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Forscher kommen Lösung näher, warum Schwarze Löcher Materie ins All spucken

Forscher haben den Jet eines Schwarzen Lochs so genau wie nie beobachtet – mit einem Riesenteleskop. "Mit so einer Auflösung könnten Sie eine Handytastatur auf dem Mond lesen", erklärt ein Astronom des Max-Planck-Instituts im Interview mit Motherboard.
Die Galaxie 3C 84, in der die Astronomen den Jet beobachten konnten | Bild: NASA | hubblesite.org

Schwarze Löcher verschlucken nicht nur Materie und Licht, einige speien einen Teil zurück ins All. Diese gigantischen Fontänen werden Jets genannt. Bis heute sind sich Forscher nicht sicher, wie genau sie entstehen, denn es ist schwierig, diese weit entfernten Weltraumphänomene an ihrer Quelle zu beobachten.

Einem internationalen Team an Forschern ist es nun gelungen, einen solchen Jet zu beobachten – und zwar in bisher nie erreichter Detailtiefe . Dazu haben sie mehrere Teleskope auf einmal benutzt, die zusammen genommen einen Durchmesser von 350.000 Kilometern hatten. Das entspricht fast der Strecke von der Erde bis zum Mond.

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"So könnten Sie die Tastatur eines Handys auf dem Mond lesen."

Da der Jet eines Schwarzen Lochs Radiowellen aussendet, konnten die Forscher einen davon mit mehreren Radioteleskopen beobachten. Dr. Thomas Krichbaum vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn erklärt, welche Geheimnisse er dem Schwarzen Loch dadurch entlocken konnte.

Motherboard: Wenn man liest, euer Teleskop habe einen Durchmesser von 350.000 Kilometern, klingt das ziemlich seltsam. Wie sollen wir uns so ein riesiges Teleskop denn vorstellen?

Krichbaum: In diesem Fall bestand das Teleskop aus 15 bis 20 Teleskopen, die über den Globus verteilt waren, plus einem Satellitenteleskop, das die Erde umkreist. Dadurch, dass die Erde sich dreht, beschreibt jedes Teleskop eine Art Ellipse und kann entsprechend einen sehr großen Bereich beobachten. Nimmt man noch das Satellitenteleskop dazu, wird der beobachtbare Bereich entsprechend größer. All das macht man, um die Auflösung zu verbessern. Ein einfaches Radioteleskop hat eine Trennschärfe, die nicht gerade besser ist als die eines bloßen Auges. Mit unserem Teleskop erreichen wir Wahnsinnsvergrößerungen, die millionenfach besser sind.

Bei einem solchen virtuellen Teleskop kann man ja nirgendwo hindurchschauen. Was sieht man da überhaupt?

Man sieht erst einmal nur Daten. Zu einem Bild zusammengesetzt werden die erst hinterher im Computer. Jedes der Teleskope hat eine Atomuhr, um hochpräzise Zeitsignale aufzunehmen. Zusammen mit diesen Zeitsignalen werden die Daten versendet und gesammelt. Das passiert auf Festplatten, die häufig mehrere Terabyte groß sind. In Bonn kombiniert ein Supercomputer die einzelnen Datenströme. Erst dann können Wissenschaftler mit speziellen Programmen ein Bild erzeugen. Man guckt also in der Radioastronomie nicht durch Teleskope hindurch, man zeichnet elektrische Signale auf und wertet sie dann mit speziellen Programmen aus.

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Auch ein Teleskop des Max-Plack-Instituts in Effelsberg war Teil des Riesenteleskops | Bild: olafpictures | pixabay.com

Ist das wirklich "das größte Teleskop der Geschichte", wie Medien berichtet haben?

Ja. Wir machen zwar Radioastronomie mit mehreren zusammengeschalteten Teleskopen schon einige Zeit. Auch japanische Forscher haben schon einmal einen Satelliten hochgeschossen, der hatte ungefähr einen Abstand zur Erde von fünf oder zehn Erdradien. Aber jetzt gehen wir auf 20 Erdradien, also etwa doppelt bis dreimal so viel.

Konntet ihr durch das Riesenteleskop etwas sehen, das noch kein Mensch zuvor gesehen hat?

