Wie "anonyme" Standortdaten deine Identität preisgeben – und was du dagegen tun kannst
Google weiß, dass ich mich sechs Stunden in dieser Villa am Berliner Müggelsee aufgehalten habe. Foto: Google Maps | Screenshot: Motherboard

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Wie "anonyme" Standortdaten deine Identität preisgeben – und was du dagegen tun kannst

Falls ihr die Einstellungen eures Smartphones nicht anpasst, wird so ziemlich jeder Ort getrackt, den ihr besucht. Selbst wenn diese Daten "anonymisiert" sind, verraten sie jede Menge über euch.

Genüsslich schiebe ich mir auf dem Marktplatz von Sineu ein mallorquinisches Bauernbrot in den Mund. Das verschlafene Dörfchen auf Mallorca ist für seinen bunten Wochenmarkt bekannt, und genau dort lasse ich mir gerade die ersten Sonnenstrahlen des Tages ins Gesicht scheinen, während neben mir eine Jazzband spielt.

Um mich auch Monate später noch einmal in diesen lebhaften Moment meines Sommerurlaubs hineinzuversetzen, muss ich nur kurz die Augen schließen – ein Klick auf die Zeitachsen-Funktion von Google Maps versorgt mich dagegen auch gleich mit allen Metadaten dieses besonderen Augenblicks, die mein Hirn schon lange vergessen hat: Es war Dienstag, der 10. Oktober, 10:43 Uhr, ich saß in der "Bar Sabina" und hatte vorher 21 Kilometer im Auto zurückgelegt.

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Von meinem Ferienhaus nach Sineu hatte ich 30 Minuten gebraucht. Hätte ich mit meinem Android-Smartphone damals ein Selfie mit Bauernbrot gemacht, könnte ich nun genau dieses Foto auch auf der Zeitachse sehen.

Mein Bewegungsprofil auf Mallorca ist dank des Standortverlaufs dokumentiert. Foto: Google Zeitachse | Screenshot: Motherboard

Die Zeitachse von Google Maps zeigt mir für den 11. Oktober mein komplettes Bewegungsprofil über die Insel an. Der grobe Verlauf stimmt, nur zwei entlegene Orte fehlen; darunter meine Exkursion an die verlassene, felsige Inselspitze und ein abseitiger Strand, den man nur zu Fuß erreicht. Dafür kennt Google die Pizzeria, in der ich zu Abend gegessen habe, und weiß auch, dass ich knappe eineinhalb Stunden am Strand des Hotels Pinos Playa gelegen habe.

Selbst wenn die Funktion "Standortverlauf" ausgeschaltet ist, senden Android-Handys Standortdaten an Google

Dass für diesen Tag ein umfassendes Bewegungsprofil von mir auf Googles Servern gespeichert ist, verdanke ich dem "Standortverlauf". Diese Funktion ist in Google Maps integriert, muss aber vom Nutzer erst aktiviert werden, und sammelt anschließend die Daten, die ihr später in der Zeitachse sehen könnt. Die Aktivierung könnt ihr entweder direkt auf eurem Smartphone vornehmen oder über eine Website; Google erklärt das entsprechende Prozedere hier für Android und hier für iOS. Wer seinen Standortverlauf aktiviert, kann ihn über die Zeitachse auch Jahre später noch einsehen.

Warum Standortdaten Fluch und Segen zugleich sind

Spuren meiner Bewegungsrouten durch Berlin. Foto: Google Zeitachse | Screenshot: Motherboard

Was viele Nutzer nicht wissen: Sogar wenn die durchaus praktische Funktion des Standortverlaufs deaktiviert ist, sendet ein Android-Smartphone permanent jede Menge Daten an Google, um in Echtzeit den Standortes des Geräts und damit des Nutzers zu ermitteln. Ein iPhone übermittelt solche Daten an Apple bzw. ebenfalls an Google, falls Google Maps auf dem iPhone genutzt wird.

