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Wir haben Straches neues Video nach den Anschlägen auf Paris analysiert

In einem neuen Video reagiert der FPÖ-Chef mit sechs Forderungen auf den Terror in Paris. Wir haben uns die Punkte genauer angesehen.

Heinz-Christian Strache und die FPÖ stehen ja bekanntlich schon länger auf Kriegsfuß mit dem „links-linken Medien-Mainstream" und der „gleichgeschaltete veröffentlichte Meinung" hierzulande. Wenn Strache doch einmal im „Rotfunk" auftritt, dann gibt er sich betont zerknirscht, wirft Moderatoren ein grimmiges „Grüß Gott" auch nach 22:00 Uhr entgegen, erwähnt mindestens ein Mal durch die Blume, dass der ORF die Wahrheit ja nicht ungefiltert berichten dürfe, wackelt zornig mit dem Kopf und legt routiniert-empört los mit dem Satzteil: „Wenn wir hier erleben …"

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Insofern ist es nur konsequent, dass man bei der FPÖ die Nachrichten mittlerweile lieber selber macht—sei es über den „Blaufunk" FPÖ-TV, Unzensuriert, die Zur Zeit, oder auch die Videobotschaften vom Parteichef selbst, die seit dem Sommer schon fast Seriencharakter haben.

In seinem neuesten Video formuliert der Parteichef nun sechs Forderungen, die seiner Meinung nach auf die Attentate von Paris folgen müssen. Im Wortlaut nachlesen kann man sie hier. Wir haben uns diese Forderungen angesehen und sind dabei auf ein paar faktisch fragwürdige Dinge gestoßen.

1. „Stopp von Zuwanderung aus islamischen Ländern"

Straches erste Forderung als Reaktion auf die Anschläge ist wörtlich ein „Stopp von Zuwanderung aus islamischen Ländern"—das ist zum einen nicht weniger als ein Generalverdacht gegenüber allen Muslimen und zum anderen ein klares Bekenntnis, dass man am liebsten weder Menschen aus Syrien, noch aus dem Irak (beides islamische Länder) hierzulande aufnehmen würde.

Als Erklärung gibt der Parteichef an, lediglich „nach den Grundsätzen der Genfer Flüchltingskonvention" handeln zu wollen. Im Artikel 4 der Konvention wird Flüchtlingen freie Religionsausübung ausdrücklich zugestanden—Strache macht die jeweilige Religion jedoch zum Aufnahmekriterium.

Argumentiert wird in diesem Punkt außerdem immer mit den „sicheren Drittstaaten." Auch hier wird die Genfer Flüchtlingskonvention aber eher als Ausrede, nicht als Rechtsbewusstsein verstanden. Ginge es nach Strache, so könnte man alle Flüchtlinge ganz einfach zurück nach Slowenien, ein sicherer Drittstaat, abschieben. Die Behörden dort hätten dann wiederum die Möglichkeit, die Menschen weiter nach Kroatien, nach Serbien, nach Griechenland etc. zurückzuschicken.

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UNHCR hat aber bereits in einem Papier im Jahr 2001 erklärt, dass die Genfer Flüchtlingskonvention nicht dafür da ist, so eine „Kette von Rückstellungen" zu legitimieren. Das betrifft besonders Massenfluchtbewegungen. So heißt es dort: „Einseitige Aktionen von Staaten zur Rückstellung von Asylsuchenden in jene Länder, die sie auf dem Weg in ihr Hoheitsgebiet durchquert haben, birgt für den Flüchtling das Risiko eines endlosen Weitergeschicktwerdens." UNHCR regt daher eher an, mit mulitlateralen Vereinbarungen eine faire und gleichmäßige Verantwortung für Flüchtlinge festzulegen.

2. „Schutz unserer Staatsgrenzen"

Als nächstes geht Strache auf den Grenzschutz ein und fordert: „Die Kontrolle von Dokumenten, das Nehmen von Fingerabdrücken und das Anfertigen von Fotos ist selbstverständlich möglich."

Um zu klären, wie es um die Bewältigung von Kontrollen tatsächlich steht,habe ich mich an den zuständigen steirischen Polizeisprecher Fritz Grundnig gewandt, der derzeit permanent in Spielfeld präsent ist. „Die Leute werden an der Schengen-Außengrenze zu Kroatien bereits registriert und bekommen ein dementsprechendes Dokument", erklärt der Beamte. „Wir müssten sie theoretisch nicht mehr registrieren, tun das aber natürlich trotzdem so gut es geht." Bei den derzeitigen Zahlen (2600 am Donnerstag in Spielfeld, 3700 auf der anderen Seite) sei dies auch noch relativ problemlos.

„Bei der Aufnahme von Daten sind die Menschen durchwegs kooperativ, da gibt es keine Probleme", heißt es weiter. Schwierigkeiten hätte es bisher immer nur dann gegeben, wenn ein Rückstau hinter der Grenze ensteht und viele tausend Menschen stundenlang im Niemandsland festsitzen.

