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Die wichtigsten wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres 2015

Synthetische Muskeln, Höllenmaschinen und das teuerste Material der Welt: Die kühnste Vorstöße von Wissenschaft und Technik 2015

Auch wenn Technikskeptiker und Verschwörungstheoretiker es nicht wahrhaben wollen, die Wissenschaft ist mehr denn je ein wichtiger Motor für Fortschritt und Wohlergehen unserer modernen Gesellschaft.

Auch im Jahr 2015 gab es zahlreiche bahnbrechende Entdeckungen und wissenschaftliche Entwicklungen zu verkünden, die unserer Leben schon bald verändern und verbessern dürften—sei es in Sachen Medizin, Archäologie, Grundlagenforschung, Chemie oder Materialwissenschaft. Einen Bruchteil der relevanten Entwicklungen haben wir hier, inklusive unserer damaligen Berichterstattung für euch zusammengestellt.

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Erste Zuckungen

Mikroskopische Ansicht des laborgewachsenen Muskels. Bild: Nenad Bursac, Duke University | Mit freundlicher Genehmigung

Wissenschaftlern der Duke University in Durham, North Carolina, ist es im Januar gelungen, erstmals einen Muskel herzustellen, der sich wie das biologische Pendant in einem menschlichen Körper verhält. Die künstlichen Zellen ziehen sich zusammen und reagieren auf äußere Einflüsse wie elektrische Stimuli, biochemische Signale oder Medikamente.

Der Labormuskel kann tatsächlich außerhalb eines menschlichen Organismus existieren und soll Wissenschaftlern vor allem dabei helfen, die Wirkung neuer Mittel und Technologien testen zu können, ohne dabei auf menschliche Probanden angewiesen zu sein.

Lest hier den ganzen Artikel „Biotechniker züchten erstmals funktionierenden Labormuskel" auf Motherboard.

Durchbruch des Mutationstools

Bild: Imago

Das Gen-Editier-Tool CRISPR wird von Wissenschaftlern zwar bereits seit drei Jahren eingesetzt, doch 2015 war das Jahr, in dem es endgültig seinen Durchbruch in der Forschungswelt, aber auch in den gesellschaftlichen Debatten erfuhr. Mit dem äußerst einfachen Tool können Forscher (aber möglicherweise auch Hobby-Biologen) kostengünstig, sehr präzise und schnell im Genom eines jeden Lebewesens vom Weizenkorn bis zur Giraffe herumpanschen. Auf Kickstarter tauchten bereits sogar CRISPR-Sets für Hobby-Biologen auf, während es Forschern dieses Jahr gelang, die DNA von Schweinen so zu editieren, dass sie als Organzuchtbänke für den Menschen dienen.

Längst wird die Forschung an dem Tool mit haufenweise Risikokapital von Google und großen Biotech-Firmen befeuert—obwohl bei weitem noch nicht die ganze Tragweite des Verfahrens bekannt ist. Ende des Jahres trafen sich deshalb Forscher aus zahlreichen Disziplinen, um über die ethischen Implikationen und gesellschaftlichen Möglichkeiten der neuen Technologie zu diskutieren.

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Unseren ausführlichen Text zu den Vor- und Nachteilen von CRISPR könnt ihr hier nachlesen

Preis-Boom in der Materialwissenschaft

Eine etwas ältere Darstellung des N@C60, auch im Mai damals waren die Forscher schon stolz auf ihren Stoff. Bild: Universität Oxford

In Oxford haben Forscher das wertvollste Material der Welt hergestellt. Ein Gramm des kugelförmigen Fullerenmoleküls kostet schlappe 150 Millionen Euro und besteht aus 60 Kohlenstoffatomen, gefüllt mit einem Stickstoffatom als Kern.

Das Material soll zur Herstellung von Atomuhren verwendet werden und so präzise arbeiten, dass es solche abweichungssichere Zeitmesser auch in Gadgetgröße ermöglicht.

Lest hier die Hintergründe zu N@C60, dem teuersten Material der Welt

Startschuss für den Greifswalder Fusionsreaktor

Der Wendelstein bekommt seine Außenverkleidung. Bild: IPP, Anja Ullman

„Habemus Plasmam" hieß es schließlich Anfang Dezember in Greifswald. Nach einer Million Montagestunden und vielen Jahren Arbeit wurde der Fusionsreaktor Wendelstein 7-X erstmals angeschmissen und konnte zur Freude der Physiker vom Max-Planck-Institut erfolgreich vermelden, sein erstes Helium-Plasma erzeugt zu haben.

Der weltweit größte Stellarator, der von englischen Medien schon als Höllenmaschine bezeichnet wurde, soll in den nächsten Schritten die Dauer der Plasmaentladungen verlängern und im Januar 2016 auch die ersten Testläufe mit Wasserstoff meistern. Auch wenn er selbst keinen Strom erzeugen wird, könnte der Forschungsreaktor, der die Energiebedingungen der Sonne simuliert, einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum „Heiligen Gral" der Stromerzeugung bedeuten—und nebenbei viele Physiker in ihrer Grundlagenforschung glücklich machen.

Auf einen Schlag 400.000 Jahre älter und mit neuen Verwandten

Der Doktorand Chalachew Seyoum hat im Nordosten Äthiopiens einen rund 2,8 Millionen Jahre alten menschlichen Kieferknochen gefunden. Der Sensationsfund markierte im März die [bisher älteste Spur zu unseren unmittelbaren menschlichen Vorfahren](Chalachew Seyoum musste nicht mal graben, um der Zeitleiste der menschlichen Evolution ein massives Update zu verpassen. Er musste sich einfach nur ein bisschen umschauen. Als der Doktorand aus Arizona am 29. Januar 2013 an einer Forschungsstätte im Nordosten Äthiopien stand, sah er einen Kieferknochen aus den Sedimenten ragen—direkt am höchsten Punkt des Hügels, den sie an diesem Tag untersuchen wollten. Dazu musste er noch nicht mal seine Schaufel ansetzen. ).

Im September stießen Archäologen dann schließlich in den Tiefen einer südafrikanischen Höhle auf Überreste einer bisher unbekannten prähistorischen Spezies. Das Gehirn des gefundenen Homo Naledis ist ein kleines Stückchen größer als das der Schimpansen, und die neue Gattung könnte Wissenschaftlern zufolge sogar die Evolutionsgeschichte der frühen Menschen durcheinander bringen. Paleokünstler jedenfalls haben sich direkt daran gemacht, lebensechte Replikate unseres verlorenen Stiefbruders herzustellen.