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Google weiß, in welchem Teil des Gebäudes ich mich aufgehalten habe

Der Standort-Modus auf Smartphones ist dabei gewissermaßen Fluch und Segen zugleich: Während die "Standortermittlung" (Android) bzw. die "Ortungsdienste" (iOS) für viele im Alltag sehr hilfreiche Apps sind, greifen sie gleichzeitig in die Privatsphäre der Nutzer ein und übermitteln Daten, aus denen nicht nur ein Bewegungsprofil erstellt, sondern in den meisten Fällen auch die Identität eines Nutzers abgeleitet werden kann. Zwar erklären Google, Apple und auch viele Anbieter von Apps, die ebenfalls auf Standortdaten zugreifen, dass sie diese "anonymisiert" verwenden, doch wer sich näher mit diesem Versprechen beschäftigt, stellt schnell fest: Diese Anonymität ist nichts weiter als eine Illusion.

Allerdings könnt ihr ein Wörtchen mitreden, wenn es um die Intensität des Datensammelns geht: Um nicht jeden Ort preiszugeben, den ihr mit Smartphone in der Tasche aufsucht, könnt ihr den Standortmodus eures Geräts in den Einstellungen anpassen. Das trägt nicht nur zum Schutz eurer Privatsphäre bei, sondern verschont euch in Zukunft möglicherweise auch vor aufdringlichen Werbeanzeigen, die euch auf Schritt und Tritt begleiten wollen.

Google weiß, dass ich mich sechs Stunden in dieser Villa am Berliner Müggelsee aufgehalten habe. Foto: Google Maps | Screenshot: Motherboard

Dass meine Standortdaten von Google Maps teilweise so akkurat erfasst werden, dass man sogar nachvollziehen kann, in welchem Teil eines Gebäudes ich mich aufgehalten habe, stelle ich fest, als ich etwas durch meine Zeitachse der vergangenen Monate stöbere. 16. September, BBQ-Party in Berlin-Köpenick: Die Zeitachse sagt mir, ich sei sechs Stunden in der Villa am Müggelsee gewesen. Korrekt. Dann lasse ich mir die genauen Koordinaten der Party anzeigen und bin verblüfft: In der Satellitenansicht des riesigen Gebäudes ist ein Punkt nur wenige Meter neben der Dachterrasse markiert, auf der ich tatsächlich mehrere Stunden verbracht habe.

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Anonymität ist eine Illusion: So kann man aus Standortdaten eure Identität recherchieren

Unter Umständen kann das zum Problem werden. Blicke ich auf meinen eigenen Datensatz aus der Google-Zeitachse, wird mir schnell klar, warum Standortdaten kaum anonym sein können: Von allen 435 in meiner Zeitachse gespeicherten Orten stechen zwei in der Übersicht deutlich hervor. Ich habe sie überproportional häufig besucht, den einen Ort nur wochentags zwischen 08:00 und 19:00 Uhr. Wer die entsprechenden GPS-Daten in Google Maps aufruft, wird feststellen, dass es sich bei dem einen Gebäude um ein Wohnhaus handelt, bei dem anderen um einen Gewerbehof. Es liegt also nahe, dass es sich bei den beiden Orten um meinen Wohnsitz und meinen Arbeitsplatz handelt.

Unter den Top 20 der meistbesuchten Orte auf meiner Zeitachse findet sich auch das in der Nähe meines Büros gelegene Restaurant, in dem ich häufig zu Mittag esse, sowie die Yogaschule, in der ich trainiere. Es lässt sich problemlos ein relativ genaues Abbild meines Alltags erstellen.

Denn auch, wenn ein Datensatz um die sogenannten personenbezogenen Daten bereinigt ist, lassen sich Profile einzelner Nutzer aus den Daten ableiten. Forscher des MIT und der belgischen Université Catholique de Louvain analysierten beispielsweise in einer Studie die anonymisierten Daten der Finanztransaktionen von 1,1 Millionen Personen. In 94 Prozent der Fälle reichten ihnen die Orts- und Zeitangaben von nur vier Transaktionen sowie die Höhe der Transaktio aus, um individuelle Nutzer in dem riesigen Datensatz zu identifizieren.

