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Das hier ist der wohl unlogischste Kettenbrief seit der Erfindung von Facebook

Kettenbriefe haben es endlich geschafft: Sie sind Teil der Remix-Kultur geworden.

„Frist morgen." Auch die Macher des neuesten Kettenbriefs auf Facebook haben es sich zunutze gemacht, dass man eine große Anzahl von Menschen schon alleine dadurch in helle Aufregung versetzen kann, dass man einfach eine beliebige Deadline setzt. Wenn man diese dann noch mit dem vemeintlichen Verlust der Privatsphäre in Verbindung bringt, als bösen Drahtzieher dahinter Facebook beschuldigt und dazu auch gleich noch einen simplen Copy/Paste-Ausweg aus der gefährlichen Situation kredenzt, ist das Schneeball-System schneller in Gang gesetzt, als Mark Zuckerberg seine Laptop-Kamera abkleben kann.

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Und so gehen derzeit im Minutentakt neue Statusmeldungen in feinstem Google-Translator-Deutsch durch unsere Facebook-Timelines, die uns warnen: „Alles, was du je veröffentlicht hast, wird von morgen an die Öffentlichkeit. Sogar Nachrichten, die gelöscht wurden oder die Fotos nicht erlaubt sind."

Sinn und Zweck der grammatikbefreiten Panikmache: Möglichst viele Facebooknutzer sollen glauben, Facebook werde schon „morgen" neue AGBs in Kraft setzen und auf einen Schlag alle privaten Nachrichten, Bilder und Videos derjenigen veröffentlichen, die nicht durch einen einfachen Post auf ihrem Profil diesen AGBs widersprechen. Und obwohl bisher niemand eine Benachrichtigung von Facebook selbst erhalten hat—wie es bei der Einführung neuer AGBs oder Datenschutzrichtlinien üblich ist—, wird der Kettenbrief fleißig verbreitet.

Nachdem Anfang März noch Falschmeldungen über angebliche HIV-Bananen auf Facebook die Runde gemacht hatten, wird nun also mal wieder der populäre Mythos bemüht, man könne mit einer Statusmeldung AGBs oder Nutzungsbedingungen widersprechen. Stattdessen akzeptiert ein Nutzer diese automatisch, sobald er sich in einem sozialen Netzwerk anmeldet. Sollte er es sich irgendwann anders überlegen und merken, dass er diese Bedingungen nicht akzeptieren will, bleibt ihm nichts anderes übrig, als aus dem Netzwerk wieder auszutreten. Ein kurzer Klick auf Impressum/Nutzungsbedingungen am Fuße deiner Einstellungsübersicht zeigt dir übrigens, dass Facebook seine Nutzungsbedingungen zuletzt am 30. Januar 2015 aktualisiert hat und in diesen keinerlei Bedingungen formuliert sind, die die Behauptungen des Kettenbriefs in irgendeiner Weise stützen.

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Trotzdem erfreut sich „Frist morgen" so großer Beliebtheit, dass sich einige Nutzer sogar die Mühe machen, den Kettenbrief, der anscheinend aus dem englischsprachigen Raum stammt, in korrektes Deutsch zu übertragen und um „Artikel" des deutschen Strafgesetzbuchs zu ergänzen.

Dumm nur, dass dessen Aufbau nicht aus Artikeln, sondern Paragraphen besteht—und dass selbst die Paragraphen 111, 112, 113 des Strafgesetzbuches nichts mit dem Schutz geistigen Eigentums zu tun haben. Bei dem im Kettenbrief ebenfalls bemühten Rom-Statut handelt es sich um die Vertragsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, während das außerdem erwähnte Gesetz UCC 1-308-1 1 308-103 aus dem US-amerikanischen Handelsgesetzbuch stammt. Diese wahllos herangezogenen juristischen Texte sind bereits seit Jahren immer wieder Teil verschiedener Hoaxes gewesen.

Da sich „Frist morgen" trotzdem abermals rasend schnell verbreitete, hat sogar Facebook selbst mit einem offiziellen Statement Stellung bezogen.

Und während Kettenbriefe normalerweise allenthalben mit einem müden Lächeln ignoriert werden, hat es „Frist morgen" bereits jetzt zum viralen Remix-Phänomen geschafft. Statt des ursprünglichen Kettenbriefs tauchen mittlerweile in den Facebook-Feeds immer mehr Memes, ironische Kommentare und Video-Botschaften auf, die sich auf spielerische Weise mit #Fristmorgen auseinandersetzen. Man könnte das wohl als einen Streisand-Effekt der Kettenbriefe bezeichen.