Sorry, Einstein: Deine Quanten-Gespenster gibt es doch
Die Wissenschaftler Bas Hensen (links) und Ronald Hanson am Versuchsaufbau. Alle Bilder: Frank Auperle | TU Delft.

FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Sorry, Einstein: Deine Quanten-Gespenster gibt es doch

Niederländische Forscher haben nach einem Jahrhundert endlich die Quantenverschränkung bewiesen. Das Phänomen umherspringender Partikel ließ einst Einstein an seiner Relativitätstheorie zweifeln.

Seit den 1970er Jahren versuchen Physiker bereits, die Quantenverschränkung zu beweisen—ein hartnäckig diffuses Phänomen aus Einsteins Relativitätstheorie, so absurd, dass der berühmte Physiker es zu Lebzeiten selbst nicht richtig erklären konnte.

Doch jetzt haben Physiker der TU Delft in einem Experiment bewiesen: Teilchen, die weit voneinander entfernt sind, können ihr Verhalten gegenseitig und mit sofortiger Wirkung beeinflussen. „Spukhafte Fernwirkung" nannte Einstein das.

Anzeige

Bezogen auf Lichtquanten oder Elektronen bedeutet das, dass sich verschränkte Teilchen erst dann auf eine Ausrichtung, einen Spin, festlegen, wenn sie gemessen werden. „Die Teilchen können sozusagen fühlen, in welchem Zustand das jeweils andere ist", erklärt Versuchsleiter Ronald Hanson etwas unkonventionell gegenüber Deutschlandfunk—und so beeinflussen sie sich genau zur gleichen Zeit, gern auch am anderen Ende des Universums.

In einem Video erklären die Delfter Forscher das anhand eines Date-Videos mit einem „quanten-seelenverwandten Liebespaar" im Restaurant, das roten und weißen Wein bestellen möchte. Beide Partner wissen nicht, ob der jeweils andere lieber Weiß- oder Rotwein trinken möchte—ordern aber automatisch und gleichzeitig immer jeweils den anderen Wein als der Partner. So bekommen sie jedes Mal roten und weißen Wein, ohne sich allerdings vorher festzulegen.

Einstein hatte das Phänomen einst beobachtet—und konnte nicht glauben, was er bemerkte. Es gelang ihm nie, die Quantenverschränkung mit seiner Relativitätstheorie vollkommen in Einklang zu bringen.

Ein Teil des Versuchsaufbaus mit der Diamantenkammer am linken Rand.

Die Wissenschaftler der TU Delft schafften es nun, zwei Teilchen in einem Abstand von 1,3 km miteinander zu verschränken, also sozusagen zu Quanten-Seelenverwandten zu machen. Dazu platzierten sie zwei manipulierte Diamanten an den entgegengesetzten Enden ihres Campusgeländes. Die Distanz stellte sicher, dass die Partikel nicht auf andere Weise miteinander kommunizieren konnten. Das Bizarre: Laut der Quantentheorie legten sich Teilchen nicht auf einen bestimmten Zustand fest, bis sie gemessen oder beobachtet wurden. Bis dahin sprangen sie im Raum umher und konnten gleichzeitig an einem oder mehreren Orten existieren. Durch die Messung ihres Spins wechselten sie jedoch in eine mit unseren physikalischen Theorien erklärbare Welt und hielten sich nur an einem Ort und in einem Zustand auf.

Anzeige

Video: Hansonlab TU Delft.

Diese Erkenntnis widerlegt das physikalische Prinzip der Lokalität, das besagt, dass physikalische Vorgänge immer nur Auswirkungen auf ihre direkte räumliche Umgebung haben können. Ihre Studie, die die Wissenschaftler am Mittwoch im Nature-Journal veröffentlicht haben, belegt damit etwas, das sogar Einstein einst als „spukhafte Fernwirkung" bezeichnete: Dass unterschiedliche Partikel so miteinander verbunden sein können, dass die Messung des einen Partikels unverzüglich das andere beeinflusst.

Ihr versteht nicht, was es mit der Quantenphysik auf sich hat? Lasst es euch von einem Kung-Fu-Move erklären.

Der Versuch an der niederländischen Uni soll nicht nur Einsteins Mysterium aufklären, sondern könnte auch den Weg zu einem so genannten Quanteninternet weisen. Der Experimentsleiter Dr. Hanson träumt beispielsweise von einem Quanten-Kommunikations-Netzwerk, das aus einer Kette verschränkter Teilchen besteht, die die ganze Welt umgibt. Ein solches Netzwerk würde es möglich machen, Verschlüsselungscodes sicher zu teilen und einen heimlichen Lauschangriff sofort zu bemerken.

Ronald Hanson im Labor.

Zwei frühere Experimente wiesen so genannte Schlupflöcher auf: Ungenauigkeiten, wegen denen Forscher nicht endgültig belegen konnten, dass keine versteckten Variablen dazu führten, dass sich die Teilchen veränderten. Ein Versuch konnte zum Beispiel nicht endgültig ausschließen, dass sich die Partikel nicht auf eine andere Weise als durch Quantenverschränkung beeinflussten.

Trotz aller Erfolge hat das Delfter Experiment eventuell dennoch eine Schwachstelle. Die Wissenschaftler räumen ein, dass das elektronische System, das sie verwendet haben, um den Zufall in ihrem Versuch zu generieren, womöglich aus mit heutigen Mitteln nicht festlegbaren Gründen doch vorherbestimmte Signale gesendet hat. Die Schlupflöcher vorheriger Studien konnten die Wissenschaftler jedoch schließen, was ihre Forschung zum bislang stärksten Beweis der Quantenverschränkung macht.

Um Zweifel auszuschließen, hat nun die US-amerikanische National Science Foundation Wissenschaftlern am Massachusetts Institute of Technology Fördermittel zur Verfügung gestellt. Finden sie auch bei vielfacher Wiederholung des Experiments keine Muster im Verhalten des Generators, ließen sich Einsteins Bedenken mit physikalischer Genauigkeit widerlegen.