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Hat man nun ein solches Nutzerprofil identifiziert und einem anonymen Nutzer eine Vielzahl von Transaktionen zugeordnet, stehen in Zeiten von Social Media und einer Vielzahl öffentlich abrufbarer Datenbanken unzählige Möglichkeiten bereit, um die anonymisierten Daten mit personenbezogenen Daten zu kombinieren. Weiß man zum Beispiel, dass ein anonymer Nutzer an einem bestimmten Tag eine bestimmte Summe in einem bestimmten Restaurant ausgegeben hat, findet man möglicherweise einen entsprechenden Post auf Instagram oder Facebook über den tollen Dinner-Abend, und schon ist die Kreditkartenzahlung mit einem Facebook-Profil verknüpft, das möglicherweise sogar den Klarnamen der Person enthält.

Man nennt diesen Prozess der Zusammenführung von anonymisierten Datensätzen mit öffentlich einsehbaren Datensätzen auch Data Re-Identification. Mit dieser Methode werden Datensätze, die um personenbezogene Informationen bereinigt wurden, wieder konkreten Identitäten zugeordnet.

Die Orte, die ein Mensch besucht, verraten jede Menge über seine Identität. Geht eine Person zum Beispiel oft in einen Park und hält sich außerdem regelmäßig für kurze Zeit in einem Fachmarkt für Tiernahrung auf, kann man darauf schließen, dass es sich um einen Hundebesitzer handelt. Jemand, der jeden Morgen für zehn Minuten in einem Kindergarten eincheckt, wird wohl auch Kinder haben.

Um die Probe aufs Exempel zu machen, bat der US-Journalist DJ Pangburn kürzlich zwei seiner Freunde, ihre Daten von der Google Zeitachse herunterzuladen. Anschließend anonymisierte Pangburn die Datensätze und stellte sie dem Buzzfeed-Datenexperten Gilad Lotan zur Verfügung. Lotan bereitete es kaum Probleme, die Personen hinter den Datensätzen zu identifizieren, wie Pangburn in diesem Artikel ausführlich darlegt.

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Mobiles Microtargeting: Was tatsächlich hinter der Standortdaten-Sammelwut steckt

Vor allem die Werbeindustrie ist interessiert an den Bewegungsprofilen von Nutzern: Wenn der Werbetreibende weiß, welche Art von Person sich gerade an welchem Ort befindet, kann er dem potentiellen Kunden in Echtzeit über das Smartphone maßgeschneiderte Anzeigen ausspielen. Standortdaten ermöglichen mobiles Microtargeting.

"Ich habe mit vielen Leuten aus der Werbetechnologie und dem Marketing gesprochen, und für die sind Standortdaten das große Versprechen der Zukunft", erzählt Lotan. Die Leute, mit denen Lotan gesprochen hat, nennen diese Daten auch "kontextspezifische Daten", da sie auf die Art von Situation schließen lassen, in der sich ein Nutzer in der physischen Welt gerade befindet.

"Es verwundert also nicht, dass der Standort als 'neuer Cookie' bezeichnet wird", schlussfolgert ein Artikel dreier Marketing-Experten für den deutschen Marktforschungs-Think-Tank GfK-Verein. "Während man mit Desktop-Cookies die Browseraktivitäten eines Nutzers im Zeitverlauf beobachten kann, ist der physische Standort ein Indikator für individuelle Präferenzen in der realen Welt."

Mit anderen Worten: Indem Bewegungsverläufe von Smartphone-Besitzern ausgewertet werden, kann eine Prognose erstellt werden, wann sie an einem bestimmten Geschäft vorbeilaufen oder an welchem Ort sie welches Produktinteresse hegen.