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Grundnig betont auch, dass die Menschen definitiv nicht einfach nach Deutschland „weitergeschleust" werden: „Alle Flüchtlinge kommen erst in Versorgungszentren in Niederösterreich, Oberösterreich, Kärnten, oder wo eben Platz ist."

3. „Festung Europa"

Es ist der Lieblingsslogan der Identitären und auch die FPÖ sieht darin das Allheilmittel in der Flüchtlingspolitik—das australische Konzept von „NO Way". Dort werden Flüchtlinge schon auf hoher See zur Rückkehr gedrängt und sollten es Personen dennoch an Land schaffen, kommen sie in Internierungshaft.

Abgesehen von der menschenrechtlich fragwürdigen Praxis, ist die Situation in Europa auch eine völlig andere. Es geht hier um unmittelbare Kriegs- und Krisenregionen, aus denen die Personen fliehen. Sie etwa mit Gewalt in die selbst überforderte Türkei zurückzudrängen, erscheint auch im Hinblick auf die immer instabilere Lage der Türkei auch geopolitisch unvernünftig.

Während die Europäische Union auf wackeligen Beinen das Konzept der Hotspots erarbeitet—große Erstaufnahmezentren an den Außengrenzen mit einer anschließenden europaweiten Verteilung—, sträubte man sich von Seiten der FPÖ gegenüber einer konstruktiven Mitarbeit und wählt lieber die einfachen Slogans. In keiner seiner neuen Forderung geht Strache zudem auf eine Lösung in den Krisengebieten selbst ein.

4. „Wiederherstellung der Staatsgewalt"

Hier wird Strache etwas umkonkreter, wenn er sagt, dass es „keine Parallelgesellschaften und keine verlorenen Stadtviertel mehr geben" dürfe und Terrornester ausgehoben werden müssen. Welche Stadtteile in Österreich als „aufgegeben" oder „verloren" gelten, bleibt offen.

Angespielt wird hier offensichtlich auf das Brüsseler Viertel Molenbeek. Die FAZ hat zuletzt erwähnt, dass es zumindest in Deutschland keine Stadtteile gebe, die in Sachen Ausmaß oder Radikalisierung mit Molenbeek vergleichbar wären. Ob wir hierzulande also wirklich die Staatsgewalt verloren haben und Rudolfscrime tatsächlich als Wiener Gefahrenbezirk gilt, möge jeder selbst für sich beurteilen.

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5. „Volle Härte der Justiz"

Viele haben sich nach den Anschlägen in Paris gefragt, wieso Heimkehrer aus Syrien nicht einfach gleich weggesperrt werden. Strache appelliert an dieses Bauchgefühl und fordert „Wer aus dem Dschihad heimkehrt, muss sofort in Untersuchungshaft genommen werden." Das ist gesetzlich aber nicht einfach so machbar.

Das Innenministerium erklärt uns dazu: „Bei allen Rückkehrern gab und gibt es eine Anzeige bezüglich der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Dazu kommt eine besondere sicherheitspolizeiliche Überwachung." Wie bei allen Straftaten muss für eine Haft auch ein Haftgrund bestehen und auch eine entsprechende Beweislage vorhanden sein. Alles andere widerspricht dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.

„Eine pauschale Untersuchungshaft für syrische Rückkehrer ist verfassungswidrig", meint auch Professor Heinz Mayer von der Universität Wien. Selbst wenn die FPÖ mit Verfassungsmehrheit anordnen würde, für eine bestimmte Straftat eine obligatorische U-Haft zu verhängen, widerspreche das gleichzeitig auch der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Um andere Häftlinge nicht zu „infizieren", sollen Islamisten außerdem notfalls in eigene Gefängnissen untergebracht werden, fordert Strache. Bleibt die Frage, ob es denn nicht klüger wäre, den Kriminellen mit gezielter Deradikalisierung ihre Ideologie auszutreiben, anstatt alle Gesinnungstäter zusammen in einen Knast zu stecken.

6. „Die Leitkultur Europas bewahren"

Abschließend erklärt Strache, dass er „die christlich-abendländischen Werte sowie die durch Aufklärung und bürgerliche Revolution erkämpften Freiheiten" verteidigen wolle. Eine konkrete politische Forderung gibt es an dieser Stelle nicht. Da war Sebastian Kurz mit seiner Werteschulung noch konkreter, wenn auch vielleicht nicht viel überzeugender.

Ohne die Verdienste der Aufklärer zu schmälern, (die, wenn ich mich recht erinnere, selbst gegen allzu christliches Denken ankämpften) aber Werte sollten sich über die Jahrhunderte auch weiterentwickeln können. Und beim Wert der Freiheit hat es das ja auch. Die jüngere Generation wuchs in Europa mit dem Gedanken auf, das Grenzen und Zäune auf unserem Kontinent der Vergangenheit angehören. Dass Strache der erste war, der nach Zäunen gerufen hat, darauf ist er ja bekanntlich selber stolz.

Thomas auf Twitter: @t_moonshine