Je größer der Durchmesser des Teleskops, desto schärfere Details kann man erkennen. Das menschliche Auge hat zum Beispiel eine Auflösung von grob einer Bogenminute – dieses Teleskop hat eine Auflösung von circa 20 Mikrobogensekunden, das ist ein Millionenfaches mehr. Mit so einer Auflösung könnten Sie, wenn Sie sich das optisch vorstellen, die Tastatur eines Handys auf dem Mond lesen. Das Tolle ist, dass man mit dieser Wahnsinnstrennschärfe sehr tief in die Herzen von Galaxien reingucken kann. Im Falle der Galaxie 3C 84, die zentrale Galaxie des Perseus-Galaxienhaufens, konnten wir den Ort der Jet-Entstehung zum ersten Mal kartieren.

Wie weit entfernt ist die Galaxie, die Sie beobachtet haben?

70 bis 75 Megaparsec, in Lichtjahren ausgedrückt bedeutet das, sie ist circa 250 Millionen Lichtjahre weit weg.

Was wissen wir denn bisher über solche Jets?

Jets sind vergleichbar mit dem, was wir im Kleinen auch in Teilchenbeschleunigern wie im CERN produzieren. Da werden Elektronen auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und bei ihren Zusammenstößen kann man Teilchenphysik beobachten. Jets machen das gleiche in der Natur, aber die beschleunigten Teilchen laufen nicht im Kreis wie im Teilchenbeschleuniger, sie werden raus in den Weltraum geschleudert und breiten sich über Entfernungen von Millionen von Lichtjahren aus. Ein Jet hat eine irre hohe Energie und wir wissen nicht, wie die erzeugt wird.

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Wie entstehen Jets eigentlich?

Die gängige Interpretation ist, dass Schwarze Löcher die Jets erzeugen. Ein Schwarzes Loch zieht erstmal Materie an, dann bildet sich ein Strudel aus Gas um das Schwarze Loch. Der Großteil der Materie wird erhitzt und fällt irgendwann in das Schwarze Loch hinein, aber ein Bruchteil bleibt außerhalb des Lochs. Diese Materie wird in Form eines Jets wieder ausgestoßen und kommt als hochenergetische Teilchen wieder raus. Aber warum all das passiert, versuchen wir zu verstehen.

Hat unsere Milchstraße auch einen Jet?

Üblicherweise erzeugen elliptische Galaxien, die in Zentren von Galaxienhaufen sitzen, solche Jets. Unsere Galaxie hat also keinen, denn Spiralgalaxien wie die Milchstraße produzieren keine Jets, jedenfalls keine so großen.

Sie haben herausgefunden, dass der Jet größer ist als erwartet. Müssen Forscher jetzt ihre Theorien über den Haufen werfen?

Das Besondere unserer Beobachtung ist, dass wir zum ersten Mal den Jet nicht nur der Länge, sondern auch in der Breite sehr stark auflösen konnten. So konnten wir die Größe des Gebiets abschätzen, aus dem der Jet gestoßen wird: Offenbar ist der Jet 150 bis 200 Mal größer wie der Durchmesser eines Schwarzen Lochs. An seiner Basis ist er sogar breiter. Das würde einer Theorie zur Entstehung der Jets widersprechen, nämlich dass der Jet durch die Raum-Zeit-Verformung des Schwarzens Lochs entstehen und sehr schmal sein müsste. Ist er aber nicht. Laut einer anderen Theorie wird der Jet in einer Art Strudel, einer Akkretionsscheibe, erzeugt. So eine Scheibe dreht sich und wickelt Materie durch Magnetfelder zu einer Art Spirale auf. Unsere Beobachtungen legen nahe, dass diese Theorie hier eher zutrifft.

Was schaut ihr euch als nächstes mit dem Riesenteleskop an?

Das Teleskop arbeitet schon ein paar Jahre und wird möglicherweise in den nächsten ein bis drei Jahren zu alt sein und nicht mehr funktionieren. Es gibt aber schon Pläne für Nachfolgeprojekte, bei denen wir sogar noch eine bessere Auflösung hinbekommen. Damit wollen wir dann ins Zentrum unserer Milchstraße schauen oder ins Zentrum von Galaxienhaufen. Wir hoffen, dass wir damit die direkte Umgebung Schwarzer Löcher kartieren können.

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