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Jugendstrafrecht

Polizei fahndet illegal nach einer Minderjährigen

Die Hamburger Polizei macht den nächsten Fehler – und die 'Bild'-Zeitung alles nur noch schlimmer.
Screenshot
Screenshot aus dem Epaper der Bild vom 19. Dezember 2017 || Montage: VICE

Am Dienstag packte die Bild wieder mal eine junge Frau mit knapper Bekleidung auf ihre Titelseite. Statt um ein Model oder eine C-Prominente handelte es sich diesmal allerdings um eine Frau, nach der die Hamburger Polizei öffentlich fahndete. Die "Unbekannte Tatverdächtige 23" soll an "Stein- und Flaschenwürfen im Bereich des Anti-G20-Protestes" beteiligt gewesen sein und landete deshalb in der Großfahndung, die die Behörde am Montag gestartet hatte – augenscheinlich zur Freude der Bild. Die Redaktion griff tief in die Klischee-Mottenkiste und machte am nächsten Tag mit der Hamburger "Krawall-Barbie" auf.

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Wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, soll die junge Frau erst 17 Jahre alt sein und damit als Minderjährige unter das Jugendstrafrecht fallen. Eigentlich müsste sie vor der Öffentlichkeit geschützt werden. Bei Bild hat man das möglicherweise geahnt – immerhin lautet die Unterzeile zum Titel "So jung, so voller Hass!" –, aber da Hamburger Amtsrichter die Methoden der Polizei genehmigt hatten, ließ man sich die Chance nicht entgehen, gleich zwei Kernkompetenzen zu vereinen: Berichte über junge Frauen, die man für schön hält, und der Kampf gegen "linke Chaoten" (In beiden Fällen langt die Zeitung gerne mal daneben).


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Bild-Chefreporter Daniel Cremer kommentierte die krude Vermischung folgerichtig so: "Selten hat der Hass so ein schönes Antlitz wie bei manchen G20-Chaoten." Cremer ist sonst vor allem damit aufgefallen, über Maden, Känguruhoden und Z-Promis im australischen Dschungel zu berichten. Jetzt schrieb er: "Trotz Schminke, chic bedruckter Hose und Nike-Schuhen ist eine G20-Krawall-Barbie potenziell so abscheulich wie ein Neo-Nazi mit Glatze und Bomber-Jacke." Dabei ist auf den Fahndungsbildern weder zu sehen, wie die Frau eine Straftat begeht, noch ordnet ihr die Polizei eine solche konkret zu. Aber während der SZ-Journalist Heribert Prantl deshalb die gesamte Großfahndung für möglicherweise gesetzeswidrig hält, nimmt Bild durch die Formulierung "Krawall-Barbie" bereits eine Vorverurteilung der Verdächtigen vor.

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Aber die Aufmachung der Bild hat längst Trittbrettfahrer auf den Plan gerufen. Ein Mitglied der Jungen Union in Hessen teilte auf Twitter das Fahndungsfoto der jungen Frau mit den Worten "Gar nicht mal so hässlich für eine Linksextreme. Seltsame Hose aber. #Terrormaus". Seitdem kassiert er digitale Schellen unter einem eigens für ihn kreierten Hashtag.

Beim Deutschen Presserat hingegen gingen allein bis zum Dienstagnachmittag, dem Tag der Bild-Veröffentlichung, fünf Beschwerden wegen der Titelgeschichte ein. Das schreibt die Frankfurter Rundschau. Und da war das Alter der jungen Frau noch nicht einmal bekannt.

Der Fall ist wohl nicht das erste Eigentor der Polizei: So ist der vermeintliche erste "Geständige" unter den 104 Tatverdächtigen offenkundig ein rechter Videoblogger, der allem Anschein nach keine Straftat begangen hat.

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