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Dieser Asteroiden-Jäger passt auf, dass kein Himmelskörper der Erde zu nahe kommt

Lindley Johnson leitet das planetare Verteidigungsprogramm der NASA. Stressen lässt er sich von dieser großen Verantwortung jedoch nicht.
Bild: Rei Watanabe

Jeden Tag sausen tausende Weltraumbrocken in die Erdatmosphäre. Die meisten von ihnen verglühen auf ihrem Weg zur Erde. Manchmal sind sie in ihrem Fall als faszinierende Sternschnuppen zu beobachten, wie der Perseiden-Meteorschauer jeden Sommer. Selten kann es jedoch passieren, dass ein Stück eines Asteroiden oder Meteoriden groß genug ist, um den Sturz durch die Erdatmosphäre zu überleben. Ein Beispiel dafür ist der Meteor von 2013, der über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierte oder das Tunguska-Ereignis von 1908, bei dem vermutlich ein Asteroid oder Komet rund 2.000 Quadratkilometer sibirischen Waldes vernichtete.

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Auch wenn Ereignisse dieser Größenordnung extrem selten sind, möchte die NASA auf alles vorbereitet sein. Hier kommt Lindley Johnson ins Spiel. Sollten Astronomen einmal einen Killer-Astroiden entdecken, der Kurs auf die Erde nimmt, so liegt das Schicksal der Erde in Johnsons Händen – so zumindest die Theorie seiner Rolle als Planetary Defense Officer der NASA. Johnson erzählt jedoch, dass ihm diese enorme Verantwortung keine schlaflosen Nächte bereitet.

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"Glücklicherweise kommen gefährliche Einschläge nur extrem selten vor, die gibt es nur alle paar hundert oder tausend Jahre", so Johnson. "Darum stresst es mich auch nicht besonders."

Nachdem Johnson 23 Jahre lang für das Weltraumbeobachtungsteam der Air Force arbeitete, leitet er seit 2003 das Near Earth Object Observation Programm der NASA – viele Jahre lang bestand das "Team" nur aus ihm. 2014 beschloss die NASA jedoch, die Mittel für die planetare Verteidigung gewaltig aufzustocken. So wurde Johnsons Budget plötzlich verzehnfacht und sein Team wuchs auf acht Personen. 2016 wurde das Near Earth Object Observation Programm dann in das neue Planetary Defense Coordination Office eingegliedert, das von Johnson geleitet wird.

2020 will die NASA den ersten Praxistest starten: Ziel der Mission ist es, eine Raumsonde in den Doppelasteroiden 65803 Didymos zu rammen, um ihn von seiner Bahn abzubringen.

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Trotz dieser positiven Entwicklung denkt Johnson, dass es in Sachen planetarer Verteidigung noch Luft nach oben gibt. "Ich denke, wir sollten noch mehr investieren, um erdnahe Objekte aufzuspüren und nachzuverfolgen", sagt er gegenüber Motherboard. Schließlich gäbe es noch tausende große Asteroiden in unserem Sonnensystem, deren genaue Positionen wir noch nicht kennen. "Dieses Projekt muss zwar nicht die höchste Priorität der NASA sein, verdient aber trotzdem Beachtung."

In den letzten Jahren haben Johnson und sein Team schon viel erreicht: Bisher konnte das Abwehrzentrum der NASA mit seinen Sternwarten über 17.000 Asteroiden katalogisieren, von denen fast 8.000 einen Durchmesser über 100 Metern haben – in dieser Größe könnten die Himmelskörper ganze Kontinente zerstören.


Ebenfalls auf Motherboard: Mit Neil deGrasse Tyson und der NASA Asteroiden sprengen


Johnsons Aufgaben: Asteroiden aufspüren, abwehren und auf das Schlimmste vorbereitet sein

Für Johnson besteht der wichtigste Teil seines Jobs darin, Asteroiden zu entdecken – schließlich muss man ja wissen, wo sich die Killer-Asteroiden aufhalten, wenn man die Erde vor ihnen schützen möchte. Darum koordiniert Johnson die Forschungsergebnisse von drei Observatorien, die Informationen zu Asteroiden sammeln: dem Catalina Sky Survey, dem Pan-STARRS und dem Weltraumteleskop NEO-WISE.