Eine der bisher größten Kampagnen im Bereich mobiles Targeting führte die Fastfood-Kette Subway Anfang des Jahres in Frankreich durch. Nutzern, die sich in einem Radius von 400 Metern zur nächsten Subway-Filiale befanden, spielte man in Echtzeit Werbeanzeigen auf dem Smartphone aus. Das Unternehmen schaffte es so laut eigenen Angaben, 200.000 Menschen in die Filialen zu locken. Bereits 2014 begann ein englisches Shopping-Center Besuchern mit Smartphone und eingeschaltetem WLAN in der Tasche Werbeanzeigen auf das Handy zu spielen, wenn diese an bestimmten Läden vorbeiliefen. Ein WLAN-Router kann in der Regel jedes WLAN-fähige Gerät in Reichweite orten und über die MAC-Adresse, eine individuelle Seriennummer, die jedes Smartphone besitzt, auch eindeutig identifizieren – ein Einloggen in das WLAN-Netz ist dafür nicht nötig.

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Laut GfK-Verein sollen die "Ausgaben für standortbasierte Echtzeit-Werbung bis 2018 auf 15 Milliarden Euro bzw. 40 % des gesamten Budgets für mobile Werbung steigen." Ausgerechnet dieses System der standortbasierten Mobile Ads lässt sich dabei aber auch dazu missbrauchen, einen Nutzer zu tracken und auszuspionieren: In einem Experiment schalteten Sicherheitsforscher der University of Washington über ein Werbenetzwerk mobile Ads und konnten nachvollziehen, von welchem Gerät aus auf diese Ads geklickt wurde.

Was euer Smartphone ständig über euch verrät und wie ihr es etwas weniger geschwätzig macht

Ist auf einem Android-Telefon – wie in meinem Fall – der Standortverlauf aktiviert, nutzt Google Maps eine Vielzahl von Informationen, um fortlaufend den Standort meines Smartphones zu bestimmen: Es wird fein säuberlich protokolliert, in welcher Funkzelle des Mobilfunknetzes ich mich gerade befinde und welche umliegenden WLAN-Netzwerke und Bluetooth-Signale es gibt, dazu die Koordinaten, die das GPS-Modul meines Geräts empfängt. Auch die Dauer meiner Mobilfunk-, GPS-, WLAN- oder Bluetooth-Verbindungen und sogar die Akkulaufzeit meines Smartphones lässt Google sich von meinem Smartphone schicken.

Doch auch wenn ich die durchaus praktische Funktion des Standortverlaufs nicht aktiviert habe, erhebt mein Smartphone jede Menge Daten. Der normale Standort-Modus ist in der Regel auf jedem Smartphone aktiviert – schließlich greifen nicht nur Tinder, WhatsApp oder Snapchat auf deinen Standort zu, sondern auch unzählige weitere Apps, die bisweilen nicht mal einen Standortzugriff benötigen. So hatte in der Vergangenheit zum Beispiel die kostenlose Taschenlampen-App "Brightest" Standortdaten der Nutzer kopiert und weiterverkauft.

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Hier könnt ihr überprüfen, welche Apps auf eurem Android-Handy zuletzt auf eure Standortinformationen zugegriffen haben und hier diese Einstellung anpassen; hier wird beschrieben, wie diese Liste unter iOS einsehbar ist.

Android: Ein Standortmodus, drei Varianten der Datenerhebung

Android bietet drei verschiedene Grundeinstellungen für die Standortermittlung an. Foto: Android | Screenshot: Motherboard

Android bietet drei verschiedene Einstellungen für den Standort-Modus an und erklärt hier, wie diese sich voneinander unterscheiden: Wählt ihr "Hohe Genauigkeit" aus, wertet Google eure GPS-Koordinaten, WLAN- und Bluetooth-Signale in der Umgebung sowie eure Mobilfunk-Verbindung aus – also genau dieselben Daten wie beim eingeschalteten Standortverlauf.

In seinen Datenschutzerklärungen erklärt das Unternehmen dazu schwammig: "Wenn Sie Google-Dienste nutzen, erfassen und verarbeiten wir möglicherweise Informationen über Ihren tatsächlichen Standort." Auf Anfrage von Motherboard Deutschland erklärt uns ein Sprecher, Google nutze die Standortinformationen von Android-Geräten nur zur "Momentaufnahme", beispielsweise um den Nutzern Informationen zu Staus anzuzeigen: "Hier wird aber kein Verlauf gespeichert, und der Standortmoment ist anonymisiert."

