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"Bekommt ein dickes Fell, ihr Kinder": Der frustrierende Versuch, über Hass in der Gaming-Szene zu sprechen

Der Hashtag #GamerLeaksDE sollte Erfahrungen von deutschen Gamerinnen und Gamern sichtbar machen. Innerhalb kurzer Zeit haben Trolle die Diskussion mit hasserfüllten Äußerungen geflutet.
Gamer am PC mit Screenshots von Tweets
Bild: Shutterstock | Gorodenkoff || Screenshots | Twitter | Collage: Motherboard

„Das große Problem bei #GamerLeaksDE ist schon damit erklärt, dass ihr die Scheiße, die irgendwelche Mongos in Online-Lobbys von sich geben, persönlich nehmt“, heißt es in einem Tweet auf dem Twitter-Konto namens @met4morphos1s. Ähnlich hasserfüllt und widersprüchlich sind viele Tweets zum Hashtag #GamerLeaksDE. Seit einigen Tagen nutzen Gamerinnen und Gamer den Hashtag, um ihre Erfahrungen mit Sexismus, Rassismus und Diskriminierung beim Gaming öffentlich zu machen. Spätestens seit Jan Böhmermann darauf aufmerksam wurde und #GamerLeaksDE in den Trending Topics landete, bekommen auch Leute davon mit, die sich nicht für Computerspiele interessieren.

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Doch die Aufmerksamkeit zieht Hater und Trolle an. Menschen, die sich kritisch zu Rassismus und Sexismus äußern, bezeichnet ein Account namens @Vary5000 etwa als "utopische Turbospasten", die „mit einfachsten Mitteln triggerbar“ seien. Diese und ähnliche Äußerungen legen nahe, dass die Betroffenen sich die Anfeindungen nur einbilden würden – dabei beleidigen sie im selben Atemzug Menschen mit Behinderung. Es ist eine typische Strategie von Trollen, die Existenz von Diskriminierung auf diskriminierende Weise abzustreiten.

Stündlich kommen hunderte Tweets dazu, und ein Großteil davon unterstreicht, warum es eben doch ein Riesenproblem gibt. „Jedesmal, wenn so Hashtags wie #GamerLeaksDE trenden, wünsche ich mir einen Terroranschlag", schreibt ein Nutzer. Dabei gehen wichtige Tweets wie der von @Bambiinupendi fast unter. Sie bekommt selbst seit Jahren Online-Hass zu spüren und spricht den Betroffenen Mut zu: "Ich werde seit Jahren in Foren, Kommentarbereichen und Chats beschimpft, beleidigt und bedroht, ignoriere das aber in 99% der Fälle großzügig. Seid stark!", schreibt sie.

Die Nutzerin @wutgottin hat in einem Thread ein knappes Dutzend Screenshots mit teils üblen Beleidigungen gesammelt, die Männer ihr und anderen Frauen geschickt haben. Auch @Silkichan schildert in einem Thread diskriminierende Erfahrungen, die sie als Frau erlebt. Trans-Menschen ergeht es offenbar ähnlich. Besonders prägnant bringt ein Tweet auf dem Account von @AntifaTraeumer den Widerspruch auf den Punkt:

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Es genügt, aktuell nach dem Hashtag #GamerLeaksDE auf Twitter zu suchen, um Dutzende eindeutig sexistische oder rassistische Beiträge zu finden. Obwohl die Nutzer hinter den diskriminierenden Tweets oft nur wenige Follower haben, sammeln ihre Tweets teils Hunderte Likes. Sie fordern auf, Beschimpfungen und Bedrohungen zu ignorieren („Macht einfach aus und gut ist. Oder bekommt ein dickes Fell, ihr Kinder“); sie bezeichnen die Opfer als „Jammerlappen (…) und Feministinnen, die sowieso alles als Unterdrückung empfinden“ oder sie pöbeln einfach nur herum. Auch Tweets auf größeren Accounts wie MOKoffiziell mit mehr als 27.000 Followern reden das Problem klein. Schuld seien nicht die Hater, sondern die Menschen, die sich von den Beleidigungen angegriffen fühlten, heißt es in einem mittlerweile gelöschten Tweet.

Die Gaming-Szene hat seit Jahren ein Sexismus-Problem

Der Hashtag zeigt erneut, dass die Gaming-Branche ein Problem mit Frauenfeindlichkeit hat – immer noch. Auch große Spieleentwickler tragen dazu bei, wie jüngst die Klage gegen die LoL-Macher und die von Motherboard berichteten Mängel im Meldesystem von Blizzard zeigten. Niemand behauptet, dass alle Gamer frauenfeindlich sind, aber sobald jemand darauf hinweist, dass ein Teil regelmäßig sexistische, homofeindliche und rassistische Sprüche fallen lässt, fühlen sich offenbar viele Gamer persönlich angegriffen – und reagieren mit sexistischen, homofeindlichen und rassistischen Dementi.


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Ebenfalls auf Motherboard: Der qualvolle Kampf gegen Rachepornos


Hinter #GamerLeaksDE steckt angeblich der Account @De2Gamer, der sich in einem Statement als Initiator des Hashtags darstellt: „Wir sind eine Gruppe von Männern und Frauen, die sich zusammengeschlossen haben, um solchen Diskriminierungen, Sexismus und Rassismus ein Ende zu setzen." Der Account hat zum Beispiel zwei Mitschnitte veröffentlicht, die angeblich aus Teamspeak-Chats stammen. Darin äußern sich Gamer teils diskriminierend. Der Hashtag solle „Betroffenen einen Raum bieten, um ihre eigenen Erfahrungen zu teilen. Von missbräuchlicher Verwendung distanzieren wir uns.“ Motherboard hat die Menschen hinter dem Account am 13. November kontaktiert und um ein Gespräch gebeten. Sollten wir eine Antwort erhalten, werden wir den Text entsprechend aktualisieren.

Update, 15. November, 17.45 Uhr: Inzwischen hat die Initiatorin des Hashtags ausführlich mit uns über #GamerLeaksDE gesprochen – und wie sie die Flut an hasserfüllten Kommentaren erlebt hat. Ihre Geschichte findet ihr hier.

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