Obwohl diese Observatorien allein 2017 fast 2.000 Asteroiden entdeckten, meint Johnson, dass man die planetare Abwehr durch ein Weltraumteleskop, das auf die Asteroidenjagd im Infrarotspektrum spezialisiert ist, noch effektiver gestalten könnte. Weil die Erdatmosphäre Infrarotstrahlung sehr stark absorbiert, können Infrarotteleskope auf der Erde keine optimalen Ergebnisse bei der Asteroidenjagd liefern. Johnson glaubt, dass ein entsprechend ausgestattetes Weltraumteleskop die Arbeit erledigen könnte, für die Stationen auf der Erde sonst Jahrzehnte benötigen würden. Bisher scheitert Johnsons Vorschlag für das Projekt "NEOCam" jedoch noch an der Finanzierung.

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Eine weitere wichtige Aufgabe von Johnson ist es, Abwehrmissionen zu planen. Denn wenn ein großer Asteroid Kurs auf die Erde nimmt, muss die NASA in kürzester Zeit ein Manöver starten, um ihn von seiner Bahn abzulenken. Die Pläne für diese Missionen sehen verschiedenste Technologien von Weltraumlasern bis hin zu Atomraketen vor – doch laut Johnson sind die meisten von ihnen noch nicht annähernd einsatzbereit. Seiner Meinung nach würde ein sogenannter kinetischer Impakt die größten Erfolgschancen versprechen – mit anderen Worten: Man müsste ein Raumschiff in einen Asteroiden rammen, um ihn vom Kurs abzubringen.

2020 will die NASA mit der AIDA-Mission (Asteroid Impact & Deflection Assessment) den ersten Praxistest starten. Ziel der Mission ist es, eine Raumsonde in den Doppelasteroiden 65803 Didymos zu rammen, um ihn von seiner Bahn abzubringen. Eigentlich sollte die AIDA-Mission gemeinsam von der NASA und der Europäischen Weltraumorganisation ESA durchgeführt werden. Ursprünglich sollte die ESA eine zweite Raumsonde starten, um den Einfluss der ersten Raumsonde zu studieren. Ende 2016 beschloss die ESA jedoch, die Mission nicht weiter zu finanzieren. Nun wird die NASA das Projekt alleine durchführen.

Doch selbst mit den besten planetaren Abwehrmechanismen bleibt die Verteidigung gegen gefährliche Asteroiden ein Glücksspiel. Denn um eine erfolgreiche Abwehrmission zu starten, bräuchte die NASA eine Vorwarnung von mehreren Monaten oder gar Jahren. In vielen Fällen werden Asteroiden von den Observatorien jedoch erst wenige Tage, bevor sie der Erde gefährlich nahe kommen, entdeckt. Darum führt Johnson auch Übungen für den Ernstfall durch, damit der Katastrophenschutz weiß, was zu tun ist, falls ein Asteroid tatsächlich einmal Kurs auf ein bewohntes Gebiet nehmen sollte.

Ende 2016 führten die NASA und die US-amerikanische Katastrophenschutzbehörde FEMA eine gemeinsame Übung durch: Sie simulierten einen bevorstehenden Asteroideneinschlag an der Küste vor Los Angeles und spielten das Szenario in der Theorie durch. Zwar sei es keine leichte Aufgabe, eine Stadt mit vier Millionen Einwohnern innerhalb weniger Tage zu evakuieren, trotzdem seien sie mit dem Ergebnis zufrieden, sagt Johnson gegenüber Motherboard. Für die Zukunft hat er daher noch weitere Simulationen geplant, damit die verschiedenen Regierungsorganisationen im Falle eines tatsächlichen Einschlags reibungslos zusammenarbeiten können.

Johnson blickt positiv in die Zukunft: "Nachdem wir das Bewusstsein für diese Gefahr gesteigert haben und der Regierung klar gemacht haben, dass wir als Raumfahrtbehörde unsere Möglichkeiten in diesem Bereich verbessern müssen, haben wir mehr Unterstützung erhalten. Ich denke, dass es in den nächsten Jahren so weitergeht." Bis dahin heißt es für den obersten Asteroidenjäger der NASA weiterhin: Aufspüren, Abwehren und auf den Ernstfall vorbereitet sein.