"Stromsparfunktion": Der Standort wird über WLAN geortet und an Google gesendet

Wechselt man in den Modus "Stromsparfunktion", werden keine GPS-Daten, welche den Standort am präzisesten wiedergeben, erhoben. Trotzdem lassen die verbleibenden Datenquellen die Erstellung eines akkuraten Bewegungsprofils zu. Selbst wenn sich der Nutzer nicht in eines der umliegenden WLAN-Netzwerke einloggt, gleicht Google nämlich die Standorte der WLANs mit einer Datenbank ab, und kann so den Standpunkt des Gerätes nachvollziehen. Man nennt das WLAN-basierte Ortung. Auch umliegende Bluetooth-Signale kann euer Smartphone auf ähnliche Weise zur Positionsbestimmung nutzen, auch wenn es nicht mit einem Gerät per Bluetooth verbunden ist.

"Nur Gerät": GPS bleibt an und der Mobilfunkanbieter weiß, wo ihr seid – Google nicht

Wählt ihr dagegen den Standort-Modus "Nur Gerät", nutzt euer Smartphone ausschließlich das integrierte GPS-Modul. Die Standortermittlung über GPS funktioniert auch dann, wenn alle Internetverbindungen eures Smartphones gekappt sind. Google weiß in diesem Moment also nicht, wo ihr seid – es sei denn ihr habt die WLAN-Funktion und mobiles Internet nachträglich wieder eingeschaltet, denn dann kann euer Gerät auch eure GPS-Koordinaten an Google senden.

Benutzt ihr ausschließlich euer GPS-Modul zur Standortbestimmung, weiß nur noch euer Mobilfunkanbieter, wo ihr euch befindet. Er kennt zu jedem Zeitpunkt die Funkzelle, in der ihr sein Signal empfangt. Nachdem die Bundesnetzagentur aber die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung auf Eis gelegt hat, erklären die meisten deutschen Provider, dass sie die entsprechenden Daten nicht speichern.

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Warum im Flugmodus immer noch der eigene Standort angezeigt wird

Foto: Android | Screenshot: Motherboard

Wirklich alle Verbindungen nach außen – auch zum Mobilfunkanbieter – kappt ihr nur, wenn ihr den Flugmodus aktiviert. Dieser unterbindet nämlich jeglichen Service, der Funkwellensignale aussendet. Da das GPS-Modul auf eurem Handy lediglich Signale empfängt, könnt ihr es dabei auch im Flugmodus weiter nutzen, um euch selbst euren Standort anzeigen zu lassen. Allerdings lassen sich einzelne Verbindungsdienste wie WLAN oder Bluetooth auch im Flugmodus nachträglich wieder aktivieren. Vergewissert euch also, dass tatsächlich alle Dienste außer GPS deaktiviert sind, wenn ihr sichergehen wollt, dass euer Gerät keine Daten nach draußen sendet.

Denkt außerdem daran, dass eine neu installierte App euch möglicherweise auffordert, die Standortermittlung wieder zu aktivieren. Bestätigt ihr dies, haben automatisch auch wieder alle anderen Apps Zugriff auf den Standortmodus, für die dieser freigeschaltet ist, und eure Verbindung nach draußen – WLAN und mobiles Internet – wird möglicherweise wieder aktiviert. Ob einer der drei Standort-Modi aktiviert ist, erkennt ihr in der Schnellübersicht am eingeschalteten Standortsymbol.

Ortungsdienste auf dem iPhone – was iOS mit euren Standortdaten macht

Falls ihr auf eurem iPhone Google Maps verwendet, könnt ihr den Standortverlauf bzw. die Google-Zeitachse genauso in der App aktivieren wie Android-Besitzer – und eure Daten werden dementsprechend auch auf Googles Servern gespeichert.

