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Bahnbrechende Entdeckung in der Gizeh-Pyramide gibt Archäologen Rätsel auf

Die aktuelle Enthüllung ist eine wissenschaftliche Glanzleistung, die nur dank kosmischer Strahlen möglich war – trotzdem sind noch viele Fragen offen.

Die Pyramiden von Gizeh sind um ein Mysterium reicher: In der Cheops-Pyramide wurde ein bisher unbekannter, riesiger Hohlraum entdeckt, wie am Donnerstag in der Fachpublikation Nature bekannt gegeben wurde. Dieser Fund ist die erste signifikante Neuentdeckung seit über hundert Jahren in dem beeindruckenden Weltkulturerbe. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich in der Pyramide, die auch die Große Pyramide genannt wird, eine Kammer oder eine Reihe von Kammern versteckt, die dem Menschen scheinbar seit der Errichtung der Pyramide vor 4.500 Jahren verborgen geblieben sind.

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Der Sensationsfund gelang den Wissenschaftlern aus Frankreich und Japan mit einer nicht-invasiven Methode – für die Wissenschaftler ein wichtiges Kriterium, denn Arbeiten an der Cheops-Pyramide, bergen stets die Gefahr, Schäden an dem sensiblen und archäologisch wertvollen Gebäude anzurichten Unter der Leitung von Mehdi Tayoubi, Präsident des französischen Heritage Innovation Preservation (HIP) Institute, und Kunihiro Morishima, Physiker und Professor an der Nagoya Universität, spürte das Team den verborgenen Hohlraum mit der sogenannten Myonentomografie auf. Hinter diesem kryptischen Namen verbirgt sich eine beeindruckende Technik: Myonen-Partikel sind ein Nebenprodukt kosmischer Strahlung und können dazu benutzt werden, um Strukturen auf der Erde zu durchleuchten – ganz ähnlich wie Röntgenstrahlen beim Menschen.

Der Hohlraum liegt über der Königinnenkammer | Bild: ScanPyramids Mission

"Aus wissenschaftlicher Sicht sind wir uns sicher, dass dieser Hohlraum existiert", erklärte Hany Helal, Co-Autor der Studie und Professor für Ingenieurwesen an der Universität Kairo am Mittwoch in einem Pressebriefing der Nature. "Aber was bedeutet das? Warum ist er da? Welchen Zweck hat dieser Hohlraum? Um das herauszufinden, ist der internationale Austausch mit Spezialisten für Ägyptologie nötig."

Während des 19. Jahrhunderts drangen Ägyptologen mit Tunneln in die Große Pyramide vor, um ihre drei größten bekannten Räume zu untersuchen: die Königskammer, die als Grabkammer diente, die Königinnenkammer, deren Zweck noch heute diskutiert wird, und die Große Galerie, die beide Kammern miteinander verbindet. Der neu entdeckte Hohlraum befindet sich etwa 40 bis 50 Meter über der Königinnenkammer und hat mit einer Länge von ungefähr 30 Metern ähnliche Abmessungen wie die Große Gallerie.

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Bisher wurde der Hohlraum nur indirekt durch Myonentomografie untersucht. Die energiereichen Elementarteilchen bilden sich, wenn kosmische Strahlen von explodierenden Sternen, Weltraumnebeln oder benachbarten Galaxien auf die Erdatmosphäre prallen. Diese Partikel fallen dann auf die Erdoberfläche hinab und können selbst Strukturen aus Stein durchdringen – so auch die Pyramiden.


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"Wenn man ein Myonen-Messgerät hinter oder unter einem Untersuchungsobjekt aufbaut, muss man nur die Anzahl der Myonen zählen, die man aus dieser Richtung empfängt", erklärt Co-Autor der Studie Sébastien Procureur, Physiker am französischen Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien. "Die Menge an Myonen, diese Strömung, gibt Hinweise darauf, wie hoch die Dichte des Materials ist, das man gerade untersucht."

Indem die Forscher drei verschiedene Varianten an Myonen-Messgeräten in der Königinnenkammer platzierten, konnten sie die groben Umrisse des versteckten Hohlraums nachvollziehen. Um seine Existenz zu bestätigen, führten die Forscher mehrere Messungen durch und bauten die Messgeräte auch vor der Pyramide auf. Ihre Ergebnisse führten alle zum selben Ergebnis: Der Hohlraum existiert. Die Forscher sind sich sicher.

Das Messgerät wird in Position gebracht | Bild: ScanPyramids Mission

Für alle, die nun unbedingt wissen wollen, was sich in dem versteckten Hohlraum verbirgt, gibt es schlechte Neuigkeiten: Aktuell gibt es keine Pläne, physisch in die mysteriöse Kammer vorzudringen. Auch wenn es einst Gang und Gebe für Archäologen war, Ausgrabungsstätten mit Tunneln zu durchziehen, geht man heute viel vorsichtiger vor. Inzwischen werden jegliche Ausgrabungen an den historischen Bauten von Gizeh streng reguliert, um die historischen Stätten zu schützen.

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"Ich glaube, dass dieser Hohlraum seit dem Bau der Pyramide verborgen war", meint Tayoubi. "Es gibt keinen Zugang. Daher brauchten wir diese neue Methode, die richtige Technik zur richtigen Zeit, um den Hohlraum entdecken und erkunden zu können."

Der sensationelle Fund ist das Ergebnis des internationalen Forschungsprojekts ScanPyramids, das am 25. Oktober 2015 gemeinsam von der Fakultät für Ingenieurwesen der Universität Kairo und dem französischen HIP-Institut gestartet wurde. Inspiriert wurden die Forscher von den beeindruckenden Ergebnissen, die durch Myonenmessungen in empfindlichen Gebieten wie dem Kernreaktor in Fukushima oder aktiven Vulkanen erzielt wurden. Nun wollten sie die Technologie einsetzen, um auch den Geheimnissen von Ägyptens Wahrzeichen auf die Spur zu kommen.

Trotzdem waren die Forscher laut Tayoubi "sehr überrascht", als sie einen Hohlraum dieser Größe über der Königinnenkammer entdeckten. "Wir freuen uns sehr über die zusätzliche Aufmerksamkeit für unser Projekt und über die zusätzlichen Forscher die sich uns gerne anschließen und helfen möchten", fügt er hinzu. "Ich glaube, dass in jedem Ingenieur und Wissenschaftler ein Kind steckt, dass von [solchen Entdeckungen über] die Pyramiden träumt."

Das Forscherteam untersucht den Hohlraum mit Hilfe von Augmented Reality | Bild: ScanPyramids Mission

Die ägyptischen Pyramiden haben seit Jahrtausenden zahlreiche Verschwörungstheorien inspiriert: Angefangen bei Ben Carsons Theorie, dass sie als Kornspeicher erbaut wurden bis hin zu der hartnäckigen Annahme, dass die ägyptischen Bauherren Hilfe von Außerirdischen erhielten. Darum ist es sehr erfrischend, dass diese sensationelle Entdeckung ganz ohne Aluhütchen auskommt – auch wenn kosmische Strahlen aus dem Weltraum eine entscheidende Rolle für den Fund des Hohlraums spielten.