten Anlass, gespeichert werden. Mit personenbezogene Daten ist zum Beispiel gemeint, dass nachvollzogen werden kann, wer wann mit wem telefoniert hat oder im Email-Verkehr war.

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Im Rechtsgutachten schreibt Pedro Cruz Villalón: „Die Richtlinie verletzt auf schwere Weise das grundlegende Recht auf Privatsphäre, indem den Telekommunikationsunternehmen aufgetragen wird, Verbindungsdaten und Ortsdaten zu speichern." Auf diesem Wege können Ermittler zwar nicht die E-Mails und die Inhalte der Gespräche nachvollziehen, aber ein komplexes Bewegungsprofil erstellen.

Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kommentiert auf der Webseite des AK Vorrat: „Auch wenn das Gutachten noch kein Urteilsspruch ist, sollte klar sein, dass damit die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland keine Option mehr sein kann."

„Wenn die geplante große Koalition jetzt noch immer ihrem Koalitionsvertrag folgen sollte und die Totalprotokollierung des Telefon- und Internetverhaltens der Menschen erneut zum Gesetz macht, würde klar werden, dass Union und SPD mit ihrer Überwachungspolitik den Boden der rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeit verlassen haben."

Aber nicht alle teilen die Meinung von Pedro Cruz Villalón. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Andy Neumann, wird im Spiegel wie folgt zitiert: „Europa macht sich aus lauter Angst vor staatlichen Institutionen zum Schlaraffenland für Kriminelle".

Die Situation in den USA scheint auch nicht viel besser zu sein. Der NSA-Direktor Keith Alexander ist fest entschlossen auch noch auf seine letzten Tagen im Pentagon die Überwachungsprogramme zu verteidigen. Er sprach sich gestern in einer Anhörung gegen das Eindämmen der Macht des Geheimdienstes aus.

Laut Alexender gibt es keinen besseren Weg die Sicherheit der Amerikaner vor Terrorismus zu garantieren, als die allseits beliebte Massenüberwachung. Mit hehren Worten beschreibt er, dass die NSA alles in ihrer Macht stehende tue, um das Wohlergehen eines jeden Amerikaners zu garantieren und ihren Erwartungen gerecht zu werden. Und das wird er auch tun, wenn die ganze Welt gegen ihn ist.

„Ich weiß einfach nicht, wie man es besser machen kann. Es ist, als würden wir ein Wespennetz festhalten. Wir werden gestochen. Ihr habt uns gebeten, dies für das Wohl der Nation zu tun… und niemand hat eine bessere Idee, was wir machen können", führte Alexander als lahme Rechtfertigung an: „Wir können die Nation nicht im Stich lassen." Auch mal eine nette Begründung für die ach so populäre Massenüberwachung—es tut mir Leid das sagen zu müssen, aber manchmal sind Gesetzestexte wohlmeinender als Politiker.

Der Gute Keith Alexander kann einem jedenfalls ganz schön Leid tun. Sigmar Gabriel auch.