Aber auch wenn ihr nicht Google Maps nutzt, erstellt iOS ein Bewegungsprofil von euch. Die Funktion nennt sich "Wichtige Orte" (in älteren iOS-Versionen "Häufige Orte") und wird laut Apple dazu genutzt, dem Nutzer in Apple Maps "individuell angepasste Dienste wie Routenvorschläge anzubieten". Beim ersten Einrichten eures iPhones werdet ihr gefragt, ob ihr die Ortungsdienste aktivieren wollt – bestätigt ihr dies, wird automatisch auch die Funktion "Wichtige Orte" aktiviert, und ihr gebt Apple und seinen nicht näher definierten "Partnern" die Erlaubnis zur "Übertragung, Erfassung, Pflege, Verarbeitung und Verwendung Ihrer Standortdaten".

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Falls ihr nicht möchtet, dass die von euch besuchten Orte auf eurem iPhone gespeichert werden, könnt ihr die Funktion auch deaktivieren – allerdings ist sie ziemlich gut versteckt: Ruft zunächst die Einstellungen auf, wählt den Punkt Datenschutz, und dann Ortungsdienste. Hier seht ihr eine Übersicht aller Apps und ob diese auf die Ortungsdienste zugreifen dürfen. Ihr könnt hier die Berechtigungen für alle Apps jederzeit anpassen. Scrollt ihr dagegen ganz nach unten, könnt ihr den Punkt Systemdienste auswählen und dort wieder ganz nach unten scrollen: Hier seht ihr die von iOS aufgezeichneten "Wichtigen Orte" und könnt den Dienst auch deaktivieren.

Besonderheit an iOS: Standortzugriff erlauben, aber eingeschränkt

iOS bietet die Möglichkeit, Apps nur dann Standortzugriff zu erlauben, wenn die App auch tatsächlich benutzt wird. Foto: iOS | Screenshot: Motherboard

Anders als bei Android könnt ihr in iOS nicht nur einstellen, ob eine bestimmte App auf die Standortdaten zugreifen darf oder nicht, sondern diese Erlaubnis auch eingeschränkt erteilen. Wählt unter Einstellungen → Datenschutz → Ortungsdienste die gewünschte App aus und dann eine dieser drei Einstellungen: "Nie" und die App bekommt zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf Standortdaten; "Immer" und die App kann zu jeder Zeit auf diese zugreifen.

Das Besondere an iOS ist aber die Option "Beim Verwenden der App": Bei dieser Einstellung greift die App nur auf die Standortdaten zu, während ihr die App auch tatsächlich benutzt. Denn leider gibt es auch Apps, die auf eure Standortdaten zugreifen, obwohl sie diese für eine reibungslose Funktionsweise gar nicht benötigen, wie im Fall von "Brightest".

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Es wurden auch Fälle bekannt, in denen Apps auch weiterhin noch auf den Standort zugreifen, obwohl sie diesen gar nicht mehr benötigen. Prominentes Beispiel: Die Taxi-App Uber war bereits 2016 in die Kritik geraten, weil der Standort von Nutzern auch bis zu fünf Minuten nach Fahrtende noch von Uber erfasst wurde. Im August entfernte das Unternehmen das umstrittene Feature schließlich aus seiner App. Dieses Beispiel zeigt auch, dass Nutzer durchaus Einfluss auf die Architektur einer App ausüben können, wenn sie Druck auf deren Entwickler ausüben.

Genauso wie ein Android-Telefon verwendet auch iOS die Funktionen "GPS, Bluetooth und WLAN-Hotspots sowie Mobilfunkmasten, um den Standort Ihres Geräts zu bestimmen". Anders als bei Android gibt es auf dem iPhone aber nicht die vorgefertigten Standort-Modi "Hohe Genauigkeit", "Stromsparfunktion" und "Nur Gerät". Stattdessen greift der Ortungsdienst zur Standortermittlung auf die Funktionen zurück, die der Nutzer gerade angeschaltet hat. Wollt ihr sicher gehen, dass keinerlei Standortdaten an Apple übertragen werden, müsst ihr genau wie bei Android die Funktionen WLAN und mobiles Internet deaktivieren und auf euer GPS-Modul zurückgreifen, wenn ihr trotzdem einen Ortungsdienst braucht.

Wissen, was Google weiß: So kommt ihr an eure eigenen Bewegungsprofile

Die Zeitachse kann direkt über Google Maps. Foto: Google Maps | Screenshot: Motherboard

Natürlich sind Google und Apple bei Weitem nicht die einzigen Firmen, die Zugriff auf eure Standortangaben besitzen – eine Vielzahl an Apps greift auf euren Standort zu. Allerdings dürften die beiden Tech-Konzerne die umfassendsten Bewegungsprofile von uns besitzen, da die meisten Nutzer entweder ein Smartphone, das über Android läuft, oder ein iPhone besitzen. Die Technologie, die hinter allen Ortungsdiensten steckt, die auf deinem Android-Smartphone installiert sind, stammt von Google und auch auf iPhones wird Google Maps häufig benutzt.

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Google bietet allen Nutzern die Möglichkeit, sich die Daten des eigenen Standortverlaufs herunterzuladen – entweder über das Einstellungs-Menü rechts unten in der Zeitachse (auf das Zahnrad klicken) oder über die Weboberfläche Takeout. Hier könnt ihr euch übrigens auch Daten über eure Aktivitäten in allen anderen Google-Diensten herunterladen, darunter YouTube, Google Fotos, eure Google-Suchen, E-Mails und eben euren kompletten Standortverlauf. Die hier gespeicherten Daten könnt ihr in der Oberfläche "Meine Aktivitäten" löschen.

Falls ihr euren Standortverlauf herunterladet, erhaltet ihr per E-Mail einen Downloadlink und über diesen eine Json-Datei mit dem Namen "Gespeicherte Orte". Die Datei ist ohne eine weitere Umformatierung zwar nicht besonders komfortabel zu lesen, hat es aber in sich: In meinem Fall enthält sie nicht weniger als meine täglichen Bewegungsprofile der letzten drei Jahre. Zwar sind diese nicht vollständig, verraten aber genug, um meine Identität ohne großen Aufwand feststellen zu können – und das, obwohl die Daten von Google für den Download anonymisiert werden, also keine sogenannten "personenbezogenen Daten" wie meinen Namen oder meine Wohnadresse beinhalten.

Was Nutzer tun können, wenn sie weniger Daten preisgeben möchten

Wenn ihr als Nutzer sicher gehen möchtet, dass keinerlei Standortdaten an Google, Apple oder einen App-Anbieter geschickt werden, bleibt euch nichts anderes übrig, als euer Smartphone ausschließlich mit deaktiviertem WLAN und deaktiviertem mobilen Internet zu benutzen. Ihr könntet eure eigene Position dann noch über das GPS-Modul eures Smartphones bestimmen lassen, ohne dass diese Information auf irgendeinen Server übertragen wird. Allerdings ist ein Smartphone so natürlich nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Im wahrscheinlicheren Fall, dass ihr WLAN und mobiles Internet nach wie vor nutzen wollt, könnt ihr bei einem Android-Smartphone die Standort-Einstellung "Nur Gerät" nutzen: Dann greift Android ebenfalls nur auf das GPS-Modul zur Standortermittlung zurück, für andere Anwendungen stehen aber noch die Internetverbindungen zur Verfügung. Benutzt außerdem WLAN und Bluetooth wirklich nur dann, wenn ihr eine Verbindung aufbauen müsst, denn auch wenn ihr mit keinem Gerät verbunden seid, kann euer Smartphone über die beiden Funktionen geortet werden.

Inwiefern Google auch in einem solchen Fall trotzdem noch Standortdaten an die eigenen Server schickt, bleibt wohl das Geheimnis der Firma. Erst am 21. November erschien eine Recherche der US-Website Quartz, die enthüllte, dass Google sich von Android-Geräten die Adressen von Funkzellen schicken lässt, selbst wenn alle Ortungsdienste deaktiviert und sogar die SIM-Karte entfernt wurde. Auch hier beeilte sich die Firma zu erklären, dass man die Daten zwar erhoben, aber nicht gespeichert habe.

Ähnlich unklar bleibt, wie einzelne Apps, die auf die Standortdaten zugreifen dürfen, diese verwenden. Hier unterscheiden sich die Nutzungsbedingungen von Anwendung zu Anwendung. Im August enthüllte Sicherheitsforscher Will Strafach beispielsweise, dass die weltweit beliebte Wetter-App AccuWeather Nutzerdaten an einen Vermarkter von Standort-Daten mit dem bezeichnenden Namen RevealMobile weitergibt.

Ihr solltet deshalb bei jeder Neu-Installation überlegen, ob eine App wirklich Zugriff auf die Standortdaten braucht. Da manche Apps ohne Standortzugriff aber wenig Sinn ergeben, könnt ihr außerdem überlegen, ob ihr statt einer Google-, Apple- oder sonstigen proprietären App eine Open-Source-Anwendung installiert. Als Alternative zum Google Playstore hat sich der transparente App Store F-Droid etabliert: Hier werden nur Apps mit offenem Quellcode angeboten, Anwendungen mit Tracking-Funktionen werden besonders markiert. Der Nutzer läuft also nicht Gefahr sich eine App mit versteckter Tracking-Funktion herunterzuladen. Eine gute Alternative zu Google Maps ist zum Beispiel die Offline-Navigation mit der App OsmAnd.

Wenn ihr den durchaus praktischen Standortverlauf von Google Maps nutzen wollt, müsst ihr euch bewusst sein, dass dieser zu jeder Zeit auf Googles Servern, nämlich eurer Zeitachse, gespeichert ist. Da diese über die Login-Daten eures Google-Accounts einsehbar ist, solltet ihr in erster Linie euer Gmail-Konto gut schützen. Die wichtigste Vorsichtsmaßnahme ist dabei das Einrichten der zweistufigen Authentifizierung. Denn schafft es jemand, euer Passwort zu hacken, hat er bei aktivierter Zeitachse auch gleich euer Bewegungsprofil der letzten Jahre.

"Wenn Sie den Standortverlauf aktivieren, erhalten Sie in Google-Produkten bessere Ergebnisse und Empfehlungen", preist Google auf seiner Supportseite die Funktion an. In gewisser Weise hat Google damit auch recht, tatsächlich bietet die Funktion dem Nutzer jede Menge Vorteile. Daran, dass ich diesen Standortverlauf irgendwann mal aktiviert habe, kann ich mich zwar nicht erinnern – dafür aber noch sehr gut an einen Moment, in dem mir die Funktion einiges an Nerven sparte und tatsächlich eine gute "Empfehlung" lieferte: Am Flughafen Mumbai stieg ich nervös aus dem Flieger und bekam von Google Now, Googles persönlichem Assistenten für Android und iOS, sofort einen Terminalplan des Gebäudes samt der Uber-Abfahrstation angezeigt, an dem ich mein Taxi nehmen musste.

Wie Techcrunch berichtet, wird der Service mit Standortdaten sogar noch weiter ausgebaut: Eine Funktion, die bald global in Google Maps verfügbar sein wird, soll den Nutzer daran erinnern, wann es Zeit ist, aus dem Bus oder Zug auszusteigen. Die passende Gebäudekarte des Bahnhofs soll dem Nutzer gleich dazu präsentiert werden. Auch Apple setzt verstärkt auf das sogenannte Indoor Mapping und navigiert den Nutzer seit letzter Woche durch 30 internationale Flughäfen.

So hilfreich standortbasierte Apps dabei sind: Wer derartige Dienste benutzt, muss sich darüber im Klaren sein, dass sein Bewegungsprofil zumindest temporär von Google, Apple und eventuell einem dritten App-Anbieter erfasst wird und das mitunter in den Nutzungsbedingungen nicht klar formuliert ist. Das Fraunhofer Institut arbeitet derzeit an der App Metaminer, die alle anderen Apps auf dem Smartphone hinsichtlich ihrer Tracking-Aktivitäten überwachsen soll und die Interaktionen von Apps mit Tracking-Diensten visualisiert und entsprechende Datenflüsse blockieren kann. Sobald Metaminer für die ersten mobilen Betriebssysteme zur Verfügung steht, erfahrt ihr es auf der Website des Fraunhofer Instituts und bei Motherboard Deutschland.